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Das Mattersburger Pyramidenspiel

Von Karl Leban

Wirtschaft

Der Krimi um die Commerzialbank schlägt hohe Wellen in Wirtschaft und Politik - eine Übersicht.


Seit fast zwei Monaten hält die Bilanzfälschungsaffäre um die behördlich gesperrte Commerzialbank Mattersburg die Öffentlichkeit in Atem. Es ist bereits der zweite Bankskandal im Burgenland binnen 20 Jahren - nach der Bank Burgenland. Der Schaden, mit dem zahlreiche Sparer - Firmen und Privatpersonen - konfrontiert sind, ist enorm. Er beläuft sich nach letzten Schätzungen auf bis zu 690 Millionen Euro.

Gleichzeitig gibt der Fall viele Rätsel auf. Wie konnte es sein, dass ein Geldinstitut über mehr als zwei Jahrzehnte betrügerische Machenschaften verfolgte, ohne dass den Kontrollinstanzen - Aufsichtsrat, Bilanzprüfern und Bankenaufsicht - etwas auffiel? Die Justiz ist jedenfalls mit einer komplexen Causa beschäftigt.

Mit der Bank, die sich seit Ende Juli offiziell in Konkurs befindet und nun liquidiert werden soll, ist auch der Fußball-Bundesliga-Klub SV Mattersburg in die Pleite gerutscht. Ihn hatte der im Zuge der Zwangsschließung zurückgetretene Bankchef Martin Pucher als Vereinspräsident über Jahrzehnte aufgebaut und mit zig Millionen Euro an Sponsorgeldern der Commerzialbank unterstützt.

Für einen Überblick über den hochbrisanten wirtschaftlichen Kriminalfall, für den es im Burgenland sogar eine eigens eingerichtete "Soko Commerz" gibt, hat die "Wiener Zeitung" sieben Punkte zusammengetragen:

  • Wer sind die Verantwortlichen des Finanzskandals?

Als Mastermind für die Malversationen gilt Martin Pucher, der langjährige Vorstandsvorsitzende der Commerzialbank, die 1995 nach Streitigkeiten über die Geschäftsausrichtung aus dem Raiffeisen-Sektor rausgeschmissen worden war. Aber auch der Co-Vorständin Franziska Klikovits wird vorgeworfen, die Bilanzen der Bank gemeinsam mit Pucher über Jahrzehnte gefälscht zu haben. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.

  • Welche Masche wurde bei den Betrügereien angewendet?

Je nach Bedarf haben Pucher und Klikovits die Jahresbilanzen regelmäßig zurechtfrisiert. Zuletzt war mehr als die Hälfte der mit rund 800 Millionen Euro angegebenen Bilanzsumme fingiert, wie sich Mitte Juli - bei Auffliegen der Affäre - herausgestellt hat. Entsprechende Guthaben der Commerzialbank bei anderen österreichischen Banken existierten demnach gar nicht, die zugehörigen Belege waren gefälscht. Den Hauptteil des fraglichen Betrages machten vorgebliche Guthaben von je 40 bis 65 Millionen Euro bei acht großen heimischen Instituten aus. Dem nicht genug, erfanden Pucher und Klikovits Kreditgeschäfte, um Zinserträge vortäuschen zu können. Teilweise wurden unter den Namen realer Kunden der Commerzialbank Kredite eröffnet, teilweise wählten Pucher und Klikovits aber auch vollkommen unbeteiligte Personen aus öffentlichen Verzeichnissen aus. Zudem wurden Vorwürfe laut, dass Pucher zahlungsunfähigen Kreditnehmern, darunter ein ehemaliger Vorstand der Bank, unter der Hand Bargeld übergeben habe, welches diese mittels fingierter Rechnungen in ihre Firmen schleusen konnten. Abschreibungen auf notleidende Kredite, die in der Bank wiederum einen Kapitalbedarf ausgelöst hätten, sollten so verhindert werden.

