Zum Hauptinhalt springen

Mit Roboterbeinen auf Augenhöhe

Von Bernd Vasari

Wirtschaft

Wie das junge Wiener Unternehmen Tech2People Rollstuhlfahrer wieder zum Gehen bringt.


Gregor Demblin ist querschnittsgelähmt. Seit einem Badeunfall 1995 sitzt er im Rollstuhl. 50.000 Menschen in Österreich geht es wie ihm. Querschnittslähmung wird man bald heilen können, sagen die Ärzte seit seinem Unfall vor 25 Jahren. Doch darauf wollte Demblin nicht warten. Er fand einen anderen Weg, wie er seinen Mitmenschen wieder auf Augenhöhe begegnen kann.

Im Internet stößt er auf das Exoskelett, ein robotischer Anzug, der über der Kleidung angezogen wird. Vier Motoren treiben das Skelett an, mit dem querschnittsgelähmte Menschen wieder aufstehen und gehen können. Demblin ist begeistert und gründet mit seinem Partner Michael Seitlinger das Unternehmen Tech2People in Wien. Mithilfe von Sponsoren kaufen sie ein Exoskelett und bieten einstündige Therapien an. Mit einer App können nun die Fortschritte dieser Therapien gemessen werden.

100.000 potenzielle Interessenten

Das Ziel: "Wir wollen das modernste ambulante Therapiezentrum Mitteleuropas aufbauen und spezialisieren uns auf roboterunterstützte Therapien", sagt Demblin. Da Exoskelette auch in der Behandlung von Schlaganfall- oder Multiple-Sklerose-Patienten eingesetzt werden können, gibt es österreichweit etwa 100.000 potenzielle Interessenten. Die Trainings seien "körperlich einfach extrem angenehm", sagte er.

Es sind vor allem psychologische Effekte, die dahinterstehen, sagt sein Firmenpartner Seitlinger. "Wenn gesunde Menschen nach acht Stunden Sitzen im Flieger wieder aufstehen, merken sie, wie unangenehm das ist." Für Rollstuhlfahrer ist Sitzen hingegen eine permanente Situation. "Wenn sie mithilfe des Exoskeletts aufstehen, rutschen die Organe wieder an die richtige Stelle, Herz-Kreislaufsystem, Atemfunktionen und Knochendichte verbessern sich", erklärt Seitlinger.

Seit Demblin wöchentlich ein bis zwei Mal mit dem Exoskelett trainiert, muss er kaum mehr Medikamente nehmen. Blasenentzündungen, offene Stellen am Körper sind weniger geworden. Nach "20 Jahren sitzen" fühle er sich nun "wie ein ausgetauschter Mensch". Seitlinger ergänzt: "Wenn Menschen mit Lähmungen wieder regelmäßig gehen können, leben sie wesentlich gesünder."

Mittlerweile hat Tech2People ein weiteres 150.000 Euro teures Exoskelett gekauft, vier Therapeuten betreuen die Einheiten, die im Orthopädischem Spital Speising stattfinden. 150 Patienten nützen regelmäßig das Angebot. In einer Stunde legen sie bis zu 1500 Schritte zurück.

Trainingszentrum in der Seestadt

Das Unternehmen ist auf Geldgeber angewiesen, damit es sich rechnet, wie Seitlinger einräumt. Und damit eine Stunde um 120 Euro angeboten werden kann. Etwa 25 Euro sind von der Krankenkasse rückerstattbar. "Viel zu wenig", kritisiert Seitlinger. 

So wie viele andere Unternehmen musste auch Tech2People in der Corona-Krise den Betrieb schließen. Doch trotz der finanziell angespannten Situation nach der Pandemie blickt er optimistisch in die Zukunft. Denn die Nachfrage nach den Therapien ist hoch. Aktuell läuft eine Finanzierungsrunde für das geplante Therapiezentrum auf 500 Quadratmetern im Wiener Stadtentwicklungsgebiet Seestadt.

Damit noch mehr Menschen mit Querschnittslähmung ihren Rollstuhl für ein paar Momente in die Ecke stellen können.