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Eigene Steuer für Digital-Giganten

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Digitalsteuer-Paket will Google, Amazon und Co stärker zur Kasse bitten.


Wien. Online-Giganten wie Facebook, Amazon und Alphabet (Mutterkonzern von Google, Anm.) sollen in Österreich künftig mittels der Digitalsteuer stärker zur Kasse gebeten werden. Die am Mittwoch im Ministerrat beschlossene Abgabe soll künftig 200 Millionen Euro ins Budget spülen und "Steuergerechtigkeit" herstellen, wie es Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) formulierte. Hintergrund ist, dass die von internationalen Digitalkonzernen tatsächlich geleisteten Abgaben deutlich unter jenen österreichischer und europäischer Betriebe liegen. Ein Versuch, die Digitalsteuer als EU-weite Steuer umzusetzen, ist gescheitert. Jetzt kommt sie als österreichische Lösung. Die wichtigsten Punkte im Überblick:

Was ist der Anlass für die neue Digitalsteuer?

Laut EU-Kommission wird die EU-Wirtschaft mit durchschnittlich 23 Prozent besteuert, während digitale Unternehmen höchstens neun Prozent Abgaben auf ihren Umsatz zahlen. In Österreich zahlen digitale Großkonzerne im Schnitt 0,8 Prozent ihres Umsatzes als Körperschaftssteuer. Die Werbeeinnahmen werden oft gar nicht besteuert.

Das liegt auch daran, dass viele hier tätige Firmen ihren EU-Sitz in Ländern mit attraktiveren Gewinnsteuersätzen wie Irland, den Niederlanden oder Luxemburg haben. Facebook deklariert 40 Prozent seines Umsatzes in Irland als Gewinn, in Österreich ist es nur ein Bruchteil dessen. Weltweit spielt die personalisierte Online-Werbung, Haupteinnahmequelle von Google, Facebook und Co, eine immer gewichtigere Rolle. Mit einem weltweiten Umsatz von 204 Milliarden US-Dollar hat sie 2017 die TV-Werbung erstmals überholt, so "Horizont".

Was sieht die Steuer im Detail vor?

Das mit 200 Millionen Euro bezifferte Paket beinhaltet eine Digitalsteuer für Großkonzerne, eine Haftungsklausel für Online-Vermittlungsplattformen und eine Umsatzsteuerpflicht für digitale Händler. Künftig sollen internationale Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro, wenn sie 25 Millionen Euro davon in Österreich machen, eine Online-Werbeabgabe von fünf Prozent zahlen. Bisher galt diese nur für Print-Werbung, jetzt gilt sie auch für den Online-Bereich.

Die Umsatzsteuerbefreiung bis zu einem Warenwert von 22 Euro wird gemäß einer EU-Richtlinie gestrichen. Das betrifft Wareneinfuhren aus Drittstaaten, etwa über Online-Marktplätze wie Amazon oder Alibaba. Künftig gelten Online-Marktplätze bei Lieferungen aus Drittstaaten an Private als Lieferer. Sie sind damit automatisch Schuldner der Umsatzsteuer und auch für dessen Abführung zuständig.

Außerdem entfällt die Lieferschwelle bei der Umsatzsteuer von 35.000 Euro jährlich bei Versandhandel aus anderen EU-Staaten. Künftig sind Unternehmen aus anderen EU-Staaten beim Versandhandel an Private ab dem ersten Euro umsatzsteuerpflichtig. Eine Ausnahme gibt es nur für Betriebe mit weniger als 10.000 Euro Jahresumsatz.

Die Haftungsklausel trifft Vermietungsplattformen wie AirBnB. Ab 2020 sollen diese für nicht versteuerte Einnahmen der Vermieter haften. Wie viele Online-Firmen davon betroffen sind, kann noch nicht beziffert werden.

Wer profitiert von der neuen Regelung?

In erster Linie der Bund. Der Finanzminister erhofft sich durch die Maßnahmen Mehreinnahmen von 200 Millionen Euro. Außerdem sollen heimische Medienunternehmen mit 15 Millionen Euro jährlich gefördert werden. Das Geld soll in die Digitalisierung und Stärkung des heimischen Medienstandorts fließen. Wie genau das Geld verteilt wird, ist noch nicht bekannt.

Geht die Rechnung des Finanzministers auf?

Der Finanzminister sagt: "Ja". Andere Institutionen bezweifeln das. Der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS) Martin Kocher begrüßt grundsätzlich die Maßnahmen. Er nannte das 200-Millionen-Euro-Ziel aber am Mittwoch "sehr optimistisch".

Auch eine Uni-Wien-Studie in Auftrag der Arbeiterkammer (AK) bezweifelt das. Die Autoren rechnen mit Online-Werbeeinnahmen von 330 Millionen Euro, die unter die Kriterien der Digitalsteuer fallen. Würden diese mit fünf Prozent besteuert, ergäben sich Mehreinnahmen bei der Werbeabgabe von 15 Millionen Euro. "Das ist keine echte Digitalsteuer", sagt Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerpolitik der AK Wien, und kompensiere nicht das Problem der fehlenden Gewinnbesteuerung mangels Betriebsstätte in Österreich. Unklar ist laut Studie, ob neben den errechneten 15 Millionen die restlichen Punkte im Paket die restlichen 185 Millionen Euro einspielen würden.

Warum der Alleingang Österreichs?

Ursprünglich war eine EU-weite Digitalsteuer geplant. Löger hatte sich diese für die österreichische Ratspräsidentschaft auf die Fahne geheftet. Etliche EU-Staaten sprachen sich aber dagegen aus. Etwa Irland, das viele EU-Firmensitze der digitalen Multis beheimatet. Und auch Deutschland ist dagegen, weil es Strafzölle für Auto-Importe als US-Vergeltungsmaßnahme fürchtet. Angestrebt wird aber eine einheitliche OECD-Lösung ab 2020.

Der Alleingang Österreichs ist dennoch ungewöhnlich. Die Digitalsteuer bricht ein wenig mit dem geltenden Firmensitz-Prinzip. Schließlich werde das Besteuerungsprinzip nach Ursprungsland bzw. Bestimmungsland aufgebrochen. Gewinne sollen zu einem kleinen Teil dort besteuert werden, wo sie erwirtschaftet wurden, also in Österreich. Gegen internationale Steuervermeidung braucht es aber internationaler Maßnahmen.