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5000 Firmen gingen heuer pleite

Wirtschaft
Der Pleitegeier kreiste wieder am häufigsten über Wien.
© K.-U. Häßler/stock.adobe.com

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stieg nur leicht. |Immer mehr Verbraucher und Selbständige nutzen die Möglichkeit des Privatkonkurses.


Alufix, Thomas Cook Austria, HTI, Pierre Lang: In der vorläufigen Insolvenzstatistik für das Jahr 2019 findet sich wieder eine Reihe prominenter Unternehmen. Nahezu 30 Großinsolvenzen mit über 10 Millionen Euro Passiva wurden gezählt, insgesamt stieg die Zahl der pleite gegangenen Unternehmen um 0,8 Prozent auf 5018 Fälle, gab der Gläubigerschutzverband KSV1870 am Mittwoch bekannt. Firmen aus dem Bereich unternehmensbezogene Dienstleistungen, aus der Bauwirtschaft und aus der Gastronomie führen erneut die Statistik an. Rund ein Drittel der eröffneten Insolvenzen entfiel auf Wien.

Für das kommende Jahr erwartet der Verband angesichts der aufziehenden Wolken am Konjunkturhimmel einen moderaten Anstieg bei den Firmeninsolvenzen. Was den heimischen Unternehmen fehle, sei Mut für Neues, kritisierte KSV1870-Chef Ricardo-José Vybiral einmal mehr vor Journalisten. "Wir dürfen nicht in Investitionslethargie verfallen", warnt er. Und: "Transformation geht nur mit Transpiration, und die findet nicht statt. Es passiert nichts Neues." Das Wissen darüber, dass sich das wirtschaftliche Umfeld ändern werde, sei zwar vorhanden, aber mit Digitalisierung, neuen Geschäftsfeldern sowie Forschung & Entwicklung (F&E) würden sich die Unternehmen zu wenig auseinandersetzen.

Die zahlreichen weltweiten Unsicherheiten würden das Geschäftsklima trüben, weshalb Investitionen hinausgeschoben werden, so KSV-Insolvenzrechtsexperte Hans-Georg Kantner.

Zweite Chance für gescheiterte Unternehmen

In der EU werden jedes Jahr rund 200.000 Unternehmen insolvent, 1,7 Millionen Arbeitsplätze sind davon betroffen. "Redlich" gescheiterte Unternehmen sollen in Zukunft wieder schneller auf die Beine kommen. Bis Juli 2021 müssen die EU-Mitgliedsländer eine entsprechende Richtlinie der EU-Kommission umsetzen. Im Kern gehe es darum, dass seriöse zahlungsunfähige Firmen innerhalb von höchstens drei Jahren entschuldet sein sollen und somit eine zweite Chance bekommen, so Kantner. Er hält nichts davon, dass dies auch für Privatpersonen gelten soll, denn diese hätten auch kein unternehmerisches Risiko zu tragen.

 

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Außerdem hätten Privatschuldner meist Kredite über mehrere Jahre laufen, während es sich bei Unternehmensschulden zu 80 Prozent um kurzfristige Verbindlichkeiten handle.

Mit der im November 2017 in Kraft getretenen österreichischen Insolvenzrechtsnovelle, die Erleichterungen für Privatschuldner gebracht hat, war der KSV1870 nicht besonders glücklich. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet. Vor der Novelle, die von der Regierung unter Bundeskanzler Christian Kern beschlossen wurde, wurden Privatschuldner von ihren Schulden befreit, wenn sie im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens sieben Jahre am Existenzminimum gelebt und den Gläubigern mindestens zehn Prozent ihrer Forderungen zurückgezahlt hatten. Diese Mindestquote wurde abgeschafft, die Entschuldungsdauer beträgt jetzt fünf Jahre. Schuldner müssen sich aber um einen Job bemühen und auch pfändbare Beträge verdienen.

Deutliche Zunahme der Privatkonkurse

Im heurigen Jahr wurden hochgerechnet 9534 Privatkonkurse bei den Bezirksgerichten eröffnet - ein Minus von rund 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass 2018 außerordentlich viele Fälle verzeichnet wurden, nachdem es 2017 zu einem drastischen Rückgang der Anträge gekommen war. Zahlreichen Schuldnern wurde damals geraten, die Novelle abzuwarten, die für sie bessere Entschuldungsbedingungen schaffte. Der Durchschnittswert aus 2017 und 2018 lag mit 8488 Fällen deutlich - um 12 Prozent - über dem Wert von heuer, hat der KSV1870 ausgerechnet.

Seit dem Inkrafttreten der Novelle haben jene Bundesländer, die früher ein eher schwaches Aufkommen an Privatkonkursen hatten - nämlich Niederösterreich (plus 17 Prozent) und die Steiermark (plus 31 Prozent) - , deutlich aufgeholt. Tirol verzeichnete als einziges Bundesland gegenüber dem Durchschnitt 2017/2018 einen Rückgang (minus 4 Prozent). Dort war aber das Jahr 2018 extrem stark gewesen.

Der typische Schuldner sei um die 20 Jahre alt, männlich und urban, weiß Vybiral. Er sieht einen wesentlichen Grund für die Überschuldung von Privatpersonen in mangelnder Finanzbildung. Von den rund 9500 Privatpleiten des heurigen Jahres entfallen 69 Prozent auf Verbraucher mit einem durchschnittlichen Schuldenstand von 63.300 Euro und 31 Prozent auf ehemalige Selbständige, die auf einem Schuldenberg von durchschnittlich 340.000 Euro sitzen. (ede)