Es gab aber einen Vorsatz, an den sich Andreas Treichl eisern hielt. Solange sein Vater nicht in Pension geht, wird er nicht zur gleichen Zeit in Österreich als Banker arbeiten. Außer einem kurzen Gastspiel in der Politik, als er 1978 den Wien-Wahlkampf von ÖVP-Politiker Erhard Busek leitet, bleibt Treichl im Ausland. Für die Chase Manhattan Bank arbeitet er auch in Brüssel und in Athen.

Vater bezeichnet Erste als "Zwutschkerlfirma"

Zwei Jahre nach der Pensionierung des Vaters kehrt er 1983 nach Wien zurück. Er wechselt als Bereichsleiter für Großkunden zur Ersten Bank der österreichischen Sparkassen. Und damit zu jener Bank, die sein Vater abschätzig "Zwuschtkerlfirma" nannte. Heinrich Treichl sieht einen Standesunterschied zu "seiner" höherstehenden, elitären Creditanstalt, den er in der Autobiografie ausführt: "Die Mitarbeiter in der Creditanstalt waren bürgerliche Menschen, alle ihres Ranges bewusst, der sie über die Mitarbeiter der auf die einfachsten Transaktionen beschränkten Sparkassen oder Raiffeisenbanken emporhob", schreibt er. "Hochqualifizierte Spezialisten, die als Berater der Behörden, Dozenten, Buchautoren auftraten."

Drei Jahre später wechselt Andreas Treichl wieder zur Chase Manhattan Bank, bleibt aber in Wien. Er übernimmt den Vorstandsvorsitz der Österreich-Tochter für sieben Jahre. Dann soll die Wiener Niederlassung mit ihren 60 Mitarbeitern jedoch verkauft werden. Die französische Bank Credit Lyonnais macht ein unwiderstehliches Angebot und übernimmt den Standort. Treichl darf bleiben.

Während dieser Zeit ist er auch politisch tätig. Von 1991 bis 1997 ist er ÖVP-Finanzreferent - einmal mehr - unter Erhard Busek, damals Parteichef. Sein Auftrag: Die Entschuldung der Partei. Treichl erfüllt den Auftrag und saniert die Partei, doch zum Schrecken alter Parteimitglieder verscherbelt er dafür die altehrwürdige Zentrale der Partei neben der Staatsoper, das Palais Todesco. Nun wusste man auch in der ÖVP, dass Treichl mit pompösem Gehabe nichts anfangen kann. Der Großindustrielle und ehemalige Parteichef Josef Taus sagte darauf resignierend: "Damit wird die ÖVP zu einer Mittelpartei."

Busek ist jedoch begeistert und stellt Treichl 1994 als Kandidat für den Nationalrat auf. Sogar als Finanzminister war er im Gespräch. Doch dann holt ihn der Aufsichtsratsvorsitzende der Ersten, Herbert Schimetschek, in den Vorstand der Bank, wo er für das Kommerzkundengeschäft und die Auslandsfilialen zuständig wurde. Seinen sicheren Platz als ÖVP-Kandidat für die Wahl gibt er auf.

In der Ersten wird Treichl mit wenig Begeisterung empfangen. Der Betriebsrat begrüßt ihn mit: "Sie haben eine Quetschn mit 60 Mitarbeitern geführt. Was wollen Sie hier, Sie haben ja keine Erfahrung." Er wird als Sohn von Heinrich Treichl belächelt und wenig ernst genommen.

Andreas Treichl lässt sich nicht einschüchtern, verschafft sich in kurzer Zeit Anerkennung und wird drei Jahre später sogar Generaldirektor. Der Vater versteht die Welt nicht mehr, weil sein Sohn nun der von ihm verachteten Konkurrenzbank vorsteht. In der Branche schenkt man Andreas Treichl wenig Beachtung.