Carina Hammer war sprachlos. Manche Kollegen waren euphorisch, andere wiederum reagierten skeptisch. Die Geschäftsführung der Marketingfirma hat sie zusammengetrommelt. Das war im Oktober 2018. Es soll eine Überraschung geben, hieß es. Für Hammer und ihre Kollegen war es nicht nur das. Die Überraschung änderte ihr Leben. Sie krempelte ihren Arbeitsalltag grundlegend um. Sie definierte den Begriff Freizeit neu. Die Botschaft: In Zukunft brauchen sie nur noch 30 Stunden zu arbeiten, bei gleichem Gehalt. "Wie soll das funktionieren?", fragte sich Hammer damals.

Mai 2020, kurz vor 14 Uhr. Carina Hammer klingt am Telefon gut gelaunt. Bald hat sie Feierabend. "30 Stunden zu arbeiten macht schon einen großen Unterschied aus", sagt Hammer. Im Winter verlässt sie noch bei Tageslicht das Büro. Im Sommer bleibt genug Zeit für Ausflüge am Nachmittag, zum Einkaufen oder für den Partner. Die Umstellung auf 30 Stunden brachte ihrem Zeitkonto eine ordentliche Gutschrift. "Die Arbeitszeiten sind besser mit dem Privatleben vereinbar", erzählt Hammer.

2015 hat sie bei der Marketingfirma eMagnetix in Bad Leonfelden im oberen Mühlviertel zu arbeiten begonnen. Damals dauerte ihre Arbeitswoche noch 38,5 Stunden. Heute ist die Firma eine der wenigen in Österreich, die ein 30-Stunden-Modell bei gleichem Lohn eingeführt hat. "Die neue Währung ist Zeit", sagt Klaus Hochreiter, der Geschäftsführer von eMagnetix. Seine 35 Mitarbeiter sind fünf Tage die Woche im Büro. Es gilt Gleitzeit, jeder kann sich seine Arbeitsstunden einteilen.

Umstellung war ein langer Prozess

Die Kritik, dass eine Stundenreduzierung zu mehr Stress und einer Arbeitszeitverdichtung führt, kennt Hochreiter. "Das war bei uns nicht der Fall. Wir haben die Umstellung zwei bis drei Jahre im Vorhinein geplant." Hochreiter und sein Team haben überlegt, wo Zeit eingespart, wo mit Digitalisierung Arbeit erleichtert oder automatisiert werden kann. Überlange Meetings gehören der Vergangenheit an. 30 Minuten sollen sie maximal dauern. Eine Sanduhr mahnt die Teilnehmer zu Kürze.

"Die Arbeitszeiten sind besser mit dem Privatleben vereinbar."

eMagnetix-Mitarbeiterin Carina Hammer

Weniger arbeiten mag zwar erst einmal verlockend klingen. Doch muss die Arbeit nicht in weniger Zeit erledigt werden? Jeder Arbeitsschritt sei über Wochen und Monate hinweg analysiert worden, erzählt Hammer. "Wir haben nach der Umstellung nicht mehr dieselbe Arbeit gemacht. Wir haben sie außerdem reduziert", sagt sie. Druck, die Arbeit in weniger Zeit zu schaffen, habe es deswegen nicht gegeben. "Das wäre kontraproduktiv. Sonst hätten wir gleich wieder Überstunden angesammelt", sagt die Leiterin für Content Marketing.

Die Idee einer Arbeitszeitverkürzung wird immer wieder diskutiert. In diesen Tagen erlebt sie neuen Aufwind. Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern schlug vor Kurzem vor, eine Vier-Tage-Woche einzuführen. Die Menschen könnten dann mit der gewonnenen Zeit den Inlands-Tourismus ankurbeln, so die Logik von Ardern. Bereits 2018 schaffte es die neuseeländische Immobilienberatungsfirma Perpetual Guardian in die weltweiten Schlagzeilen, als sie für ihre 200 Mitarbeiter die Vier-Tage-Woche einführte. Laut CEO Andrew Barnes seien seine Angestellten seit der Umstellung glücklicher und produktiver. Nun propagiert er das Modell für das ganze Land.

