Es sollte ein Vorzeigeprojekt sein. Das Kaufhaus Österreich, ein Online-Händler-Verzeichnis, soll den regionalen Handel unterstützen. Bei Nutzern wie der Opposition erntete das Portal gleich nach dem Start aber nur Häme. Die Suchmaschine funktioniert schlicht nicht. Viele Händler sind nicht gelistet. Mit der Datenschutzgrundverordnung haperts auch ordentlich. Die Kosten für die Website laut Wirtschaftsministerium: 627.000 Euro.
Gerrit Heinemann ist der Meinung, dass der x. Online-Marktplatz dem stationären Handel nicht wirklich helfe. "Wir brauchen keinen weiteren Rohrkrepierer", sagt der Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Niederrhein. Das könne nicht funktionieren, so der E-Commerce-Experte. "Das Marktplatzfieber scheint ein sich schnell verbreitendes und kaum zu stoppendes Virus zu sein", sagt Heinemann. Wunderlicherweise wollen nun auch Bundesregierungen mitmachen. Den Uni-Professor wundert die "Arroganz der Politik", dass sie meine, es besser zu können als alle anderen. "Und es wird anderen, die es besser könnten oder schon besser machen, leider nicht zugetraut", sagt Heinemann.
Online-Marktplätze können Umsatzersatz nicht leisten
Bei der ganzen Aktion gehe es laut dem Experten um eine andere Frage. Nämlich nicht so sehr, die regionalen Händler an die Digitalisierung heranzuführen, sondern vielmehr um eine Ersatzmöglichkeit für den stationären Umsatz. "Wir haben uns schon vor zehn Jahren damit beschäftigt und haben festgestellt, dass die einzige Möglichkeit, echte Volumina zu erzielen - ohne eigenen Onlineshop - wäre, auf einem etablierten, großen Marktplatz präsent zu sein, der ganz viel Reichweite hat", so Heinemann. Aber selbst das sei nur ein "Aerosol auf den heißen Stein", sagt und der Professor rechnet vor: "Nimmt man die Anzahl der Marktplatzpartner und das gesamte Handelsvolumen brutto (GMV), ergibt sich ein durchschnittlicher GMV bei Ebay etwa um die 90.000, bei Amazon um die 150.000 Euro. Das gleicht den entgangenen Umsatz nicht aus, sondern bindet Kapazitäten und Ressourcen der kleinen Händler, was sie vom nackten Überleben vielmehr abhält."
Risikokapital für Startups wäre klügeres Investment mit Steuergeld
Um als kleiner Händler zu überleben, helfe vielmehr eine Initiative wie etwa "Händler machen mobil". In Mönchengladbach haben sich Händler ohne digitale Voraussetzungen nach dem ersten Lockdown in den sozialen Medien, wie Instagram, präsentiert, ihr Sortiment gezeigt, ihre Kontaktdaten gezeigt und permanent auf sich aufmerksam gemacht. Sie haben die extrem große Reichweite von sozialen Netzwerken genutzt, waren ständig erreichbar und haben selbst mit Lastenfahrrädern den Kunden in der Stadt die Ware geliefert. "Diese Händler haben fast ihre kompletten Umsatzausfälle ausgleichen können. Das wird ein Online-Marktplatz niemals schaffen", sagt Heinemann. Um Amazon und Co hier wirklich die Stirn zu bieten, sei es zu spät, das habe man in Europa "verpennt", sagt Heinemann.
Es brauche laut dem E-Commerce-Experten vielmehr staatliches Risikokapital für Startups, die etwas vergleichbares aus dem Boden stampfen wollen und weniger Regularien und Vorschriften für diese Gründer. Das Geld müsse aber auch aus der Wirtschaft kommen. "Es hat auch was mit Patriotismus zu tun", sagt Heinemann. Warum investieren Unternehmen und Unternehmen in Europa in Startups im Silicon Valley - und nicht in Europa? Genug Kapital gebe es hier, auch in Österreich und Deutschland, gibt Heinemann zu bedenken.
