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Agenda Austria sieht heimisches Vorsorge-Modell von EZB bedroht

Wirtschaft

Denkfabrik betont, dass gerade die österreichischen Veranlagungsformen von der Nullzinspolitik der Zentralbank betroffen sind.


Wien. Österreich ist ein Volk der Sparer. In kaum einem Land der Eurozone wird so viel in Spareinlagen und Bargeld veranlagt wie in Österreich: nämlich über 50 Prozent des gesamten Geldvermögens. Zum Vergleich: In den Niederlanden werden nur knapp 20 Prozent des Geldvermögens in Spareinlagen und Bargeld gesteckt.

Und was lange vielleicht eine liebenswerte Eigenschaft des vorsichtigen Haushaltens war, gerät den Österreichern immer mehr zum Nachteil: Denn gerade Bankeinlagen werfen in Phasen der Niedrigzinspolitik drastisch geringere Zinsen ab. "Für Österreich lassen sich drastische Effekte auf die Vermögensentwicklung ableiten", warnt etwa der Thinktank Agenda Austria. Die Sparer in Österreich gehören damit zu den Hauptleidtragenden der Null- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Niedrigzinsen bis 2050

Und an der gegenwärtigen Wetterlage werde sich auch so bald nichts ändern: Experten erwarten auch für die nächsten 30 Jahre kaum steigende Zinsen.

Lukas Sustala, Vize-Direktor der Agenda Austria, appelliert beim Pressegespräch dabei an den Vorsorgedanken: Wer für die Pension sparen möchte, sollte allzu traditionelle Sparformen überdenken. Damit sich die Österreicher auch vermehrt an Wertpapiere heranwagen, plädiert die Agenda Austria dafür, dass die Kapitalertragsteuer (KESt) für Sparbücher und Kursgewinne auf andere Kapitalerträge angeglichen wird. Bei der Steuerreform 2016 wurden etwa Sparbücher und Sparprodukte von der Erhöhung der KESt ausgenommen. Sparbücher werden noch immer mit 25 Prozent besteuert; Dividenden und Kursgewinne inzwischen mit 27,5 Prozent KESt.

Die Agenda Austria weist auch darauf hin, dass in Sachen Pensionsvorsorge die sogenannte erste Säule - die gesetzliche Pensionsversicherung - in Österreich eine überproportional starke Gewichtung hat. Das führt zu einer ganz anderen Veranlagungskultur. Länder wie die Niederlande oder Dänemark haben vor 40 Jahren bereits die Weichen für eine starke zweite und dritte Säule der Altersvorsorge (betriebliche und private Pensionen) gestellt. In den Niederlanden stecken etwa mehr als 60 Prozent des Geldvermögens in privater Pensionsvorsorge. In Österreich sind es nicht einmal zehn Prozent.

"Wenn die Österreicher von 2009 bis 2017 so wie die Holländer veranlagt hätten, wäre unser Vermögen heute um 110 Milliarden Euro höher", hat Sustala errechnet. Das entspricht fast einem Fünftel des Geldvermögens.

Die Agenda Austria plädiert dafür, in Österreich nach internationalem Vorbild das eine oder andere steuerlich attraktive Vehikel für die Vorsorge schaffen. "Das ist der Vorteil bei viel Aufholbedarf: Dass man sich an vielen Vorbildern orientieren kann", sagt Sustala.

Ein Vorschlag der Agenda ist etwa, ein erst endbesteuertes Depot für die eigene Altersvorsorge zu schaffen. Das Geld würde erst am Ende der Laufzeit der KESt unterworfen.

Bei den Mitarbeitervorsorge-Kassen bräuchte es eine Reform: Denn dort wird praktisch so veranlagt, dass es täglich fällig gestellt werden kann. Damit werden aber Instrumente gewählt, die viel mit kurzfristiger Sicherheit, aber wenig mit langfristiger Rendite zu tun haben.(wak)