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Mehr Zwangsversteigerungen durch Corona-Krise erwartet

Von Petra Tempfer

Wirtschaft
Gehen viele Immobilienbesitzer Pleite, ist meist ein Wertverfall die Folge.
© adobe.stock/Stockwerk-Fotodesign

2009, nach der Lehman-Pleite, kamen mehr als doppelt so viele Liegenschaften wie heute unter den Hammer. Der Verlust der Existenzgrundlage durch die derzeitige Situation könnte eine ähnliche Entwicklung zur Folge haben.


Der Verlust des Arbeitsplatzes beziehungsweise der Existenzgrundlage: Das sei der häufigste Grund dafür, dass Wohnungen, Häuser, Gewerbeimmobilien oder Grundstücke zwangsversteigert werden, sagt Monika Konvicka, Geschäftsführerin der "SmartFacts Data Services GmbH", die Daten zum österreichischen Immobilienmarkt analysiert. Zuletzt habe sich 2009, ein Jahr nach der Lehman-Pleite und in der damit zusammenhängenden Finanzkrise, eine Zunahme dieser Verluste direkt in der Anzahl der Zwangsversteigerungen widergespiegelt: Mit rund 3600 gab es etwa zweieinhalb Mal so viele wie heute.

"Diese Einflussfaktoren - Verlust des Arbeitsplatzes beziehungsweise der Existenzgrundlage - wirken auch derzeit massiv auf den Markt", sagt Konvicka zur "Wiener Zeitung". Mit Stundungen für Kreditraten, durch die die Zahlungen in der Regel drei bis sechs Monate ausgesetzt werden, werde zwar versucht, dem Einhalt zu gebieten - "aber auch gestundete Raten müssen zurückgezahlt werden". Konvicka geht daher davon aus, dass sich die Corona-Krise zwar mit einer gewissen Verzögerung, aber sehr wohl auf die Anzahl der Zwangsversteigerungen auswirken wird.

Inwieweit, das hänge freilich auch davon ab, wie schnell der Arbeitsmarkt nach dem Ende der Maßnahmen wie Lokal- und Geschäftsschließungen wieder in die Gänge kommt. Grundsätzlich werde man aber frühestens am Ende des Jahres erste Auswirkungen erkennen können, sagt Konvicka. Denn bis eine Liegenschaft tatsächlich unter den Hammer kommt, vergehen schon im Normalfall durchschnittlich sechs bis 16 Monate.

Hohes Angebot drückt die Preise

"Wenn ein Objekt notleidend wird, sieht man erst nach 30 Tagen, dass der Schuldner nicht bezahlt hat. Dann wird gemahnt, die Bank reagiert. Der Anwalt erwirkt einen Titel bei Gericht, dieses beauftragt bei Bewilligung einen Gerichtssachverständigen, damit dieser das Objekt bewertet", so Konvicka. Im Moment gebe es noch dazu keine Gerichtsverhandlungen zu diesem Thema: Seit 16. März sind diese aufgrund der Corona-Krise ausgesetzt.

Gehen viele Immobilienbesitzer Pleite, ist meist ein Wertverfall die Folge. Denn ein hohes Angebot drückt die Preise. Konvicka vermutet, dass das in der momentanen Situation der Fall sein wird. Zwangsversteigerungen haben zwar nur einen geringen Anteil am Immobilienmarkt - im Vorjahr wechselten laut Makler Remax rund 140.000 Liegenschaften inklusive Schenkungen und unentgeltlichen Transaktionen den Besitzer -, ein Ende der derzeitigen Preissteigerungen sei aber ohnehin schon absehbar. "Aufgrund des hohen Preisniveaus speziell in den Ballungsräumen ist der Zenit erreicht: Der Erwerb einer Liegenschaft ist mit Realeinkommen nicht mehr zu schaffen, das geht meist nur noch über Erspartes etwa aus einer Erbschaft heraus."

Die Corona-Krise fällt somit in eine Zeit, in der die Immobilienblase kurz vor dem Platzen stehen könnte. Die Oesterreichische Nationalbank hat bereits im Dezember vor einer möglichen Überhitzung des Marktes gewarnt und wollte prüfen, ob Aufsichtsmaßnahmen zur Abkühlung erforderlich seien: Im dritten Quartal 2019 seien die Immobilienpreise um fünf Prozent über dem Vorjahr gelegen, hieß es.

"Gewisse Beruhigung" am Immobilienmarkt erwartet

"Die vielen Jahre des niedrigen Zinsniveaus haben den Trend, Geld in Immobilien statt bei der Bank zu parken, vorangetrieben und Kredite attraktiviert", sagt Konvicka. Die Bewegung innerhalb einer Immobilie war groß, viele wurden mehrmals gekauft und weiterverkauft - immer mit Aufschlag. In der derzeitigen Situation sei es nun mehr als fraglich, ob jemand einen sechsstelligen Betrag investiert, ohne zu wissen, ob er die Liegenschaft weiterverkaufen kann. "Eine Beruhigung hinsichtlich des Preisniveaus" werde daher eintreten, so die Expertin.

Laut dem Ökonomen Michael Klien vom Wifo habe man diese bereits vor der Corona-Krise erwartet. Diese könnte nun ein Katalysator dafür sein, sagt auch er: "Wenn die Immobilienbesitzer verkaufen müssen, dann möglicherweise zu niedrigeren Preisen." Nach der Finanzkrise seien die Preise langfristig allerdings gestiegen: Es wurde in "Betongold" investiert. "Die Ausgangslage bezüglich des Preisniveaus war aber eine andere." Entscheidend wird auch laut Klien sein, wie schnell sich der Markt erholt.

Weitere Gründe für Zwangsversteigerungen sind übrigens Scheidung oder Tod des Partners sowie übermäßiger Konsum. Gibt es einen Versteigerungstermin, setzt das Gericht das geringste Gebot fest (50 bis 100 Prozent des Schätzwertes). Die Gutachten sind unter www.edikte.justiz.gv.at abrufbar. Jeder, der mitbietet, muss mindestens zehn Prozent des Schätzwertes als Vadium in Form einer Sparurkunde vorweisen. Etwa die Hälfte der Termine wird laut Konvicka abgesagt, weil sich Schuldner und Gläubiger doch einigen oder die Liegenschaft am freien Markt verkauft wird - 75 Prozent landen aber erneut vor Gericht. "Von vier Fällen wird nur einer tatsächlich gelöst."