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Wer schafft die Arbeit? Der Staat

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Die Erwerbsstatistik offenbart die Bedeutung des Staates als Arbeitgeber und Financier von Jobs. Vor allem für Frauen. Zwischen 2012 und 2016 entfiel jeder zweite neue Job einer Frau auf den staatlichen Bereich. Eine Herleitung.


Wien. Es fällt am Ende dem Verfassungsgerichtshof zu, darüber zu entscheiden, was von der Ära Beate Hartinger-Klein bleibt. Drei umstrittene Regelungen gingen von ihrem Ressort aus, die nun das Höchstgericht beschäftigen: der Umbau des Krankenkassensystems, die neue Sozialhilfe (statt der Mindestsicherung) und die Karfreitagsregelung. Für all das war die blaue Gesundheits- und Sozialministerin zuständig. Eines bleibt von ihr mit Bestimmtheit, dafür sorgen schon die Sozialen Netzwerke; jener Ausspruch nämlich, den Hartinger-Klein im Februar im Nationalrat in Richtung SPÖ getätigt hat: "Wer schafft die Arbeit? Sorry, wer schafft die Arbeit? Die Wirtschaft schafft die Arbeit! Bitte merkt Euch das einmal!"

Logisch, dass sich in Zeiten von YouTube, Twitter und Co. ein derart emotionaler Ausbruch rasend verbreitet. Doch dabei geht es um den unterhaltsamen Aspekt der Aussage. Aber wie sieht es mit der inhaltlichen Ebene aus? Stimmt sie überhaupt? Ein Blick auf die Abgestimmte Erwerbsstatistik lässt zumindest den Schluss zu, dass es nicht nur die Wirtschaft ist, die Jobs schafft. Sondern auch der Staat. Und zwar in größerem Ausmaß, als viele glauben. Offenbar inklusive der ehemaligen Ministerin.

Wenn man die Daten aus 2012 mit den letzt verfügbaren aus dem Jahr 2016 vergleicht, lassen sich drei Schlüsse ziehen: Das Jobwachstum ist vor allem weiblich, es ist vor allem städtisch, und der Staat als Arbeitgeber trägt einen signifikanten Anteil an der Steigerung der Beschäftigung. Wobei sich seine Bedeutung (direkt wie indirekt) noch einmal deutlicher bei Frauen und im ländlichen Bereich zeigt.

Doch alles von vorne: Im Jahr 2012 waren rund 3,9 Millionen Menschen in Österreich in Beschäftigung, vier Jahre später waren es 4,1 Millionen. Zur Erinnerung: Das waren noch eher konjunkturell schwächere Zeiten, in denen die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Dennoch wurden auch damals Jobs geschaffen, der Zuzug auf den Arbeitsmarkt war aber noch größer. Der Wirtschaftsaufschwung passierte erst nach 2016, doch diese Daten liegen noch nicht vor (siehe Kasten).

Vor allem in Städtengab es Jobwachstum

Vom Beschäftigungswachstum profitierten Frauen etwas stärker als Männer, die Frauenerwerbsquote ist seit vielen Jahren im Steigen begriffen. Es ist also keine Überraschung, dass von den 173.797 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen 93.047 auf Frauen und 80.750 auf Männer entfielen. Zumal hier auch Teilzeitstellen eingerechnet sind.

Regional gibt es jedoch eine ungleiche Verteilung. Kärnten und das Burgenland können nur mit einem schmalen Plus von unter drei Prozent in diesem Zeitraum aufwarten, Wien sowie die drei westlichen Bundesländer haben die Zahl der Beschäftigten um 5 Prozent (Wien) bis mehr als 7 Prozent (Vorarlberg) steigern können. Noch deutlicher ist der Vergleich zwischen Stadt und Land. Von den 173.797 Jobs, die zwischen 2012 und 2016 neu dazu kamen, entfallen mehr als 71.000 auf die zehn größten Kommunen Österreichs. Anders ausgedrückt: Von allen zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen entfielen auf diese 41,3 Prozent der Jobs.