"Jeder Online-Marktplatz ergibt Sinn, wo ich gefunden werden kann"
Christian Spath sieht das etwas anders. "Jeder Online-Marktplatz ergibt Sinn, wo ich gefunden werden kann", sagt der Geschäftsführer des Startups Vouchercube. Das Gutschein- und Digitalisierungslösungen anbietet. Doch auch Spath merkt an, dass es in Österreich bereits ganz gute Initiativen gebe, die auch seit einiger Zeit bereits draußen sind und auch etwa von der WKÖ unterstützt werden. "Die haben mit weniger Geldaufwand definitiv einen größeren Output. Das ist schlecht gelaufen!", kommentiert Spath das "Kaufhaus Österreich".
Die Seite, so wie sie ist, ergebe keinen Sinn, sagt Spath. Zwei Beispiele, die relativ gut funktionieren aus Österreich: anna kauft, eine regionale Meta-Suchmaschine, die sich aus allen möglichen Listen speist. Vom Kurier, Falter, Nunu Kaller usw. und von wenigen Leuten in kürzester Zeit im ersten Lockdown aufgestellt wurde und online ist. Oder etwa der Bauernladen, der Produkte von 1300 landwirschaftlichen Betrieben in Österreich vermittelt.
Das Kaufhaus Österreich sei laut Spath auch kein staatliches Amazon, kein Online-Marktplatz, sondern eher "ein Linkportal, wie es in den 90er Jahren Altavista war - und das noch schlechter", so der E-Commerce-Experte. Das Gelächter sei da natürlich groß, wenn nach Produkten nicht gesucht werden könne oder wenn bei einem Suchergebnis auf Amazon verlinkt würde. Das passiere, wenn "zu viel auf die User Experience geschaut wird und zu wenig auf den Inhalt", so Spath. Auch er fragt sich: Warum geift man nicht auf etwas zurück, das eh schon funktioniert?
Für Spath sei es wenig zielführend, die PR- und Pressemaschinerie auszurollen, wenn das Produkt vorher nicht fertig sei. Und so ein Produkt müsse wachsen können. "Wenn nicht einmal die Kammermitglieder richtig informiert wurden, dass es das gibt und dass sie sich da eintragen lassen können, dann gibt es offensichtlich ein Kommunikationsproblem", so der Marketing.Experte. Für Spath müsse es Digital mehr Fokus auf Kreislaufwirtschaft geben. "Ich muss E-Commerce-Kreisläufe mit Druck und viel Arbeit aufbauen. Aber die Entwicklung vom Bauernladen etwa hat gezeigt, dass es seine Zeit braucht, bis sich eine Reputation aufbaut", so Spath. Bis man Reichweite, Reputation und Content bekomme dauere es. Ein Schulterschluss mit Shöpping wäre für den Experten naheliegender gewesen. "Die einen haben die Technologie und Logisitik, die Kammer hat die Wirtschaftstreibenden." Oder etwa Nice Shops in der Steiermark. Das verdiene eher die Bezeichnung "kleines österreichisches Amazon", so Spath. Die haben Logistik, Lagerwirtschaft und Bieten Händlern Service. In den vergangenen Jahren haben sich die Umsatzzahlen toll entwickelt, so Spath.
Zur Kritik äußert sich die Wirtschaftskammer insofern, als dass sie seit Kurzem selbst ja nur Projektpartner sei. "Via Firmen A-Z hat die WKÖ das BMDW unterstützt, Händlerinnen und Händler anzusprechen, sich für das Kaufhaus Österreich zu registrieren." Für Details sei das Wirtschaftsministerium zuständig. Auch das Bundesrechenzentrum verweist per Email darauf, sich bei Fragen an das Ministerium zu wenden. Dieses wiederum kommentiert die Kritik damit, dass nun einmal erst der Startschuss erfolgt sei und "Schritt für Schritt" daran weitergearbeitet werde. Das Projektteam arbeite "aktuell und intensiv gemeinsam mit den Händlern daran, die Kategorisierung im Kaufhaus Österreich zu verbessern." Sowie: "An Verbesserungsmaßnahmen wird intensiv und laufend gearbeitet. Sie werden ab sofort kontinuierlich freigeschaltet, sobald sie verfügbar sind. In einem ersten Schritt werden Produktnamen wie ZB "Schuhe" mit der Kategoriensuche verknüpft, um bessere Suchergebnisse zu liefern."