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Titelreiches Österreich

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Visitenkarten-Austausch: Hierzulande darf der Doktor oder Magister nicht fehlen.
© Boggy - stock.adobe.com

Kaum ein Land kennt so viele Namenszusätze, mit denen sich der Status in Beruf und Gesellschaft anheben lässt.


Experten für internationale Business-Etikette glauben es zu wissen: Die Österreicher stehen auf Titel. Sie sind beeindruckt von denen der anderen und stolz auf ihre eigenen. Sie drucken sie auf Visitenkarten und aufs Briefpapier, führen sie in der E-Mail-Signatur an, lassen sie in Pass und Führerschein eintragen und schmücken damit ihre Briefkästen und Türschilder.

Ob nun das Klischee von den titelgeilen Österreichern stimmt oder nicht: In kaum einem anderen Land gibt es so viele Titel wie hierzulande. Wenn sich jemand damit auskennt, dann der Jurist Heinz Kasparovsky. Er ist Abteilungsleiter für Internationales Hochschulrecht und Anerkennungsfragen im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) und Autor der kürzlich im Verlag von Austrian Standards erschienenen 6. aktualisierten und erweiterten Auflage von "Titel in Österreich".

Der Begriff "Titel" versteht sich dabei als Sammelbezeichnung für alle personenbezogenen Namenszusätze. Deren gibt es massenhaft: 1.580 in Österreich offiziell vorhandene Wortlaute von Titeln in insgesamt 2.187 Erscheinungsformen sind in dem Werk aufgelistet, das im Jahr 1999 erstmals aufgelegt worden war.

Hilfsbrückenmeister und Master of Light and Lighting

Akademische Grade und Ehrentitel, Berufsbezeichnungen, Amtstitel im Bundes- sowie im Landesdienst, Titel von Kirchen und Religionsgemeinschaften: Die österreichische Titellandschaft ist bunt und vielfältig. Man staunt, was es abseits von Doktoren, Magistern, Hofräten und Ingenieuren noch so alles an Namenszusätzen gibt. Der Archivoberrevident befindet sich ebenso auf der Liste wie der Hilfsbrückenmeister und der Master of Light and Lighting.

Die entsprechenden Abkürzungen sind ein Kapital für sich. Der Bogen spannt sich von kurz und knapp wie "AR" für Amtsrat oder "MA" für Master bis zu Ungebilden wie "AgrBauOKmsr NÖ LRg".

Seit der ersten Auflage hat sich einiges getan. So haben durch die Bologna-Reform in der Hochschulausbildung Doktor, Magister und Diplom-Ingenieur - akademische Grade, die dem Namen vorangestellt werden - , Konkurrenz durch Bachelor und Master bekommen. Sie werden nachgestellt. Kasparovsky empfiehlt, zwischen dem Familiennamen und dem nachgestellten akademischen Grad einen Beistrich zu setzen. Man könnte sonst glauben, die Abkürzungen MAS oder MA seien Bestandteil des Familiennamens, was im Ausland für Verwirrung sorgen könnte. Ein Beispiel: "In China ist ‚Ma‘ ein gängiger Familienname", so Kasparovsky.

Im Übrigen muss niemand seinen akademischen Grad in den Reisepass oder Führerschein eintragen lassen oder ihn im Antragsformular für eine Kundenkarte oder Fitnessclubmitgliedschaft anführen, sondern kann ihn nach Belieben verwenden.

Auch Ingenieure und Ingenieurinnen dürfen die Eintragung ihrer Titel - es handelt sich dabei um Qualifikationsbezeichnungen - in amtlichen Urkunden verlangen. Allen anderen Titelträgern ist dies verwehrt - mit einer Ausnahme: Unter den Berufsbezeichungen gibt es den handwerklichen Meistertitel (abgekürzt "Mst." bzw. "Mst.in"), der 2018 im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) auf Stufe 6 eingeordnet und somit dem Bachelor gleichgestellt wurde.

Meister und Meisterinnen aufgewertet

Seit August 2020 kann der Meister auch in amtliche Urkunden eingetragen und - so wie ein akademischer Grad - vor dem Namen geführt werden. Auf den Bachelor-Titel haben Handwerksmeister und -meisterinnen jedoch keinen Anspruch. Sie können daher nach positiv absolvierter Meisterprüfung auch kein Masterstudium beginnen. "Der Bachelor-Abschluss und die Meisterprüfung gelten vom Qualifikationsniveau her als gleichrangig, aber nicht als gleichartig", sagt Heinz Kasparovsky.

Im Unterschied zu früheren Ausgaben von "Titel in Österreich" enthält die aktuelle Fassung auch Amtstitel, Verwendungs- und Funktionsbezeichnungen im Landesdienst. Allein zehn Seiten nimmt Niederösterreich ein, wo es originellerweise neben dem "Wirklichen" auch noch einen "Vortragenden Hofrat" gibt. Vergleichsweise bescheiden nimmt sich Salzburg aus. Hier genügt eine Seite, um alle Namenszusätze von Landesbediensteten aufzuzählen.

Man könnte annehmen, dass im Bundesdienst, wo es immer weniger Beamte und immer mehr Vertragsbedienstete gibt, die Zahl der Titel weniger wird. Doch das Gegenteil ist der Fall, konstatiert Kasparovsky: "Die Titel wegnehmen - das geht nicht. Daher gibt man sie allen, auch den Vertragsbediensteten. Und damit werden sie mehr."

Eigene Kapitel widmen Kasparovsky und Co-Autorin Ingrid Wadsack-Köchl den Titeln aller in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie Beispielen ausländischer Titel.

Den Abschluss des systematischen Teils bildet ein Kapitel über die Führung bei einem Zusammentreffen mehrerer Arten von Titeln in einer Person. Mehrere Titel derselben Kategorie dürfen grundsätzlich kumulativ geführt werden. Dass ein höherrangiger akademischer Grad einen vorher erworbenen niederrangigen aufhebt, gehört ins Reich der Mythen. Auch wenn viel Platz auf der Visitenkarte benötigt wird: Otto Ehrenfreund darf ruhigen Gewissens BSc, MSc und PhD anführen, wenn er meint, damit seinen gesellschaftlichen Status zu verschönern. Einen "Dr. mult." gibt es übrigens nicht, auch "cand. med." entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.

Beim Doktortitel ist Differenzierung geboten

Im Geschäftsleben macht immer noch der Doktortitel am meisten Eindruck. Doch hier ist eine Differenzierung geboten. Kasparovsky: "Man muss sich anschauen: Ist es ein echtes Doktorat, und wo ist es gemacht worden? Ist es überhaupt ein wissenschaftliches Doktorat?"

So würden etwa im anglo-amerikanischen Raum, aber auch in Mitteleuropa, berufsbegleitende DBA-Programme boomen, mit denen man den Titel "Doctor of Business Administration" erwirbt. Mit einer Forschungsarbeit habe dieses "Doktorat" aber nichts zu tun.