Fast alle neuen Jobs entfallen auf Dienstleistungssektor

Auch das ist nicht sehr überraschend und folgt einem langfristigen Trend. Zudem waren und sind die Städte immer und überall Jobmotoren der jeweiligen Volkswirtschaften. Dennoch illustriert es eine gegenwärtige Problemstellung: Die weibliche Erwerbsbeteiligung war im ländlichen Raum stets niedriger als in den Städten. Das hat sich mittlerweile umgekehrt. Der Bezirk mit der höchsten Frauenerwerbsquote 2016 war Zwettl im Waldviertel mit 77,09 Prozent. Das wirft natürlich auch die Frage auf, wie im ländlichen Raum die Job-Nachfrage von immer mehr Frauen befriedigt werden kann.

Interessant ist auch, dass jenseits der 75-Prozent-Marke einige Umlandregionen von Städten liegen (Salzburg-Umgebung, Wels-Land, Krems-Land, Korneuburg, Graz-Umgebung), während die großen Städte selbst mittlerweile ganz unten zu finden sind. Wien, Graz und Innsbruck weisen jeweils eine Frauenerwerbsbeteiligung von unter 70 Prozent aus.

Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern lässt sich auch erkennen, wenn man sich ansieht, in welchen Sparten die Jobs geschaffen wurden. Ein Plus gab es zwar in allen Sektoren, also der Landwirtschaft, der Industrie sowie im Dienstleisttungssektor. Doch das Plus fiel in den ersten beiden Sektoren minimal aus.
88 Prozent aller neuen Arbeitsplätze waren dagegen Dienstleistungsjobs - bei Frauen waren es sogar 95 Prozent. Bei Männern waren es 78 Prozent, da diese im Bereich der Industrie nach wie vor mehr als drei Viertel aller Beschäftigten stellen. Der Anteil hat sich kaum verändert.

Betrachtet man den tertiären Sektor genauer, wird augenscheinlich, welch bedeutende Rolle der Staat bei der Schaffung neuer Jobs spielt, beziehungsweise zwischen 2012 und 2016 gespielt hat. In der Abgestimmten Erwerbsstatistik lassen sich die Unternehmen konkreten Sparten zuordnen. Dafür gibt es die "nationale Aktivitätsklassifikation ÖNACE" mit 21 übergeordneten Wirtschaftszweigen, etwa Bau, Handel, Beherbergung und Gastronomie, Herstellung von Waren und so weiter.

Drei dieser Sparten sind entweder zur Gänze oder großteils, direkt wie indirekt, der öffentlichen Hand zuzuordnen. Das ist natürlich primär die Sparte "Öffentliche Verwaltung (samt Sozialversicherung)". Darüber hinaus ist aber auch die Kategorie "Erziehung und Unterricht", in die das gesamte Lehrpersonal vom Kindergarten bis zur Hochschule hineinfällt, großteils dem staatlichen Sektor zuzurechnen. Großteils, da auch private Lerninstitute in diese Kategorie fallen. Der Anteil ist jedoch gering.

Ähnliches gilt auch für das "Gesundheits- und Sozialwesen". Hier gibt es natürlich einen größeren nicht-staatlichen Anteil als bei der Bildung, doch auch niedergelassene Ärzte, private Pflegeheime, Blutlabors oder mobile Altenpfleger erhalten einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte über Zahlungen der (staatlichen) Sozialversicherung.

Fast eine Million im staatlichen oder staatsnahen Bereich

Nimmt man nun diese drei Kategorien zusammen, zeigt sich erstens: Fast eine Million Beschäftigte arbeiten bei Unternehmen oder staatlichen Einheiten, die diesen drei Wirtschaftszweigen zugeordnet werden. Bei insgesamt 4,1 Millionen Beschäftigten im Jahr 2016 ist das doch ein beträchtlicher Anteil.

