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"Wachstum, aber nicht um jeden Preis"

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Die Stadt Wien will mit ihrer neuen Tourismusstrategie Overtourism vorbeugen - setzt sich aber trotzdem sehr ambitionierte Wachstumsziele bis 2025.


Der Städtetourismus boomt in ganz Europa. Vielerorts führt dies aber nicht nur zu Rekordumsätzen, sondern zum sogenannten Overtourism. Wenn der Massenandrang von Gästen die Bevölkerung belastet, leidet langfristig auch die Wirtschaft darunter. Die Stadt Wien hat deshalb eine softe Trendwende beschlossen.

Hieß es vor Jahren noch von WienTourismus-Direktor Norbert Kettner, Overtourism sei in Wien kein Thema, und jagte die Branche alljährlich einen Nächtigungsrekord nach dem anderen, so setzt die Stadt nun auf eine "Visitor Economy Strategie" bis 2025.

In dieser wird erstmals von reinen quantitativen Nächtigungszahlen Abschied genommen. "Wir verzichten auf den Goldstandard", sagt Kettner bei einem Pressegespräch. "Wir wollen Wachstum, aber nicht um jeden Preis", so der WienTourismus-Direktor. Auch Wiens Bürgermeister schlägt in die Kerbe: "Wir wollen keine reine Tourismusstadt sein, kein Märchendorf, keine Disney-City", so Michael Ludwig, "die Frage muss sein, was kann der Tourismus für Wien und die Bevölkerung tun, nicht umgekehrt". Wo Entwicklungen ökonomischer, ökologischer oder sozialer Nachhaltigkeit massiv widersprechen, soll es künftig klare Spielregeln und Intervention geben. "Wir müssen dann auch mal Spielverderber sein", so Kettner.

So soll Tourismus dezentraler werden, um diverse Bezirke teilhaben zu lassen, etwa durch Hotspot-Projekte, wie die geplante Eventhalle in Neu Marx, der neue Busterminal in der Leopoldstadt und die Belebung der Uferbereiche von Donau und Donaukanal. Die Stadt soll in unterschiedliche regionale Cluster unterteilt werden, für die es dann auch ein eigenes Marketing geben wird.

Die Qualität im öffentlichen Raum soll mit der Regulierung des Straßenverkaufs und von Souvenirstandln erhalten werden. Tourismus-Betriebe mit Umweltzeichen sollen sich von 112 auf 224 verdoppeln. Der Anteil der Reisenden per Zug soll sich bis 2015 von 21 auf 26 Prozent erhöhen, dafür die Autoanreisezahlen um 5 Prozent verringern. Die Stadt Wien setzt hier etwa auf Nachtzugverbindungen. Auch wenn klar ist, dass gerade zahlungskräftiges Klientel weiter vorwiegend per Flugzeug anreist. In Sachen Mobilität soll es auch spezielle Tickets für Kongress- und Messebesucher geben.

Trotz dieser Maßnahmen streben WienTourismus und Stadtrat für Wirtschaft, Peter Hanke, auch in Zukunft ein ordentliches Plus im Tourismus an: Der Beitrag der Branche zum Wiener BIP soll um 50 Prozent, von 4 auf 6 Milliarden Euro anwachsen, der Nächtigungsumsatz der Beherbergungsbetriebe von 900 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro anwachsen. Die Stadt setzt hier auf zahlungskräftiges Klientel, wie die Meeting-Industrie, Luxusreisende und die LGBT-Community.

Alles freilich unter Bedingung der hohen Akzeptanz der Bevölkerung. Noch sind 9 von 10 befragten Wienern zufrieden mit dem Tourismus in ihrer Stadt - und das soll auch so bleiben.