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Wiener KaDeWe: Kann das funktionieren?

Von Daniel Bischof

Wirtschaft
Das Gebäude, das derzeit eine Leiner-Filiale beherbergt, wurde 1895 als Kaufhaus errichtet.
© Moritz Ziegler

Leiner-Geschäft in der Mariahilfer Straße weicht einem millionenschweren Luxuskaufhaus. Eine Analyse.


Wien. Luxuriös soll sie werden, ein internationales Wahrzeichen der Stadt: Mit seiner Immobilie in der Mariahilfer Straße 18 hat Entwickler Signa Großes vor. Der Leiner-Flagshipstore soll zu einem Luxuskaufhaus nach dem Vorbild des Berliner KaDeWe umgebaut werden. 300 bis 400 Millionen Euro nimmt das Unternehmen von Rene Benko dafür in die Hand, berichtete der "Standard". Bis Mitte 2021 soll das Möbelhaus ausziehen, danach sollen die Abbruch- und Neubauarbeiten starten. Für Ende 2023 ist die Eröffnung geplant.

Mit diesem Schritt betritt Signa in Wien neues Terrain. Ob ein Luxuskaufhaus vom Rang eines KaDeWe in der Bundeshauptstadt funktioniert, ist ungewiss. Und auch klassische Kaufhäuser, bei denen der Eigentümer die Ware selbst anbietet und nicht nur die Geschäftsflächen weitervermietet, sind aus der Mode gekommen.

"Ein Kaufhaus ist in Österreich schon lange nicht mehr errichtet worden", sagt Wolfgang Richter, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Regioplan, zur "Wiener Zeitung". Der Fachmann für Geschäftsimmobilien schätzt, dass die Grundvoraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt aber gegeben sind: "Der Standort ist exzellent, wahrscheinlich einer der besten in Österreich."

"Standort mussEmotionen wecken"

Fraglich sei, ob es gelinge, mit der Immobilie "eine Geschichte zu erzählen", erklärt Richter. Denn mit einem reinen Bekleidungs- oder Lebensmittelhandel sei hier nicht viel zu gewinnen, vielmehr müsse der Standort bei den Kunden Emotionen wecken - sei es durch Tradition, Architektur oder Entertainment. "Das ist entscheidend, gerade bei Luxusprodukten. Wenn ein Geschäft etwa als traditionsreich gilt, ein Inhaber es schon lange besitzt, wecke ich beim Kunden Emotionen. Er gibt dann mehr Geld aus und schaut nicht mehr auf jeden Cent", sagt Richter.

Auch beim Kaufhausprojekt in Wien - einen Namen hat es noch nicht - dürfte auf den Traditionsaspekt gesetzt werden. "In vielen Metropolen auf der ganzen Welt gibt es Luxuskaufhäuser wie das Berliner KaDeWe", erklärte Christoph Stadlhuber, Chef der Signa Prime Selection AG. "In Wien ist diese Kultur, nachdem sich die meisten dieser Warenhäuser in jüdischer Hand befunden hatten, leider auf einen Schlag ausradiert worden. Nun wollen wir auch in Wien ein solches Haus mit internationalem Charakter etablieren."

Erfahrung mit Kaufhäusern hat die Signa-Gruppe bereits: Sie hält Anteile am KaDeWe in Berlin, dem Alsterhaus in Hamburg. 2020 soll in Bozen ein - nicht unumstrittenes - Kaufhausprojekt finalisiert werden.

Ursprünglich war auch das nunmehrige Leiner-Geschäft ein Kaufhaus gewesen. 1895 hatte es der belgisch-österreichische Unternehmer Stefan Esders als "Warenhaus Zur großen Fabrik" errichten lassen. Es war damals eines der größten Kaufhäuser der Welt. 1964 wurde es an die Familie Leiner verkauft, Ende 2017 ging die Immobilie für 60 Millionen Euro an die Signa Holding.

Dass das Unternehmen im Zeitalter von Amazon & Co daraus nun ein hunderte Millionen Euro teures Kaufhaus macht, halten Experten nicht für einen Anachronismus. Zwar müsse der stationäre Handel durch das Onlinegeschäft Umsatzeinbußen hinnehmen, aufgefressen werde er durch ihn aber nicht, erklärt Karl Wiesflecker, stellvertretender Obmann der Fachgruppe Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wiener Wirtschaftskammer.

"Der Online-Handel alleine erfüllt die Bedürfnisse der Konsumenten nicht. Manche Kunden wollen etwas angreifen, um sich dann für ein Produkt zu entscheiden. Das gilt besonders für hochpreisige Ware", so Wiesflecker. Daher würden auch vermehrt Onlinehändler versuchen, Geschäfte im stationären Markt zu eröffnen. Dabei reiche es aber nicht, einfach nur Produkte anzubieten, meint auch Wiesinger: "Sowohl der Standort- als auch der Onlinehandel müssen den Einkauf zu einem Erlebnis zu machen."

KonsumfreieZonen geplant

Hier versucht offensichtlich auch Signa anzusetzen. Man wolle mit dem Projekt "die Mariahilfer Straße, die in den letzten Jahrzehnten etwas an Glanz verloren hat, wieder aufwerten", hieß es seitens des Unternehmens. Neben den 24.000 Quadratmeter großen Kaufhaus sind weitere Gastro- und Geschäftsflächen und konsumfreie Zonen angedacht, etwa eine begrünte, öffentlich zugängliche Dachlandschaft. Zudem soll ein Hotel mit 150 bis 165 Zimmer in die Immobilie einziehen. Ein Wettbewerbsverfahren mit vier renommierten Architekturbüros laufe seit zwei Monaten, im Oktober soll der Sieger gekürt werden.

Für das Leiner-Geschäft werde nach einem weniger zentralen, "aber doch innerstädtischen" Ersatzstandort gesucht.