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Einer kommt, einer geht

Von Julia Schymura

Wirtschaft

Die DHL-Übernahme zeigt, wie traditionelle Zusteller aktiv werden, um sich in der Branche weiterhin zu behaupten. Diese verändert sich rasant.


Wien. Seit 1. August gibt es einen Grund weniger für das kleine Ärgernis. Zumindest theoretisch: Denn der Lieferdienst DHL operiert nicht mehr in Österreich, nun stellt die Österreichische Post die Pakete des ehemaligen Konkurrenten zu. Auch eine Kooperation in Osteuropa ist geplant.

Es ist ja ein vertrautes Spiel: Warten, vielleicht sogar den ganzen Tag, zu Hause, bloß nicht einkaufen gehen. Nein, auch nicht für fünf Minuten, denn man weiß ja um Murphys Gesetz: Es klingelt genau dann, wenn man nicht da ist. Und statt des erwarteten Pakets ist dann da nur die Benachrichtigung einer gescheiterten Lieferung. Ärgerlich.

Jeder Österreicher erhält 15 Pakete pro Jahr

Und trotzdem lassen wir uns immer wieder darauf ein, bestellen immer mehr. Im vergangenen Jahr wurden in Österreich 228 Millionen Pakete ausgeliefert, 9,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Paketmarkt wächst. Und er ist hart umkämpft. 15 Pakete erhalten Österreicher durchschnittlich im Jahr. Diese wurden bis vor kurzem vor allem von der teilstaatlichen österreichischen Post, DHL, Hermes und DPD geliefert.

Dem Marktanalysten Branchenradar zufolge hielt die Post 2018 etwa 47 Prozent Marktanteil. Mit fast der Hälfte des Gesamtmarkts macht sie das zum Marktführer. DHL als Zweitplatzierter kam auf etwa ein Viertel, erst dann folgten DPD und Hermes mit jeweils ungefähr 10 Prozent. UPS und GLS verzeichneten lediglich geringe Anteile, da sie im schnell wachsenden Privatkundengeschäft, das für den Großteil der versendeten Pakete verantwortlich ist, kaum vertreten sind. Seit dem Vorjahr ist außerdem Amazon Logistics in Österreich vertreten. Laut Branchenradar-Schätzungen entfallen zwei Prozent Marktanteil auf den neuen Konkurrenten.

Mit dem Markteintritt von Amazon sei eine völlig neue Dynamik entstanden, stellt Georg Pölzl, Vorstandsvorsitzender der Post, fest. 2018 eröffnete Amazon ein Verteilzentrum in Niederösterreich. Im Großraum Wien stellt Amazon Logistics auch selbst zu beziehungsweise beschäftigt kleinere Subunternehmer für die eigene Auslieferung. Die Post reagierte: Im vergangenen Monat verkündete sie die Übernahme des Österreich-Geschäfts der deutschen DHL. Das Industriemagazin schreibt, es sei ein offenes Branchengeheimnis, dass auch Amazon zumindest an der Infrastruktur von DHL Interesse gehabt hätte. In der Vorwoche verkündete die Post außerdem, eine Kooperation in Osteuropa anzustreben. So sollen in Tschechien und der Slowakei Tochterfirmen der DHL und der Post aufgezogen werden.

Der Marktanteil der Post steigt so in Österreich auf über 70 Prozent. Nicht verwunderlich ist also, dass die Bundeswettbewerbsbehörde der Übernahme nur mit Auflagen zugestimmt hat. Verglichen damit mögen Amazons zwei Prozent zunächst gering klingen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass sich Amazons Marktanteil dauerhaft in diesem niedrigen einstelligen Bereich bewegen wird.

Paketgeschäft gleicht Einbußen im Briefverkehr aus

Der Zustellermarkt wächst und verändert sich stetig. So wird zwar noch immer ein großer Teil des Umsatzes der Post durch Briefe generiert (40 Prozent). Doch während 2005 laut einer McKinsey-Studie durchschnittlich noch 13 Mal so viele Briefe wie Pakete verschickt wurden, sind es heute nur noch vier Mal so viele. Der Umsatzverlust des Briefgeschäfts wird bisher durch den Zuwachs im Paketgeschäft ausgeglichen. Traditionelle Logistiker müssen allerdings angemessen auf diese Entwicklung reagieren, so die Studie.