Zweitens: Für Frauen sind diese Branchen von deutlich größerer Bedeutung. Fast ein Drittel aller beschäftigten Frauen arbeiten in diesem Segment - von der Bildung bis zu den vielfältigen Tätigkeiten in Krankenhäusern und in der Verwaltung.

Drittens: Zwischen 2012 und 2016 ist die Beschäftigung in diesem Bereich um 56.045 gewachsen, wobei auf weibliche Beschäftigte 82 Prozent (oder 46.169 Jobs) entfallen.

Wie anfangs gezeigt, waren im Jahr 2016 exakt 93.047 Frauen mehr in Beschäftigung als vier Jahre zuvor. Das heißt aber auch: Jeder zweite neue Job für Frauen wurde im staatlichen oder staatsnahen Bereich geschaffen. Bei Männern sind es nur etwas mehr als zwölf Prozent. Dem gegenüber zeigt sich, dass in Wachstumsbranchen mit höheren Einkommen, wie der Informations- und Kommunikationsbranche, vor allem Männer profitieren. Und natürlich auch primär die Städte.

Dagegen ist in den peripheren Räumen der Effekt staatlicher Jobs für Frauen noch einmal größer. Wohl auch, da im Handel, einer bedeutenden Branche für Frauenerwerbsarbeit, gerade am Land, eine Sättigung eingetreten ist. Es kommen kaum noch Fachmarkt- oder Einkaufszentren dazu, eher sperren sie zu. Beim Herunterbrechen der Erwerbsstatistik auf Bezirksebene ist zwar Vorsicht geboten, da sich einzelne Betriebsansiedlungen oder -schließungen gleich gravierend auswirken. Der Gesamtblick ist hier eindeutig.

Mit Einsetzen der besseren Konjunktur in den Jahren 2017 und 2018 könnte sich der Trend etwas verschoben haben, die Bedeutung des Staates als Arbeitgeber oder als direkter wie indirekter Financier dieser Jobs ist aber so oder so von großer Relevanz - und mehr noch für Frauen.

Das wirft auch eine Reihe von verteilungspolitischen Fragen auf: Was, wenn staatliche Budgets unter Druck geraten? Oder wenn es wieder einmal Nulllohnrunden im öffentlichen Sektor gibt? Wenn in benachteiligten Regionen öffentliche Infrastrukturen geschlossen werden? Das alles beträfe Frauen, und vor allem Frauen am Land, weit stärker. Was jedenfalls sicher ist: Der vielgeteilte Ausspruch Hartinger-Kleins: "Die Wirtschaft schafft die Arbeit!", verdient wohl eine Ergänzung.

Wissen: Abgestimmte Erwerbsstatistik~ Bei der Abgestimmten Erwerbsstatistik werden von der Statistik Austria verschiedene Datenquellen verknüpft, etwa vom Arbeitsmarktservice und von den Sozialversicherungen. Dies erlaubt, Informationen über die ökonomische Aktivität der Bevölkerung zu erhalten, wie dies früher nur mittels Volkszählung möglich war. Der Stichtag ist jeweils der 31. Oktober, wobei die Daten erst 20 Monate später verfügbar sind. Daher stammen die derzeit aktuellesten Zahlen aus dem Jahr 2016.

Durch die Quantität der Daten lassen sich sehr detaillierte Informationen aus der Erwerbsstatistik herauslesen. Für diesen Artikel wurde die Statistik nach Geschlecht, Branchen sowie Regionen (Bezirksebene) ausgewertet. Auf eine weitere Aufsplittung (Teilzeit/Vollzeit, Alter, Staatszugehörigkeit, etc.) wurde verzichtet. Auch wenn es seit 2008 zu Anpassungen bei der Datenstruktur kam, sind vor allem die jährlichen Daten seit 2012 miteinander sehr gut vergleichbar.