Schon in den 1990er Jahren soll Pucher vom rechten Weg abgekommen sein. Das Rad, das er hier gedreht hat, ist dabei immer größer geworden - "wegen hochtrabender Geschäfte, Zuwendungen an den Fußballklub und strengerer Anforderungen betreffend Kapitalpuffer", wie es in ersten Einschätzungen hieß.

Nach Darstellung Puchers soll über all die Jahre der Betrieb der Bank mit ihren rund 70 Mitarbeitern das meiste Geld verschlungen haben (Personalkosten etc.). Pucher selbst hat sich als Vorstandschef ein - gemessen an der Größe der Bank - ziemlich fürstliches Jahressalär von rund 360.000 Euro zugestanden.

  • Hat die Pleite der Commerzialbank negative Auswirkungen auf den österreichischen Bankensektor?

Nein - die FMA betrachtet die Commerzialbank jedenfalls als nicht systemrelevant für den heimischen Finanzmarkt. Dafür ist die Bank, die lediglich regional - an acht Filialstandorten im Bezirk Mattersburg - tätig war, aufgrund ihrer zuletzt bezifferten Bilanzsumme von knapp 800 Millionen Euro viel zu klein. Zum Vergleich: Laut FMA liegt die Bilanzsumme aller Banken in Österreich bei etwa 900 Milliarden Euro.

  • Haben die Kontrollinstanzen versagt?

Es scheint so, aber für Klarheit sollten hier die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sorgen. Der Abschlussprüfer TPA, der die Bilanzen von 2006 bis 2018 geprüft hatte, und die Aufsichtsräte der Commerzialbank (alles lokale Honoratioren mit eher freundschaftlichen Verbindungen zu Pucher) stehen unter Druck, weil die relativ simpel gestrickten Bilanzmanipulationen jahrelang nicht entdeckt wurden.

  • Wer sind die großen Geschädigten des Skandals?

Eine Reihe heimischer Unternehmen - vor allem der Konzertveranstalter Barracuda, der über Einlagen von 34 Millionen Euro verfügte, die Wiener Tech-Firma Frequentis (31 Millionen Euro) und die Wiener Wohnbaugesellschaft EGW Heimstätte (30 Millionen Euro). Zum Kreis der großen Geschädigten zählen daneben auch die landeseigene Energie Burgenland AG, die ein Guthaben von 5 Millionen Euro hatte, sowie mehrere burgenländische Kommunen, bei denen von insgesamt 6 Millionen Euro die Rede ist. Indes zahlt die Einlagensicherung all jenen Sparern, die bei der Bank Guthaben von jeweils bis zu 100.000 Euro hatten, die jeweiligen Sparbeträge voll aus. Zuletzt ging sie davon aus, in Summe bis zu 490 Millionen Euro auszahlen zu müssen. Ein Großteil davon ist den betroffenen Sparkunden bereits überwiesen worden.

  • Kann Ex-Bankchef Pucher zur Schadenswiedergutmachung beitragen?

Nein - bei Pucher ist nichts zu holen. Er sitzt auf einem Schuldenberg von 65 Millionen Euro und hat sich für pleite erklärt. Seit 27. August läuft ein Privatkonkursverfahren gegen ihn. Die Bank selbst ist mit rund 528 Millionen Euro überschuldet.

  • Hat der Skandal um die Commerzialbank auch politische Folgen?

Ja - seit Ende August ist ein U-Ausschuss im Burgenländischen Landtag fix. Dabei sollen vor allem die politischen Beziehungen der Commerzialbank und ihres früheren Chefs unter die Lupe genommen werden. Landeshauptmann Doskozil (SPÖ) will indes eine Amtshaftungsklage gegen die Republik einbringen. Das Burgenland zähle auch zu den Geschädigten. Aus seiner Sicht haben Justiz- und Aufsichtsbehörden versagt.