Die DHL-Übernahme scheint ein solcher Schritt gewesen zu sein: mehr Kapazität für die steigende Anzahl an Paketen in Österreich und Osteuropa. Doch neben der Kapazitäts- und Infrastrukturerweiterung ist auch Innovation nötig. Damit sind keine Science-Fiction-Szenarien wie die Drohnenlieferung gemeint, stellen die Experten klar - sondern das Optimieren und Digitalisieren bestehender Prozesse sowie Investitionen in die IT.

Als Teil eines 500 Millionen Euro schweren Investitionspakets plant die Post, 300 bis 350 Millionen Euro bis 2021 allein für den Ausbau der Paketlogistik auszugeben. "Das Paket muss so einfach wie möglich zum Kunden kommen", sagt Post-Pressesprecher David Weichselbaum. Um das zu erreichen, hat die Post unter anderem Empfangsboxen eingeführt. Die Boxen werden an Hausfassaden oder im Eingangsbereich montiert, sodass Pakete immer dort abgelegt werden können - keine Extrarouten, kostensparend für Zusteller, bequem für Kunden. Mittlerweile gibt es 42.000 davon in ganz Österreich. Damit reagiert die Post auch auf eine aktuelle Entwicklung der Branche: "Früher hat der Kunde das Paket gefunden. Heute findet das Paket den Kunden." Kunden möchten ihren Feierabend nicht mehr damit verbringen, das Paket in der Poststelle oder im Paketshop zu suchen. Um dem noch stärker zu entsprechen, wird der Kunde vermehrt in den Prozess der Zustellung miteinbezogen: per App mit Möglichkeit der Wunschzustellung.

Zustellung wird immer detaillierter angepasst

Ein weiteres Beispiel für einen innovativen Zustellprozess sind dynamische Verteilrouten, wie sie auch Amazon bereits testet. Die lernenden Routen merken sich beispielsweise Öffnungszeiten von Geschäften. Es scheint vorstellbar, wie sich die Routen der Zukunft auch merken, wann bestimmte Adressaten zu Hause sind, wo genau der Hinterhofbriefkasten steht, welche Strecke verkehrsgünstig ist. Dies erhöht nicht nur die Zufriedenheit der Kunden, sondern senkt vor allem Kosten.

Amazon ist übrigens nicht das einzige Digitalunternehmen, das in die Welt der österreichischen Logistikgrößen vordringt. Das Schweizer Unternehmen Annanow, das sich auf die sogenannte letzte Meile spezialisiert hat, verkündete in der Vorwoche den Start in Wien. Annanow kooperiert mit dem Taxiunternehmen 40100, dessen Wagen Bestellungen, die vorher in Wiener Geschäften getätigt wurden, in weniger als einer Stunde ausliefern sollen. Ein ähnliches Konzept zur Lieferung am gleichen Tag hat auch das Unternehmen Liefery.

Die Post muss auch auf dem Land zustellen

So schön die Idee der fast sofortigen Lieferung klingen mag - kostenlos fährt weder ein Taxi noch Sprinter durch die Stadt. Als Liefery in Wien gestartet ist, war beispielsweise eine Bestellung beim Einrichtungsgeschäft Depot für 8,99 Euro möglich. Was man gern bereit ist, für eine schnellere Lieferung seines Sofas zu bezahlen, mag man vielleicht nicht mehr bezahlen wollen, wenn es um ein einfaches Paar Socken geht. Direkt mit der Post vergleichbar sind die Neueinsteiger ebenfalls nicht - so legen die Pakete der Post durchschnittlich ein paar mehr Meilen zurück als nur die letzte. Außerdem bedient die Post als Universaldienstleister nicht nur Ballungsräume wie Wien, sondern ganz Österreich.

Am Ende ist es für Kunden vielleicht gar nicht so wichtig, ob das Paket mit dem Taxi, Amazon Sprinter oder aus der Empfangsbox kommt - solange es überhaupt ankommt. Frustfrei.