Am liebsten würde Carina Hammer gar nicht mehr länger als 30 Stunden arbeiten. "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auf jeden Fall dabei bleiben. Das ist perfekt und es funktioniert." - © eMagnetix
Am liebsten würde Carina Hammer gar nicht mehr länger als 30 Stunden arbeiten. "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auf jeden Fall dabei bleiben. Das ist perfekt und es funktioniert." - © eMagnetix

Auch eMagnetix-Chef Hochreiter schwärmt von zufriedenen Mitarbeitern. Eine externe Befragung ergab: 83 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich seit der Umstellung gesünder. 63 Prozent gaben an, dass die Arbeitsbelastung gesunken sei. Im Jahr der Einführung seien die Umsätze der Firma um 40 Prozent gestiegen, sagt Hochreiter.

Glückliche Mitarbeiter, produktive Unternehmen, steigende Umsätze: Es scheint fast so, als wären kürzere Arbeitszeiten das Allheilmittel für die Wirtschaft. Zu teuer, sagen jedoch Wirtschaftsvertreter, Träumerei, finden Ökonomen. Die Zeit längst reif, meinen hingegen Soziologen.

Wir definieren uns über unsere Arbeit. Sie ist sinnstiftend. Ich arbeite, also bin ich. Doch muss die Arbeit auch zwangsläufig einen großen Teil unserer Zeit einnehmen?

Arbeit ist intensiver geworden

Die Arbeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten intensiviert. Hier ein Meeting, dort eine Konferenz. Man muss ständig erreichbar sein, sofort reagieren. Arbeitsmails werden in der Freizeit abgerufen. Twitter, Facebook und Co. beschleunigen das hohe Lebenstempo. Weniger zu arbeiten wäre darum auf jeden Fall gesünder. Studien zeigen, dass kürzere Arbeitswochen die Stresswerte reduzieren. Mitarbeiter, die sich besser erholen, sind weniger krank. Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Bluthochdruck: Leiden, die auch von einem Zuviel an Arbeit ausgelöst werden können.

Doch für eine Vielzahl von Berufen erweist sich die Umsetzung in der Praxis als schwierig bis unmöglich. Ein Busfahrer kann nicht einfach ein paar Haltestellen auslassen, nur um früher Feierabend zu machen. Ein Pfleger muss sich für seine Patienten Zeit nehmen, sonst leidet die Qualität darunter. Verkäufer sind an Öffnungszeiten gebunden, der Landwirt muss sein Vieh jeden Tag versorgen, Lehrer müssen ihre Kinder an fünf Tagen in der Woche unterrichten. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Die Frage nach der Arbeitszeit polarisiert. Rückblick in den Februar 2020. Seit Wochen gehen Vertreter der Sozialwirtschaft in Wien auf die Straße und demonstrieren für eine 35-Stunden-Woche. Erkämpft haben sie sich schließlich 37 Stunden, beginnend mit Jänner 2022. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer bezeichnete die Forderung nach einer kürzeren Arbeitswoche in der Pflege als auch allgemein als "Jobvernichtungsmaschine". Die Grünen schreiben sich eine Verkürzung der Arbeitszeit in ihr Wahlprogramm. Ins Regierungsprogramm hat sie es jedoch nicht geschafft. Und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte am 1. Mai eine Arbeitszeitreduktion auf 30 Wochenstunden. Es sei aber eine "Zielvorstellung", die man in einem "schrittweisen Prozess" erreichen will.

Bei emotionalen Diskussionen lohnt ein Blick auf die nüchternen Zahlen. Sie zeigen: Die Menschen arbeiten weniger als früher. Wurden 2005 noch 39,4 Stunden pro Woche gearbeitet, so reduzierte sich die durchschnittliche Normalarbeitszeit auf 36,6 Stunden im Jahr 2018. Österreich liegt im EU-Vergleich damit im unteren Feld. "Die Zahl ist deswegen so niedrig, weil wir eine so hohe Teilzeitquote haben", sagt Ulrike Huemer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Die Teilzeitquote steigt seit Jahren, derzeit beträgt sie 27,3 Prozent – der dritthöchste Wert in der EU.



