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Mit Steuerreform gegen Wirtschaftsflaute

Von Karl Ettinger

Wirtschaft

Ökonomen drängen neue Regierung zu Klimainvestitionen und verstärkten Maßnahmen gegen Fachkräftemangel.


Österreichs Wirtschaft wächst nur noch gedämpft. Für ÖVP-Obmann Sebastian Kurz sind diese dunklen Wolken am Wirtschaftshimmel und die gebremste Entwicklung die "größte Herausforderung", die er für eine neue Bundesregierung sieht. Er wolle daher alles tun, um gegen "den drohenden Wirtschaftsabschwung vorzugehen". Was dies konkret sein wird, ist offen, zumal die Sondierungsgespräche zur Regierungssuche erst anlaufen.

Die Chefs des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) und des Instituts für Höhere Studien (IHS) warnen allerdings via "Wiener Zeitung" einhellig davor, wie in früheren Zeiten einfach Geld für Konjunkturpakete in die Hand zu nehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Ein Konjunkturprogramm im konventionellen Sinn ist nicht nötig", betont Wifo-Chef Christoph Badelt. Schließlich seien heuer mit dem Familienbonus und den Parlamentsbeschlüssen für Pensionisten und Bezieher niedriger Einkommen Maßnahmen erfolgt, die den Konsum ankurbeln und die Konjunktur stützen. In die gleiche Kerbe schlägt IHS-Chef Martin Kocher: "Es ist jetzt nicht nötig, wenn nicht sogar eher kontraproduktiv, große Konjunkturpakete, zumal finanziert durch neue Schulden, zu schnüren."

Prognosen für das kommende Jahr gesenkt

Die Wirtschaftsforscher verweisen darauf, dass von einer Rezession in Österreich keine Rede sein könne. "Wir sind von einer Krise weit entfernt", wird im Wirtschaftsforschungsinstitut erklärt. "Die jetzt prognostizierten Wachstumsraten bedeuten einen Abschwung, im völlig normalen Bereich, keinen Absturz", wird im IHS gesagt. Zwar wird für heuer und das kommende Jahr eine Abschwächung der Konjunktur erwartet. Während Deutschlands Wirtschaft schwächelt und im zweiten Quartal ein leichtes Schrumpfen verzeichnet, bleiben in Österreich die Prognosen für heuer aufrecht. Das Wifo erwartet für 2019 ein Wachstum von 1,7 Prozent, das IHS von 1,5 Prozent. Für 2020 wurden allerdings die Prognosen auf 1,4 Prozent (Wifo) und 1,3 Prozent (IHS) gesenkt. Der Tiefpunkt der Entwicklung wird Ende dieses Jahres erwartet.

Das Finanzministerium rechnet jetzt allerdings auch wegen geringerer Einnahmen durch die gedämpfte Konjunktur bereits für 2020 mit einem Budgetdefizit. Wifo und IHS bleiben hingegen bei ihren Prognosen von Anfang Oktober mit einem leichten Überschuss.

Die Ökonomen halten vor dem Hintergrund der Wirtschaftsprognosen vor allem umfassendere Reformen mit Auswirkungen auf die Wirtschaftspolitik für notwendig. "Die neue Regierung sollte sich auf die wirklichen Zukunftsthemen konzentrieren und dafür auch Mittel budgetieren", fordert Badelt. Als Beispiel führt er ein umfassendes klimapolitisches Programm an. Dazu zähle auch die "Bepreisung" von Umweltverschmutzungen, wobei eine CO2-Steuer mit einem sozialen Ausgleich verbunden sein müsse. Daneben müsse es vor allem Anreize für klimafreundliches Verhalten geben. Ein Vorpreschen Österreichs bei einer CO2-Steuer findet zwar bei den Grünen Anklang. Die ÖVP und ihr Wirtschaftsflügel lehnen jedoch einen Alleingang Österreichs bei einer CO2-Steuer ebenso ab wie die SPÖ. Eher finden sich die Parteien bei einer Investitionsoffensive für Klimaverbesserungen. Dazu gehören für Badelt der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und technologische Neuerungen.

Die wichtigste Maßnahme im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung steht für Kocher fest: "Das beste Konjunkturpaket ist eine ambitionierte Steuerreform, die vor allem mittlere Einkommen entlasten muss." In diese Richtung zielt auch Badelts Forderung nach einer umfassenden Abgaben- und Steuerreform. Stichworte dafür seien der schon oft beschworene Abbau der Belastung des Faktors Arbeit und gleichzeitig eine Ökologisierung des Steuersystems, wobei aber insgesamt die Abgabenbelastung sinken solle.

Mittel für Zukunftsthemen müssten durch Reformen auf der Ausgabenseite des Budgets hereingebracht werden. In diesem Zusammenhang listet Badelt Strukturreformen auf: bei Subventionen, im Gesundheitssystem, im Bereich des Föderalismus, der Aufgabenteilung von Bund, Ländern und Gemeinden. Das IHS schließt daran noch die Warnung, "geltende Pensionsregelungen nicht von Jahr zu Jahr elegant zu umschiffen". Kocher drängt auch darauf, dass die neue Regierung die Förderungen durchforstet. Diese müssten außerdem in Richtung Ökologisierung getrimmt" werden.

Zur Unterstützung der Wirtschaft im engeren Sinn verlangt Badelt vor allem eine aktivere Politik der neuen Regierung gegen den Mangel an Fachkräften, der von Unternehmen immer stärker beklagt wird. Das geht in zwei Richtungen: mehr Augenmerk auf dem Bildungssektor im Schulbereich und bei der Weiterbildung - Stichwort digitale Kompetenzen - auch von älteren Arbeitskräften. Der Wifo-Chef tritt aber auch für eine "vernünftige pro-aktive Migrationspolitik" ein. Das bedeute vor allem, dass gut ausgebildete Fachkräfte auch aus Drittstaaten außerhalb der EU nach Österreich kommen sollen. In der türkis-blauen Bundesregierung stand dem eine restriktive Zuwanderungspolitik entgegen.

"Wirtschaftliche Entwicklung stark durch Stimmung geprägt"

"Als Verhaltensökonom weiß man, dass die wirtschaftliche Entwicklung sehr stark durch die Stimmung und die Erwartungen in einer Gesellschaft geprägt ist", analysiert Kocher. Die nächste Regierung müsse daher "ein klar strukturiertes Programm mit Zeitplan" haben für die anstehenden Themen: Steuerreform, Pflege und Gesundheit, Pensionen, Bildung und Forschung, Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel. Für den IHS-Chef geht es "um Planungssicherheit für die Menschen und die Unternehmen". Er ist für "weniger Absichtserklärungen" und umso "vehementere Umsetzung".