In Österreich ist 2017 ein groß angelegtes Baukartell mit jahrelangen Preisabsprachen aufgeflogen, in das dutzende Firmen verwickelt sein sollen. Jetzt gibt es zu dem vermutlich bisher größten Kartell in Österreich den ersten Bußgeldantrag der Wettbewerbshüter – gegen vier Bauunternehmen. Über die Strafhöhe hat das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) als Kartellgericht zu befinden. Geschädigt wurde vor allem die öffentliche Hand als Auftraggeber.
Ende Oktober ist der Bußgeldantrag verschickt worden, teilte die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) am Freitag mit. Bei den betreffenden Firmen handelt es sich um eine Muttergesellschaft mit drei Töchtern, bis zum Fall einer Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Namen gibt es vorerst keine, die nennt die Behörde nicht vor einer rechtskräftigen Entscheidung.
Im konkreten Fall der vier Firmen umfassen die vermuteten Zuwiderhandlungen etwa Preisabsprachen, Marktaufteilungen, den Austausch wettbewerbssensibler Informationen sowie die Bildung kartellrechtswidriger Arbeits- und Bietergemeinschaften. "Die Absprachen betreffen einen Zeitraum von zumindest 2002 bis 2017", so die Behörde.
Es gab etliche Hausdurchsuchungen
Aktuell wird zum Baukartell von insgesamt rund 1.800 Bauaufträgen ausgegangen, zu denen sich 40 Firmen im besagten Zeitraum zu Preisen sowie zur Aufteilung von Kunden und Märkten abgesprochen haben sollen. Nach Einschätzung von Insidern handelt sich dabei vermutlich um das bisher größte Kartell der Zweiten Republik. In die Ermittlungen war seit 2017/2018 auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) involviert, es gab laut Medienberichten etliche Hausdurchsuchungen.
Die Absprachen sollen im gegenständlichen Fall der vier Unternehmen viele Bereiche betroffen haben: im Hochbau Büro- und Wohngebäude, Friedhöfe, Kasernen, Wasserkraftwerke, Strafanstalten, Parkplätze, Parks, Kindergärten und im Tiefbau den Straßen-, Brücken-, Erd- und Gleisbau, Bahnhöfe sowie den Kanal- und Leitungsbau. In früheren Medienberichten wurden zu den Absprachen des Baukartells etwa auch die Pyhrnautobahn, die Karawankenautobahn und der Koralmtunnel genannt.
Geschädigt wurde durch die illegalen Machenschaften überwiegend die öffentliche Hand als Auftraggeber, nämlich direkt zu rund zwei Drittel, heißt es bei den Ermittlern. Es betraf also Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden), aber auch zu rund einem Fünftel öffentliche Unternehmen und nur zu etwa 15 Prozent Privatfirmen.
Das Gesamtvolumen der betroffenen Bauprojekte im Sektor öffentliche Hand dürfte sich in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe bewegen, hieß es schon im Vorjahr. "Kartellabsprachen führen generell zu Ausschaltung beziehungsweise Minimierung des Wettbewerbs", hielt die BWB am Freitag fest. "Dadurch besteht die Gefahr, dass Auftraggeber höhere Preise für Aufträge bezahlen müssen. Die erhöhten Ausgaben führten zu höheren Staatsausgaben. Dies wiederum belastet den Steuerzahler und die Steuerzahlerin."
Ein ausgeklügeltes System
In Medienberichten der vergangenen Jahre wurden im Zusammenhang mit den Baukartell-Ermittlungen mehrfach auch die Bauriesen Porr, Strabag und Swietelsky genannt, die selbst intern Untersuchungsberichte erstellt oder Absprachen an die Behörden gemeldet haben. Solche eher kooperativen Konzerne kommen eher erst später konkret ins Visier, schätzen Brancheninsider. Auch von Geständnissen, die Mitarbeiter abgelegt hätten, war die Rede. Am Freitag wollte zum Beispiel die Strabag gar nichts sagen. Es hieß nur, man hoffe auf einen raschen Verfahrensabschluss. Die Porr betonte indes: "Wir kooperieren selbstverständlich vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden."
Eine Kartellstrafe kann bis zu zehn Prozent des letztjährigen Konzernumsatzes ausmachen. Im konkreten Fall hat die BWB zu den vier Firmen keine Bußgeldhöhe vorgeschlagen, sondern nur eine "angemessene Kartellbuße" beantragt. Damit will die Behörde dem Kartellgericht maximalen Spielraum geben. Denn bei einem bestimmten Betrag könnte das Kartellgericht nicht mehr höher gehen. Abhängig ist die Strafhöhe auch davon, ob es ein Schuldeingeständnis beziehungsweise eine Kooperation gibt, was ein Milderungsgrund wäre.
Aus Sicht der Ermittler steckte hinter dem Baukartell eine enorme kriminelle Energie. Es handelte sich um ein ausgeklügeltes System von Absprachen, das jahrelang praktiziert wurde. Neben einer Kartellbuße könnte es auch zu strafrechtlichen Verurteilungen kommen. (apa)