Seit der Finanzkrise 2008 ist das Arbeitsvolumen in Österreich mit rund 7 Milliarden Stunden im Jahr konstant geblieben. "Pro Person wird zehn Prozent weniger gearbeitet, weil sich das Gesamtarbeitsvolumen auf mehr Personen verteilt", sagt Monika Köppl-Turyna vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria. Gleichzeitig hat Österreich einen sehr hohen Anteil von Vollzeitbeschäftigten, die überlange Arbeitszeiten haben, also 48 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten. Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt bei ihnen 42,5 Stunden. Das ist der zweithöchste EU-Wert nach Griechenland.

Bei vollem Lohnausgleich steigen die Arbeitskosten

Die Arbeitszeit in Österreich geht also tendenziell zurück. Was wäre aber, wenn wir einen radikalen Schnitt machen und zehn Stunden weniger pro Woche arbeiten würden?

Welche Wirkung eine generelle Arbeitszeitverkürzung entfalten würde, könne man a priori nicht feststellen, sagt Wifo-Ökonomin Huemer. "Es kommt darauf an, in welchem Ausmaß, ob mit oder ohne Lohnausgleich, welche Anpassungsmöglichkeiten die Akteure haben und wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind", sagt die Ökonomin. Reduziert ein Unternehmen zum Beispiel die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter und es gibt Produktivitätsreserven, dann bremst dies die Beschäftigung. Denn die Mitarbeiter erledigen nun dieselbe Arbeit in weniger Zeit, ohne dass neue Mitarbeiter eingestellt werden. "Die Frage ist aber auch, ob es zusätzliche Arbeitskräfte gibt, um diese Stellen besetzen", sagt Huemer.



Kritiker führen die hohen Kosten ins Feld. Denn bei vollem Lohnausgleich steigen die Arbeitskosten. Monika Köppl-Turyna ist deshalb skeptisch, ob das für die meisten Unternehmen verkraftbar ist. "30 Stunden bei vollem Lohnausgleich bedeuten schlagartig ein Drittel höhere Personalkosten pro Person", sagt die Ökonomin. Sie räumt ein, dass es Unternehmen gibt, die eine Reduzierung verkraften und freiwillig einführen können. Doch der gesamten Wirtschaft dieses Konzept überstülpen, sei "unverantwortlich". "Man muss dieses finanzielle Polster haben. Da aber 93 Prozent der österreichischen Unternehmen Kleinstunternehmen mit unter zehn Mitarbeitern sind, kann ich mir das nur schwer vorstellen", sagt Köppl-Turyna.

"30 Stunden bei vollem Lohnausgleich bedeuten ein Drittel höhere Personalkosten pro Person"

Ökonomin Monika Köppl-Turyna

Nikolaus Steinhagen ist bei so einem Kleinstunternehmen angestellt. Die sieben Mitarbeiter der Social-Media-Agentur können sich aussuchen, ob sie vier oder fünf Tage in der Woche arbeiten wollen. Steinhagen arbeitet 32 Stunden in der Woche, bei gleichem Lohn. "Das hat den Vorteil, dass ich relativ früh zu Hause bin. Ich kann mehr Zeit mit meiner Familie verbringen", sagt er. Weniger zu arbeiten sei eine wahnsinnige Erleichterung. Haushalt, Einkaufen, Kinderbetreuung: Seine Frau und er können sich diese Aufgaben nun besser aufteilen. Schafft man trotzdem die gleiche Arbeit in weniger Zeit? "Ja, aber man muss wesentlich strukturierter und konzentrierter arbeiten."

