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Bahn reden, Lkw leben

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
Der Güterverkehr findet kaum auf der Schiene, und hauptsächlich auf der Straße statt.
© getty images/Tetra images RF

Landauf, landab als saubere Alternative zur Straße gepriesen, kämpft die Schiene nach wie vor mit massiven Wettbewerbsnachteilen. Bahnindustrie-Präsident Kari Kapsch fordert nun ein Maßnahmenpaket.


Ziemlich leer fuhr die Bahn im Lockdown durch Österreich. Auch wenn sie mittlerweile wieder deutlich mehr Personen und Güter transportiert, so ist sie noch weit von ihrer Auslastung vor der Pandemie entfernt. Derzeit liegt die Auslastung der Güterwaggons bei 70 Prozent des Vor-Corona-Niveaus, der Personenverkehr liegt bei 60 Prozent.

Die Menschen fahren lieber mit ihrem Auto, Güter werden vermehrt mit dem Lkw transportiert. Doch es ist nicht nur die Pandemie, die der Bahn zu schaffen macht. Es sind vielmehr die unzähligen Wettbewerbsnachteile gegenüber der Straße. Der Verband der Bahnindustrie fordert deshalb nun die Behebung dieses Wettbewerbsnachteils.

Der Güterverkehr auf der Schiene nahm bereits vor der Pandemie ab. In den vergangenen drei Jahren sank der Schienen-Güterverkehr von jährlich 107 Millionen Tonnen auf 102 Millionen Tonnen. Im selben Zeitraum stieg der Straßen-Güterverkehr von 537 Millionen Tonnen auf 574 Millionen Tonnen (siehe Grafik).

Laut Bahnindustrie-Präsident Kari Kapsch gibt es dafür mehrere Gründe: Er verweist auf die durchschnittlichen Mautgebühren bei Bahn und Lkw. 4,50 Euro kostet der Kilometer auf der Schiene. Österreich gehört damit zu den teuersten EU-Ländern - nur Estland und Polen heben eine höhere Maut ein.

Bei der Lkw-Maut gibt es unterschiedliche Kategorien, die sich an der Größe des Fahrzeuges orientieren. Der höchstmöglichste Tarif liegt bei 47 Cent pro Kilometer - zehnmal billiger als bei der Bahn. Für Kapsch eine untragbare Situation. "Die Kosten für die Gesellschaft sind beim Lkw-Transport wesentlich höher, wenn wir etwa an Unfälle, Luftschadstoffe und Lärm denken", sagt er. "Wir fordern daher eine Miteinberechnung dieser Kosten, damit hier künftig Kostenwahrheit herrscht."

Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber der Straße bestehen auch bei der Besteuerung von Bahnstrom im Gegensatz zur Begünstigung bei der Mineralölsteuer (Dieselprivileg). Zudem haben Unternehmen stets Straßenanschlüsse, die meist öffentlich finanziert werden. Schienenanschlüsse seien dagegen grundsätzlich privat zu errichten. Zudem könne der Lkw-Verkehr im Gegensatz zur Bahn die Schadstoff-Grenzwerte nicht einhalten.

"Fatal für die Klimaziele"

"Es ist deutlich ersichtlich, dass es hier eine massive Wettbewerbsverzerrung gibt, wodurch die Schiene einen erheblichen Kostennachteil hat", sagt Kapsch. "Gerade jetzt in einer wirtschaftlich sehr angespannten Phase, in der der Schienenverkehr eingebrochen ist, ist es daher wichtig gegenzusteuern."

Das gelte nicht nur für den Güterverkehr, sondern auch für den Personenverkehr der Bahn. Derzeit werde der Bahnbereich noch künstlich mit Corona-Entlastungsinstrumente wie etwa Kurzarbeit und Staatsgarantien gestützt. "Sobald es diese nicht mehr gibt, droht eine Entlassungswelle im Bahnbereich", warnt Kapsch. "Im Hinblick auf die Klimaziele wäre das fatal."

Dem drohenden Rückgang des Bahnverkehrs könnte laut Kapsch aber mit schnell umsetzbaren Maßnahmen entgegengewirkt werden:

Er fordert die Aussetzung des Infrastrukturbenützungsentgelts (IBE) für Güterfahrten bis zumindest Ende 2020 und danach eine Senkung um 50 Prozent. "Hier gibt es zwar schon Bewegung seitens Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler. Jedoch wurden nach wie vor keine konkreten Zahlen genannt."

Schienenanschlüsse an Betriebe

Weiters soll der Bahnstrom von der Elektrizitätsabgabe befreit werden. "Mit 15 Euro pro Megawattstunde (MWh, Anm.) hat Österreich den EU-weit höchsten Steuersatz auf Bahnstrom. Dieser Umstand verzerrt den Wettbewerb zugunsten des Straßengüterverkehrs, aber auch zugunsten des Flugverkehrs massiv. Die momentan niedrigen Dieselpreise bedingt durch die Corona-Krise verschärfen dieses Ungleichgewicht zusätzlich."

Die Abgeltung von Investitionen in den Bau sowie der Renovierung von Schienenanschlüssen an Betriebe ist eine weitere Forderung der Bahnindustrie. "Wir müssen schauen, dass wir Güter von Anfang an auf die Schiene bekommen. In diesem Kontext besteht auch dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Modernisierung von Regional- und Nebenbahnen", sagt Kapsch.

Die Vereinfachung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs durch die Harmonisierung im Sinne des "Green Deal" ist ein weiterer Punkt. "Ein weiterer wesentlicher Nachteil, den die Schiene in Europa gegenüber der Straße und der Luft hat, ist die fehlende Harmonisierung des Bahnverkehrs in Europa. Aktuell muss ein Güterzug, der von Rotterdam nach Nova Zagora ans Schwarze Meer fährt, neun Mal den Lokführer wechseln und insgesamt 5 verschiedene Zugssicherungssysteme durchfahren. Das 4. Eisenbahnpaket, das EU-weit Ende Oktober in Kraft tritt, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Harmonisierung, dem aber noch viele weitere folgen müssen."

Laut Gewessler soll das IBE bis Ende 2020 umgesetzt werden, die konkreten Zahlen würden dann vom Güterverkehrsaufkommen auf der Schienen abhängen. Weiters habe auch die Frage nach stärkerer Kostenwahrheit einen wichtigen Stellenwert in der Bundesregierung. Gewessler verweist auf das Regierungsprogramm. In diesem sei die Senkung der Abgabe auf Bahnstrom auf ein europäisches Durchschnittsniveau vorgesehen. Ein Förderprogramm für Anschlussbahnen an Betriebe würde das Ministerium bereits heute anbieten. Es müsse aber noch Geld für die Modernisierung der Regional- und Nebenbahnen in die Hand genommen werden.