Zum Hauptinhalt springen

Verluste am Sparbuch lassen die Österreicher kalt

Von Karl Leban

Wirtschaft

Jährlich nehmen Sparer ein reales Minus von fast drei Milliarden Euro in Kauf, wie die Bank Austria erhoben hat.


Seit Jahren gibt es am Weltspartag nichts mehr zu feiern. Heuer ist das nicht anders. Grund ist das anhaltende Zinstief in Europa. Da die Einlagenzinsen vielfach gegen null tendieren und die Inflation gnadenlos mehr als die mickrigen Netto-Erträge auffrisst, sind heimische Sparer im Regelfall mit realen Verlusten konfrontiert. Gut fährt nur der Staat, der über die KESt, die Kapitalertragsteuer, 25 Prozent von den Brutto-Erträgen abschöpfen kann.

Trotz des tristen Zinsniveaus, das unter dem Strich für eine schleichende Entwertung sorgt und an dem sich nach Einschätzung von Finanzexperten mittelfristig wohl kaum etwas ändern wird, halten hierzulande viele Privathaushalte dem Sparbuch sowie ähnlichen Finanzprodukten die Treue. Jedenfalls waren dort zuletzt laut Auskunft der Oesterreichischen Nationalbank alles in allem rund 260 Milliarden Euro gebunkert, was gut ein Viertel mehr war als vor zehn Jahren.

Wobei die Erste Bank erhoben hat, dass die Rendite bei derlei Sparprodukten seit 2015 wegen der geringen Einlagenzinsen und der in manchen Jahren relativ hohen Inflationsrate im Durchschnitt minus 1,6 Prozent pro Jahr beträgt und somit deutlich negativ ist.

Österreicher bei Geldanlagemehrheitlich risikoscheu

Rund die Hälfte ihres Geldvermögens haben Österreichs Privathaushalte in traditionellen Spareinlagen und nur etwa ein Viertel in Wertpapieren veranlagt, zeigt eine Analyse des Chefökonoms der Unicredit Bank Austria, Stefan Bruckbauer. Er hat errechnet, dass sich der reale Verlust bei Einlagen in den Jahren 2012 bis 2018 pro Jahr auf 2,9 Milliarden Euro belief. Dem stand im gleichen Zeitraum immerhin ein jährlicher realer Ertrag bei Wertpapieren von rund 2 Milliarden Euro gegenüber.

Geht es nach Bruckbauer, wird sich die negative Bilanz bei Einlagen aus heutiger Sicht in den nächsten Jahren noch verschärfen. Zumal aus Umfragen immer wieder hervorgeht, dass für die überwiegende Mehrheit der sparenden Bevölkerung in Österreich kein beziehungsweise nur ein geringes Risiko und im Idealfall eine Garantie, das eingesetzte Kapital nicht zu verlieren, ausschlaggebende Motive bei Geldveranlagungen sind.

Demnach gilt das Sparbuch seit jeher als des Österreichers liebste Anlageform (vor dem Bausparen, der Lebensversicherung, Wertpapieren und Fonds). Jeder versteht dieses Finanzprodukt auf Anhieb. Das hohe Maß an Sicherheit ist beim Sparbuch dadurch gewährleistet, dass es einen Totalverlust, wie er beispielsweise bei Aktien möglich ist, dank der Einlagensicherung - für maximal 100.000 Euro pro Bank - nicht geben kann.

Negativzinsen auf privateEinlagen hierzulande verboten

Außerdem sind Negativzinsen auf privates Spargeld tabu - zumindest in Österreich. Dass Sparer nominell (ohne Abzug der Inflation) Geld verlieren, der Nominalwert ihrer Sparbeträge also sinkt, dem ist hierzulande per Gesetz ein Riegel vorgeschoben. Abgesichert ist dies durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes.

In Italien hingegen wird es schon bald Negativzinsen auf privates Spargeld geben. Ab 2020 will die Bank-Austria-Mutter Unicredit dort als erstes Geldinstitut Einlagen mit einem negativen Zinssatz belegen - allerdings erst ab einer Höhe von einer Million Euro. Vermögende Privatkunden sollen so dazu bewegt werden, ihre Gelder umzuschichten - etwa in Geldfonds mit positiven Zinssätzen.

Im Schnitt 0,12 Prozent Zinsenbei Bindung bis zu einem Jahr

Indes illustrieren folgende Daten, dass das klassische Sparen in Österreich weiterhin hoch im Kurs steht und in den Jahren nach der globalen Finanzkrise sogar noch an Bedeutung gewonnen hat. Demnach legen die Österreicher heuer monatlich im Durchschnitt 259 Euro als Sparbetrag zur Seite, wie das Linzer Imas-Institut im Auftrag von Erste Bank und Sparkassen in einer Umfrage erhoben hat. Im Rückblick ist das um 104 Euro beziehungsweise um zwei Drittel mehr als 2009.

Aktuell liegt der Zinssatz für neue Spareinlagen in Österreich laut den von der Nationalbank geführten Statistiken durchschnittlich bei 0,12 Prozent (Bindung von bis zu einem Jahr). Im Fall einer jährlichen Inflationsrate von zwei Prozent hätte man bei diesen Zinskonditionen als Sparer nach 25 Jahren rund 40 Prozent seines Geldwertes verloren, rechnet Martin Kwauka vom Finanzjournalistenforum vor. Klassisches Sparen sei somit nur noch sinnvoll "als Liquiditätspolster und für den Teil des Vermögens, der keinen Kursschwankungen ausgesetzt sein soll". Wer sein Vermögen langfristig real vermehren will, "kommt daher um Anlagen mit höheren Chancen nicht herum", lautet das Fazit von Hannes Dolzer vom Fachverband der Finanzdienstleister in der Wirtschaftskammer. Freilich: Mit Wertpapieren wie Aktien und Anleihen sowie mit Fonds, die diesen Anspruch erfüllen, sind immer auch höhere Risiken verbunden.

Bis zu 1,5 Millionen Menschenpilgern zu ihrer Bankfiliale

Dass Schuldner, darunter auch viele Staaten in Europa, schon seit Jahren wegen der tiefen Zinsen wesentlich besser leben als die Sparer, ist klar. Mit ihrer Nullzinspolitik zielt die Europäische Zentralbank unter anderem darauf, dass Sparer mit Blick auf die aktuell bescheidenen Ertragsaussichten tendenziell mehr Geld ausgeben, was dem Konsum und somit der Wirtschaft zugutekäme. Gleichzeitig soll auf Unternehmensseite dank billiger Kredite wieder mehr investiert werden, was die schwächelnde Konjunktur im Euroraum ebenfalls ankurbeln soll. Nicht zuletzt wegen der "Enteignung" der Sparer war der Kurs der EZB zuletzt aber umstritten.

Der heurige Weltspartag findet am Donnerstag statt. Für ganz Österreich rechnet der Bankensektor mit bis zu 1,5 Millionen Menschen, die ihrer Filiale einen Besuch abstatten.