Laut Thomas Meyer, dem Geschäftsführer der Agentur, kommen jene Mitarbeiter "entspannt" und voller Energie aus dem Wochenende zurück, die eine 4-Tage-Woche haben. Er wollte ein Statement setzen. 40 Stunden Arbeit pro Woche waren ihm zu altmodisch. "Ich sehe die Zukunft in der Arbeitszeitverkürzung", sagt Meyer, der sein Unternehmen im Juli 2018 gegründet hat. Für ihn war es ein Experiment mit vielen Fragenzeichen. Schafft man die Arbeit in weniger Zeit? Zahlt es sich finanziell aus? Findet man genug Fachkräfte? "Wir haben viel Zeit investiert in Prozessoptimierung, unnötige Meetings wurden abgeschafft", sagt der studierte Betriebswirt.

Meyer ist sich seiner privilegierten Situation bewusst. Er zahlt seinen Mitarbeitern mehr, als kollektivvertraglich festgelegt ist, im Schnitt 3000 Euro brutto monatlich. Die Kosten würde er aber nicht auf die Kunden umwälzen. Sorgen über Fachkräfte macht er sich keine: "Die Leute bleiben, weil ihnen der freie Markt unser Modell praktisch nicht bieten kann." Die Corona-Krise hat auch ihn getroffen. "Die Auftragslage ging definitiv zurück", sagt Meyer. Seine Mitarbeiter hat er in Kurzarbeit geschickt. Ab Juli will er seine Mitarbeiter wieder zurückholen, an seinem Arbeitszeit-Modell hält er fest.

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Hierzulande ist das 30-Stunden-Modell bei vollem Lohnausgleich eine Ausnahme. Wer mit Verantwortlichen der Unternehmen spricht, bekommt ausschließlich positives Feedback: mehr Bewerbungen, entspanntere Mitarbeiter, gesunkene Arbeitsbelastung, zufriedene Kunden.

Was sagen aber große Unternehmen zu einer Arbeitszeitverkürzung? Siemens Österreich etwa biete seinen 11.000 Mitarbeitern von Teilzeit- und Gleitzeitregelungen über Bildungskarenzpausen und Homeoffice eine Vielzahl von flexiblen Arbeitsmöglichkeiten an. "Aufgrund dieser umfassenden und vielfältigen Alternativen ist ein 4-Tage-Modell bei Siemens in Österreich kein Thema", sagt Karl Lang, stellvertretender HR-Leiter von Siemens CEE. Die Mitarbeiter können je nach Job ihre Arbeitsleistung in Abstimmung mit den Führungskräften individuell planen, sagt Lang.

Für eine Arbeitszeitverkürzung spricht nicht nur der Gesundheitsfaktor. Familie und Beruf ließen sich besser vereinbaren. In Österreich ist das Zuverdiener-Modell weit verbreitet. 47,5 Prozent aller Frauen arbeiten Teilzeit, bei den Männern sind es lediglich 11,2. Die eigene Karriere bleibt bei Frauen oft auf der Strecke. "Die Diskrepanz zwischen Frauen und Männern liegt bei 8,6 Wochen pro Stunde. Nur in den Niederlanden ist die Arbeitszeitlücke größer", sagt Wifo-Ökonomin Huemer.



Seit 2005 ist die Teilzeitquote bei Frauen um acht Prozent gestiegen. Langfristig könnte damit die Gefahr von Altersarmut steigen. Dass künftig noch mehr Frauen Teilzeit arbeiten, sei laut Huemer nicht auszuschließen. In den Niederlanden etwa arbeiten heute bereits drei von vier Frauen Teilzeit.

Würden Frauen und Männer jeweils 30 Stunden arbeiten, gäbe es zwar mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. Ob das in der Praxis gelingt, ist jedoch fraglich. Kündigungen könnten die Folge sein. Außerdem muss das Kinderbetreuungsangebot gleichzeitig ausgebaut werden. "Am Land sind Kindergartenplätze im Vollzeitausmaß nach wie vor selten verfügbar", sagt Köppl-Turyna von Agenda Austria.

