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Wenn der Flieger nicht abhebt

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Europas Airlines sind heuer besser aufgestellt als im Chaos-Sommer 2018. Das Grundproblem bleibt aber bestehen: zu viele Anbieter, zu viele Flüge. Darunter leidet die Pünktlichkeit.


Wien. Greta Thunberg fliegt nicht. Die schwedische Klimaschutzaktivistin fährt der Umwelt zuliebe mit der Bahn, auch wenn das erheblich länger dauert. Entspannter ist es jedoch allemal. Dass das Reisen per Flugzeug mitunter purer Stress ist, weiß man nicht erst seit dem Chaos-Sommer 2018. So legte im April 2010 der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas lahm. Eine riesige Wolke aus Lavaasche trieb von der Atlantikinsel auf den Kontinent, zahlreiche Flughäfen mussten geschlossen werden. Über 100.000 Flüge wurden gestrichen, bevor wieder Normalität einkehrte.

Delayed oder gar gecancelt: Es ist der Albtraum jedes Reisenden, einen unfreiwillig verlängerten Aufenthalt auf dem Flughafen einlegen zu müssen. Streiks, technische Defekte, Überbuchungen, das Wetter oder - wie unlängst in Frankfurt - Drohnenalarm: Gründe dafür gibt es viele. In der EU-Fluggastrechteverordnung ist geregelt, was Flugpassagieren zusteht, wenn sich ihr Flug um mehr als drei Stunden verspätet oder annulliert wird. Die finanzielle Entschädigung liegt je nach Fall zwischen 250 und 600 Euro, aber nur, wenn die Fluggesellschaft schuld ist.

"Es wird wieder heftig"

Die Airlines würden sich allzu oft auf außergewöhnliche Umstände berufen, sagt Andreas Sernetz, Geschäftsführer des 2011 in Wien gegründeten Fluggastrechte-Portals FairPlane. Er glaubt, "dass es heuer in der Hochsaison wieder sehr heftig wird." Zu viele Anbieter, zu viele billige Flüge, immer mehr Passagiere - darunter leide die Pünktlichkeit. So zählte etwa der Flughafen Wien im Vorjahr 27 Millionen ankommende und abfliegende Passagiere. 1989 waren es erst rund 5 Millionen gewesen. 2018 startete rund jeder vierte Flug von Wien-Schwechat aus nicht nach Plan. 2017 war es erst jeder fünfte gewesen. Wien lag damit in Sachen Flugverspätungen und -ausfällen im Vorjahr auf Platz fünf einer Rangliste der zehn größten Flughäfen im deutschsprachigen Raum, die das Fluggastportal AirHelp erstellt hat. Die meisten Probleme gab es am Drehkreuz Frankfurt am Main. Dort waren rund 34 Prozent aller Starts verspätet oder fielen komplett aus. Die Flugsicherung Eurocontrol prognostiziert bis 2040 für Europa ein Passagierwachstum von rund 53 Prozent. Die Kapazitäten der Flughäfen würden aber nur um 16 Prozent wachsen.

Die Low-Cost-Flieger wie Ryanair, Wizz Air oder Vueling führen unterdessen ihre gnadenlosen Ticketschlachten weiter. Mit den sinkenden Preisen sei auch die Bereitschaft der Fluglinien, Entschädigungen zu zahlen, gesunken, so Sernetz. "Sie suchen immer mehr Ausreden und verweisen auf außergewöhnliche Umstände. Zum Beispiel auf Streiks, mit denen sie aber nichts zu tun haben."

Zahlungsresistente Billigflieger

FairPlane und andere Portale machen ihr Geschäft damit, Passagieren bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu helfen. Die Kunden zahlen im Erfolgsfall eine Provision, bei Fairplane sind das etwa 30 Prozent. Das klingt nach viel, ist aber besser, als gar nichts zu bekommen. Bei Billigfluglinien als Privatperson eine Entschädigung herauszuholen, ohne zu klagen, sei unmöglich, sagt Sernetz. FairPlane habe 2018 rund 17,4 Millionen Euro für Flugpassagiere zurückgeholt. "Das sind aber eigentlich die Forderungen aus 2017, denn es dauert sechs bis 12 Monate, bis es das Geld gibt. Für das Jahr 2018 erwarten wir 25 bis 30 Millionen", so Sernetz.

Einen deutlichen größeren Zustrom von Konsumenten verzeichnete im Vorjahr auch die im Verkehrsministerium angesiedelte Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (APF). Sie hilft kostenlos Konsumenten, die sich wegen einer Verspätung oder einer Flugannullierung bereits erfolglos schriftlich an eine Fluglinie gewendet haben, bei der Einbringung einer Beschwerde.

Als ob man mit dem verspäteten Flug nicht schon Zores genug gehabt hätte, kommt danach der Ärger darüber, dass die Fluggesellschaften ihre Kunden ewig schmoren lassen, bevor sie zahlen. FairPlane fordert von den politischen Entscheidungsträgern eine gesetzliche Pflicht der Fluglinien, dem Fluggast binnen drei Wochen "substantiell zu antworten" und die Ursache für das Problem wahrheitsgetreu anzugeben.

Für einen Vulkanausbruch - siehe Eyjafjallajökull - kann eine Airline nichts. Sie ist auch nicht schuld daran, wenn der Pilot krank wird. Für letzteren Fall jedoch muss die Fluglinie vorsorgen, das heißt, ausreichend Ersatzpersonal zur Verfügung haben. Somit fallen annullierte und verspätete Flüge aufgrund von Krankheit der Besatzung nicht unter außergewöhnliche Umstände. Wenn ein Passagier an Bord erkrankt und sich der Flug dadurch verzögert hat, haben seine Mitreisenden leider Pech und können keine Entschädigung einfordern.