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Öko-Diskussion am Milchregal

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Die Berglandmilch bringt wieder Mehrweg-Milchflaschen aus Glas in die Supermarktregale. Mitbewerber Nöm setzt auf recycelte PET-Flaschen.


Plötzlich war sie wieder da, in den Kühlregalen von Billa, Spar und Hofer: Die Milch in der Glasflasche, die bis dahin nur mehr in ausgewählten Bioläden zu bekommen war. Erinnerungen an die gute, alte Zeit wurden wach, als der Vitamin- und Kalziumlieferant noch nicht im Tetra-Pak oder in der Plastikflasche abgefüllt war. Ältere Semester erzählen ihren Enkerln gern, wie sie selbst als Kinder mit der Blechkanne losmarschierten, um vom Bauernhof frisch gemolkene Milch zu holen, die dann zuhause abgekocht wurde. Dass die Welt einmal ein Riesenproblem mit Verpackungsmüll bekommen sollte, war noch kein Thema.

Glas ist aber nicht per se das beste Verpackungsmaterial. Auf die Freude über das Comeback der gläsernen Milchflasche folgte schnell die Ernüchterung, da es sich um Einweggebinde zum einmaligen Gebrauch handelte. Was ganz schlecht für die Öko-Bilanz ist. Die Österreicher sammeln zwar eifrig Altglas, es muss aber unter hohem Energieaufwand eingeschmolzen werden, damit wieder neue Produkte hergestellt werden können.

Die Berglandmilch, die im April 2018 die ersten Glasflaschen unter der Marke Schärdinger "Berghof" in die Supermärkte gebracht hatte, vollzog einen Schwenk und kündigte bis Ende 2019 den Umstieg auf ein Mehrwegsystem an. Rückendeckung holte sich Österreichs größte Molkerei (Umsatz 2018: 943 Millionen Euro) bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, für die Mehrweg die einzige Lösung ist, um Verpackungsmüll bei Getränken zu reduzieren und die Plastikflut zu bekämpfen. Die neue Mehrweg-Glasflasche sei "klar die umweltfreundlichste Lösung", konstatiert man bei Greenpeace.

Soweit wäre alles klar, hätte nicht die Nöm - mit 398 Millionen Euro Umsatz Niederösterreichs größte und Österreichs zweitgrößte Molkerei -, Anfang September eine zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff ("rePET") bestehende 1-Liter-Milchflasche auf den Markt gebracht, die sie als "nachhaltigste Milchflasche Österreichs" bewirbt. Alfred Berger, Vorstand für Marketing, Verkauf und Finanzen der Nöm AG, steht voll dahinter. "Wir sind der Meinung - und wir haben dazu umfassende seriöse Studien - , dass rePET der ökologisch beste Weg ist. Es ist zwar im Moment ein politisches Tabu, sich für PET einzusetzen, aber wir waren bei Gentechnikfreiheit die ersten und haben ähnlichen politischen Gegenwind gespürt. Nun ist Österreich die Insel der seligen Gentechnikfreien. Ebenso waren wir die erste CO2-neutrale Molkerei Europas", sagt er. Auch bei PET werde "irgendwann wieder Vernunft einkehren."

Greenpeace sieht "Irreführung der Konsumenten"

Greenpeace-Sprecher Herwig Schuster sieht das anders. "Wenn die Nöm mit der ‚nachhaltigsten‘ Flasche wirbt, ist das meines Erachtens schon eine schwere Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten", sagt er. Die rePET-Flasche bestehe zwar aus 100 Prozent Recyclingmaterial, aber es gebe keinen geschlossenen Kreislauf für dieses Produkt. Ein Teil der Flaschen lande nämlich nicht in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack, sondern verschwinde in einer Müllverbrennungsanlage. "Wenn man von rePet spricht, dann müsste zumindest ein System vorhanden sein, das sicherstellt, dass die Flasche zu - sagen wir - 90 Prozent wieder in den Kreislauf zurückkommt", so Schuster.

Auch er kenne viele Studien, sagt er. Man könne dabei mit vielen Variablen und ihrer Gewichtung spielen. Bei Getränkeflaschen sei die Frage, wie oft sie wiederbefüllt werden, ein entscheidender Parameter. Schuster: "Je öfter, desto besser die Ökobilanz."

Nöm-Vorstand Berger sieht Mehrwegglas und rePET "nahezu gleichauf", auch in einer Studie von c7-consult, die vom Verpackungshersteller Alpla in Auftrag gegeben wurde. Ab einer gewissen Distanz verliere Mehrweg aber durch die Schwere der Flaschen im Vor- und Nachtransport.

Unterdessen gehen bei der Berglandmilch die Vorbereitungen für das Comeback der Milch-Pfandflasche voran. "Die Abfüll- und Flaschenwaschanlage für die Molkerei in Aschbach wird dieser Tage geliefert. Die gewaschenen Flaschen werden von hier nach Wörgl gebracht, wo sie für den westösterreichischen Markt abgefüllt werden. In Wörgl werden dafür gerade die Lagerkapazitäten erweitert", berichtet Berglandmilch-Generaldirektor Josef Braunshofer. Auch werde gerade die Beschaffenheit der Milchflasche geprüft.

"Die Mehrweg-Milchflasche muss etwas fester sein als die derzeitige Einwegflasche. Für den Winter müssen wir besondere Vorkehrungen treffen, damit die Flaschen bei den hohen Waschtemperaturen nicht brechen. Sie werden für etwa einen Tag angewärmt." Die Berglandmilch geht von 12 Umläufen pro Milchflasche aus. Laut Herwig Schuster ist das vorsichtig geschätzt, es seien weitaus mehr Umläufe möglich, ohne dass die Qualität leidet. Die Frage sei, was dem Konsumenten in puncto Kratzspuren zumutbar sei.

"Die Zeit für Glas ist wieder reif", ist Berglandmilch-Chef Braunshofer überzeugt. "Glas ist die ursprünglichste Verpackung für Milch. Es ist ‚inert‘, das heißt, nichts gelangt aus der Verpackung ins Produkt. Auch in puncto Geschmack ist Glas perfekt", beschreibt er die Vorteile. Die Berglandmilch setzt auf die Wiederbefüllung, "denn damit wird Verpackung eingespart und Abfall vermieden", betont Braunsdorfer. In der 5-stufigen Abfallrahmenrichtlinie der EU werden Abfallvermeidung sowie Wieder- beziehungsweise Weiterverwendung an oberster Stelle genannt, danach kommt erst Recycling.

Die Nöm besitzt nach Unternehmensangaben seit dem Jahr 2001 keine Maschine mehr, die Glasgebinde abfüllen kann. Die geplanten Wiederbefüllungsraten seien nie erreicht worden, und die hochintensiven Reinigungsprozesse hätten sehr hohen Glasbruch zur Folge gehabt.

Wegen des großen Zuspruchs für die Milch in der Einweg-Glasflasche haben Rewe, Spar und kleinere Handelsketten bereits angekündigt, wieder Mehrweg-Milchflaschen ins Sortiment aufzunehmen. Vom Diskonter Hofer heißt es, aus heutiger Sicht werde es keine Mehrweg-Milchflaschen geben, da das Unternehmen "nicht über die systembedingten Voraussetzungen zur Rücknahme von Pfandflaschen verfügt."