Ein Pilotprojekt in Schweden zeigt, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit auch scheitern kann. In einem Pflegeheim der zweitgrößten schwedischen Stadt Göteborg wurde 2015 für zwei Jahre auf eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich umgestellt. Die Heimleitung wollte testen, ob sich mit einem 6-Stunden-Tag die Zufriedenheit des Personals ändert.

Die Idee dahinter war, dass weniger Krankenstände weniger Kosten verursachen würden. Die Rechnung ging jedoch nur teilweise auf. Die Krankenstände gingen zwar um zehn Prozent zurück, das persönliche Gesundheitsgefühl und die Zufriedenheit der Mitarbeiter sind gestiegen. Doch zu Beginn musste neues Personal eingestellt werden, um die Reduktion der Arbeitszeit bei den bestehenden Mitarbeitern zu kompensieren. Diese Mehrkosten konnten durch das Experiment nicht gedeckt werden. "Die 30-Stunden-Arbeitswoche ist schlicht zu teuer", sagte die damalige Bürgermeisterin von Göteborg, Ann-Sofie Hermansson.

Leben abseits der Arbeit wird wichtiger

Bleibt der Wunsch nach einem Drei-Tage-Wochenende letztlich doch nur utopisch? Der Soziologe Jörg Flecker von der Universität Wien glaubt nicht. Er hält eine schrittweise Einführung der 30-Stunden-Woche bei voller Lohnfortzahlung für möglich. "In den meisten Berufen ist der Zeitdruck oder die Intensität gestiegen. Das schlägt sich gesundheitlich nieder", sagt Flecker. Früher hätte man mehr Pausen gemacht, weniger Druck gehabt. Burnout-Zahlen würden zunehmen.

Auch angesichts der Diskussion um Klimawandel, CO2-Ausstoß und Nachhaltigkeit sei es Zeit für Veränderung. "Die Wachstumslogik ist an ein Ende gelangt", sagt Flecker. Ständig steigende Wachstumszahlen, mehr Leistung, mehr Umsatz. Irgendwer müsse schließlich den Preis dafür zahlen. "Es herrscht die Vorstellung, man müsste mehr arbeiten, obwohl so viel Reichtum da ist". Der Soziologe ist der Meinung, es werde ohnehin zu viel produziert. Monetärer Wohlstand hätte ausgedient. "Man könnte den Wohlstand auch als Zeitwohlstand verstehen" sagt Flecker. Wir haben viel erreicht, also gönnen wir uns jetzt mehr Zeit.

"Man könnte den Wohlstand auch als Zeitwohlstand verstehen"

Soziologe Jörg Flecker

Gerade für die Jüngeren gewinnt sie zunehmend an Bedeutung. "Es gibt einen Teil der jungen Generation, der sagt, sie möchten nicht so wie ihre Eltern nur für die Arbeit leben", sagt der Soziologe. Das Bewusstsein habe sich geändert. Das Leben abseits der Arbeit werde wichtiger.

Carina Hammer genießt diesen Teil ihres Lebens. Sie hat seit der Umstellung viel mehr Zeit für Hobbies und nebenbei sogar eine Online-Ausbildung im Fitnessbereich begonnen. Am liebsten würde sie gar nicht mehr länger als 30 Stunden arbeiten. "Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auf jeden Fall dabei bleiben. Das ist perfekt und es funktioniert."

Hammers Arbeitszeitmodell bleibt vermutlich die Ausnahme. 93 Prozent der Unternehmen in Österreich sind Kleinstunternehmer oder Ein-Personen-Unternehmen. Sie sind weniger flexibel und können es sich nicht leisten, weniger zu arbeiten. Für die meisten dieser Unternehmen wird eine 30-Stunden-Woche bei gleichem Lohn nicht finanzierbar sein.

Hinweis: Im Artikel hat sich ein Fehler eingeschlichen. Seit der Finanzkrise 2008 ist das Arbeitsvolumen in Österreich mit rund 7 Milliarden  - nicht Millionen - Stunden im Jahr konstant geblieben. Wir bedauern den Fehler.