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Der Druck auf die Gemeinden steigt

Von Simon Rosner

Wirtschaft

Die gute Konjunktur half den Kommunen bei der Bewältigung immer größer werdender Aufgabenbereiche. Aber was nun?


Das Wehklagen der österreichischen Gemeinden ist nicht neu. Unberechtigt ist es nicht, wie der am Donnerstag vorgestellte Finanzbericht der Kommunen beweist. Zumindest auf den zweiten Blick. Denn auf den ersten stehen Ausgaben von 22,4 Milliarden Euro Einnahmen von 22,6 Milliarden Euro gegenüber. Alles gut? Eher nein. Das Plus bei den Einnahmen war der guten Konjunktur geschuldet, die sich aber abschwächen wird. Die Ausgaben werden sich kaum reduzieren.

In den vergangenen Jahren hat der Nationalrat deutliche Verbesserungen der Daseinsvorsorge beschlossen, etwa im Pflegebereich (Regressverbot) sowie bei der Bildung und Betreuung von Kindern. Finanziell geschultert werden diese Qualitätssteigerungen unter anderem von den Gemeinden, die jedoch über ihre Einnahmen nur in geringem Ausmaß verfügen können. Nur wenige Abgaben fließen direkt in die Gemeindekassen, der Großteil kommt über den Finanzausgleich.

"Man muss aber bei den Gemeinden differenzieren", sagt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. Es gebe Kommunen in günstigen Lagen, um diese müsse man sich keine Sorgen machen. "Aber der breite Mittelbau hat es schwieriger", sagt Riedl. Und dann gibt es noch jene Gemeinden, die meist in peripheren Regionen liegen, oft von Abwanderung betroffen sind und vor großen Herausforderungen stehen - um es noch höflich zu formulieren.

Die Ansprüche der Bewohner dort sind ja nicht geringer. Auch in der Peripherie müssen Gemeinden in die Daseinsvorsorge investieren, wie es der Gesetzgeber von ihnen verlangt. Dazu kommt aber noch eine weitere Problematik: Die Gemeinden in sehr ländlichen Regionen müssen öffentliches Geld in die Hand nehmen, um Infrastruktur zu erhalten, die früher von privaten und staatlichen Unternehmen getragen wurde. Gemeinden zahlen für einen Bankomaten, sie sind Partner der Post geworden, Betreiber von Arztpraxen und sogar von Gasthäusern.

"Das wird der Steuerzahler nicht mehr hinnehmen", sagt Gemeindebund-Chef Riedl. "Wir müssen lernen, Nein zu sagen." Die Bürgermeister stehen natürlich unter Druck. Sie müssen Angebote zur Verfügung stellen, die für die Unternehmen unwirtschaftlich geworden sind, aber für die Lebensqualität der Menschen wichtig sind. Im Fall des Gesundheitsbereichs sieht Riedl ein "Organversagen" und die Sozialversicherungen in der Pflicht. Diese sind für das Tarifsystem zuständig. Dass dieses in einigen Bereichen, etwa in der Allgemeinmedizin oder Kinderheilkunde, offenbar nicht mehr attraktiv genug ist, wird dadurch belegt, dass es immer mehr Gemeinden schwerfällt, freigewordene Kassenstellen zu besetzen. Die Gemeinden nehmen den jungen Ärztinnen und Ärzten daher mitunter notwendige Investitionen in die Ordination ab. Dadurch habe sich aber ein Wettbewerb zwischen den Gemeinden zulasten der öffentlichen Hand entwickelt, erzählt Riedl.

Auch Gemeinden habennoch Effizienzpotenziale

Geringer werden die Anforderungen für die Kommunen in den kommenden Jahren wohl kaum. Die Digitalisierung verlangt ebenso nach Investitionen wie der Kampf gegen den Klimawandel. Auch hier wird es zu finanziellen Belastungen für die Gemeinden kommen. Und sie können wohl nicht von allen getragen werden. Riedl mahnt Solidarität ein. "Darauf werden wir in Zukunft pochen." Es geht also auch um Umverteilung zwischen reichen und armen Kommunen.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden nicht einfacher, wenn sich, wie erwartet, die Konjunktur eintrübt. Das wird auch für die kommende Regierung relevant. "Steuern senken, Investitionen beschließen, aber ein ausgeglichenes Budget haben - das wird sich nicht ausgehen", sagt Wifo-Direktor Christoph Badelt bei der Präsentation der Gemeindefinanzen.

Freilich, nur Wehklagen ist auch zu wenig. Bei den Gemeinden gibt es sehr wohl Effizienzpotenziale, wenn es zum Ausbau von interkommunaler Zusammenarbeit kommt, etwa durch ein gemeinsames Personalmanagement mehrerer Gemeinden bis zu einer gemeinsamen Raumordnung. Hier gibt es zwar gute Initiativen und Beispiele, in der Praxis ist sich dann aber doch oft jede Gemeinde sich selbst am nächsten.