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Ein Abschied - und eigentlich doch keiner

Von Karl Leban

Wirtschaft

Wolfgang Eder zieht sich nach gut 15 Jahren an der Vorstandsspitze der Voestalpine in den Aufsichtsrat zurück.


Wien/Linz. Chefwechsel beim Linzer Stahltechnologiekonzern Voestalpine: Nach mehr als 15 Jahren an der Führungsspitze übergibt Wolfgang Eder (67) am heutigen Mittwoch das Zepter an Herbert Eibensteiner (55), seinen Vorstandskollegen. Eder, der mit der Voestalpine in all diesen Jahren immer wieder große wirtschaftliche Erfolge eingefahren hat, bleibt jedoch weiterhin für das Unternehmen tätig. In der heutigen Jahres-Hauptversammlung wird der studierte Jurist in den Aufsichtsrat gewählt, dort soll er dann 2021 den Vorsitz übernehmen.

An Eibensteiner übergibt Eder einen Konzern, der nicht nur in Österreich, sondern auch in seiner Branche zu den Top-Unternehmen zählt. Vor allem in Eders Ära ist die Voestalpine stark gewachsen. Als der gebürtige Oberösterreicher mit 1. April 2004 zum Vorstandschef avancierte, hatte das Unternehmen einen Jahresumsatz von 4,7 Milliarden Euro, heute ist dieser mit 13,6 Milliarden Euro fast dreimal so hoch. Gleichzeitig hat sich die Beschäftigung von rund 23.200 auf mehr als 51.900 Mitarbeiter mehr als verdoppelt, wobei der Konzern rund um den Erdball mittlerweile über etwa 500 Standorte verfügt.

Abkehr vom Massenstahl

Positiv haben sich auch die Ergebniszahlen entwickelt. Beim Amtsantritt Eders als CEO schrieb die Voestalpine einen Betriebsgewinn (Ebit) in der Höhe von 248,3 Millionen Euro, zuletzt - im eher mauen Geschäftsjahr 2018/19 - verdiente sie operativ mit 779,4 Millionen Euro mehr als dreimal so viel. Detail am Rande: Der bisherige Rekord beim Ebit, dem Gewinn vor Zinsen und Steuern, belief sich auf 1,18 Milliarden Euro und wurde im Geschäftsjahr 2017/18 erzielt.

Innerhalb ihrer Branche gilt die Voestalpine als eines der profitabelsten Unternehmen. Ihre Erfolge beruhen vor allem darauf, dass die bereits vor Eders Zeit als Chef getroffene strategische Entscheidung, statt mehr Stahl mehr aus Stahl zu produzieren, unter ihm konsequent umgesetzt wurde. Mit der Abkehr vom Massenstahl, der auf dem Weltmarkt immer wieder größeren Preisschwankungen unterworfen ist, hin zu einer Verlängerung der Wertschöpfungskette und zu hochpreisigeren Technologieprodukten für Kunden aus den Branchen Auto, Flugzeug, Bahn und Energie sind die Margen im Konzern deutlich gestiegen. Eder hat die Voestalpine damit auch für den Fall negativer Konjunkturphasen besser aufgestellt Selbst während der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009, die Eder zuletzt in einem APA-Interview als seine größte Herausforderung bezeichnete, rutschte das oberösterreichische Traditionsunternehmen nicht in die roten Zahlen.

Böhler war größte Akquisition

Unter Eder ist aber auch die Internationalisierung des Konzerns vorangetrieben worden. So wurden zum einen viele Produktionsstätten weltweit auf die grüne Wiese gestellt (dabei war das im Herbst 2016 in Betrieb genommene Eisenschwammwerk im US-Bundesstaat Texas mit zirka einer Milliarde Dollar die mit Abstand größte Investition). Zum anderen sind in Eders Ära als CEO immer wieder auch Firmen zugekauft worden. Der größte Coup war hier die rund vier Milliarden Euro schwere Übernahme des Edelstahlkonzerns Böhler-Uddeholm 2007, bei der die Voestalpine als Weißer Ritter auftrat, um den feindlichen Übernahmeversuch eines Hedgefonds abzuwehren.

In den Konzern eingetreten ist Eder 1978 als Experte für Gesellschaftsrecht. Aufgrund seiner juristischen Expertise war er 1995 maßgeblich am Börsengang der Voest-Alpine Stahl AG (so der damalige Name) beteiligt, ehe er wegen dieser Verdienste im Dezember des selben Jahres in den Vorstand einzog. Nach dem Unfalltod des langjährigen Generaldirektors Peter Strahammer rückte Franz Struzl im September 2001 an die operative Spitze. Eder wurde dessen Stellvertreter. Im Chefsessel selbst nahm er dann im Frühjahr 2004 Platz, nachdem Struzl über ein Insidergeschäft an der Börse gestolpert war.

Massive Umbrüche erlebt

Mittlerweile ist Eder also bereits seit 41 Jahren für die Voestalpine tätig. In dieser Zeit hat er mehrere massive Umbrüche miterlebt - etwa die politisch hochbrisanten Erdöl- und Waffenskandale "Intertrading" respektive "Noricum" in den 1980er Jahren und schließlich den Umbau von einem staatlichen Pleitebetrieb in ein börsennotiertes Unternehmen. Die Privatisierung der Voestalpine erfolgte indes - beginnend 1995 - in mehreren Teilschritten, abgeschlossen war sie zehn Jahre später. Dass der Staat 2005 endgültig draußen war, ließ Eder damals aufatmen. Offensichtlich hatte er zuvor regelmäßig schlechte Erfahrungen gemacht, wenn Politiker den Managern der Voestalpine ins Steuer griffen.

Polarisierend hat sich Eder in der Öffentlichkeit immer wieder mit Äußerungen zur Klimapolitik gezeigt. Dabei sprach er sich wiederholt - meist als Wortführer der Industriellenvereinigung - für eine moderate Umweltgesetzgebung aus und warnte vor zu ehrgeizigen CO2-Reduktionsmaßnahmen. Diese, so sein Argument, könnten die Industrie als Wohlstandsfaktor gefährden und der Wirtschaft in Österreich und Europa schaden, weil der Wettbewerb verzerrt wäre, wenn Länder wie die USA oder China nicht ähnliche Emissionsgrenzwerte hätten.