Doch mehr als 20 Jahre Erfahrung im internationalen Bankgeschäft, taktisches Geschick und sein musikalisches Können ebnen ihm einen steilen Aufstieg nach oben. Von Anfang an fährt er seine eigenwillige Linie als Querdenker und Entertainer. Bei einem seiner ersten Auftritte vor Investoren setzt er sich ans Klavier und spielt eine Mozart-Sonate. Ein ungewöhnlicher Auftritt in der für gewöhnlich monotonen Bankenwelt. Der Auftritt hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ein Bankdirektor, der vor seinen Investoren Klavier spielt, das war neu.

Das große Fressen

Andreas Treichl strotzt vor Selbstvertrauen, hat keine Angst etwas zu "vergogeln", nimmt volles Risiko und verändert die Erste in atemberaubenden Tempo von einer lokalen Sparkasse in Wien zum größten Finanzdienstleister in Mitteleuropa.

Noch im selben Jahr seines Antritts als Generaldirektor fusioniert er die Erste mit der GiroCredit und formt "den schlagkräftigsten privaten Bankkonzern des Landes", wie er damals sagt. Mit der Übernahme erfolgt auch der Börsengang, der damals größte, den es bis dahin am Wiener Handelsplatz gab. Treichl ist nichts heilig, er setzt gegen heftige interne Widerstände durch, dass der seit Beginn 1819 bestehende 100-prozentige Eigentümerverein zu einem Minderheiten-Aktionär wird.

Mit der Fusion legt Treichl die Richtung der Ersten fest. Er wird fortan auf das Retail-Banking, das Massenkundengeschäft, setzen. Das Geld für die Neupositionierung bekommt er aus dem Börsengang.

Als die Bank mit der Ausgabe von 11,5 Millionen Aktien auf einen Schlag 500 Millionen Euro einnimmt, belächelt ihn niemand mehr. In den folgenden Jahren folgen Kapitalerhöhungen, die noch mehr Geld in die Kassen spülen. Mit den Einnahmen expandiert die Bank in Richtung Osten. Auf pures Wachstum ausgerichtet war Treichl, egal zu welchem Preis, egal zu welchem Risiko, egal ob die Übernahme gleich Rendite abwirft oder nicht. Wichtig war ihm, den Markt der ehemaligen Ostblock-Länder zu erobern. Langfristig würden diese Banken schon wachsen, könnte Geld eingenommen werden.

Innerhalb kürzester Zeit erwirbt die Erste die ungarische Mezöbank (1997), die tschechische Ceska sporitelna (2000), die slowakische Slovenska sporitelna (2001), die kroatische Rijecka banka (2003), die ungarische Postabank (2003), die serbische Novosadska banka, die rumänische Banca Comerciala Romana - für 3,75 Milliarden Euro! (beide 2005) und die ukrainische Bank Prestige (2007).

Die Erste überholt den Börsenwert der Bank Austria, die mittlerweile Vaters übermächtige Creditanstalt geschluckt hatte, und ist damit Österreichs größte Bank.

Auch intern bleibt kein Stein auf dem anderen. Er entlässt alle 50 Bundesländerfilialen - außer Wien, Niederösterreich und Burgenland - in die "Selbständigkeit", bindet sie jedoch per Vertrag als Vertriebspartner an sich. Ein ungewöhnlicher Vorgang, der Treichl aber gelingt. "Wir wollen ein Verbund selbständiger Institute bleiben", mit regionaler Verankerung, nach außen divers, nach innen geschlossen.

Was Treichl als Einigung des Sparkassensektors feiert, ist gleichzeitig eine Demonstration seiner neugewonnen, unbeschränkten Machtfülle. Er kann auf die Sparkassen zugreifen, obwohl sie nicht der Ersten gehören.