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Weniger Deo, mehr Schokolade: Was wir uns heuer geleistet haben

Von Monika Jonasch

Wirtschaft
Im Corona-Lockdown betätigten sich viele als Hobby-Bäcker. Germ und andere Backzutaten waren zeitweise schwer zu bekommen.
© Kotarl - stock.adobe.com

Wer braucht schon Kaugummi, Deodorant und Make-up im Homeoffice? Kochen, Heimtraining und Brot-Backen standen hingegen 2020 hoch im Kurs. Eine launige Rundschau unter jenen Produkten, die uns heuer am meisten und am wenigsten interessierten.


Wie riecht es in österreichischen Heimbüros? Diese Frage möchte man womöglich gar nicht beantwortet wissen. Immerhin geht aus einer Erhebung der Branchenplattform "Kosmetik transparent" hervor, dass sich die Österreicher seit dem ersten Lockdown weniger pflegen und aufhübschen.

Herausragend ist dabei die Verwendung von Deos, die im ersten Lockdown um 15,6 Prozent zurückging und immer noch ein Minus von 5,6 Prozent aufweist. Die Österreicher und Österreicherinnen verzichten darüber hinaus nach wie vor deutlicher als je zuvor auf Make-up, Lippenstift und Haarspray. Wozu auch, wenn es niemand zu schätzen weiß, weil aufgrund von Social Distancing kein Mensch außerhalb der eigenen vier Wände einem anderen nahekommen darf?

Ein ähnliches Schicksal erlitt der sonst so beliebte Atemerfrischer, der Kaugummi. Bei Videokonferenzen gibt es bekanntlich keine Geruchskomponente, wozu also kauen? Auch die allseits präsenten MNS-Masken schützen nicht nur einen selbst, sondern auch die Mitmenschen vor üblem Mundgeruch.

Kaugummi in der Krise

"Der Kaugummi ist in der Krise!" titelte die renommierte "Süddeutsche Zeitung" daher unlängst. Grund dafür sei nicht nur der Mangel an menschlicher Nähe, konstatierten dazu die Experten. Auch der Platzmangel im Supermarkt-Kassenbereich, wo Plexiglaswände Einzug hielten, sowie die gänzlich auf Vorrat umgestellten Regale machten den Kaugummi-Kauf weniger impulsiv. Aber ist das Phänomen auf Deutschland beschränkt? Mitnichten, erfährt man auf Nachfrage bei Spar Österreich: "Ja, es stimmt, auch bei uns ist Kaugummi derzeit nicht so gefragt."

Nudeln und Mehl statt Kaugummi, das ist ein völlig anderes Einkaufsverhalten, so weit so logisch. Aber schon wird am Mehrwert des Kaugummis gewerkt, damit er wieder lieber in den Mund genommen wird. Die Hersteller wollen künftig Vitamine und Probiotika in die Gummimasse mengen, auf dass uns das Kauen eben als gesundheitsfördernde Tätigkeit wichtig erscheinen möge.

Auch der Kaugummi-Beitrag zur Zahngesundheit wird erneut hervorgestrichen, obwohl doch schon auf Wikipedia nachzulesen ist: "Kaugummis bewirken allgemein einen durch die Kaubewegung erhöhten Speichelfluss, der die für Zähne schädlichen Säuren neutralisiert." Zahnpflegekaugummis sind ja längst bekannt - sie schmecken halt nicht so gut, weil kein Zucker enthalten ist, dafür Mineralien ähnlich wie in der Zahnpasta. Angesichts der aktuell deutlich reduzierten Zahnarztbesuche, die sich wiederum negativ auf die Zahngesundheit auswirken können, ist der Kaugummi womöglich eine kostengünstige Alternative zu schmerzhafteren Problemlösungen im Nachhinein. Auch wenn das Kauen außer im eigenen Mund sonst keinen Eindruck macht.

Immerhin droht auch von anderer Front Ungemach für die Zähne, hat sich doch der Schokoladeverbrauch der Österreicher in der Krise stark erhöht, ergab eine Umfrage des Linzer Market Instituts im Auftrag des Schokoriegel-Herstellers Neoh.

So griff jeder Siebente von uns seit dem Lockdown vermehrt zu Tafel oder Riegel. Normalerweise essen drei Viertel der Österreicher einmal pro Woche Schokolade. Seit den Ausgangsbeschränkungen aufgrund von Covid-19 im März hat sich der Konsum für 15 Prozent der in Österreich lebenden Menschen allerdings erhöht. Gründe hierfür ortet die Umfrage in Einsamkeit, Isolationsstress und der Nähe zum heimatlichen Schokovorrat.

Mangelware Germ

Die Österreicher brauchen halt einfach etwas zum Draufbeißen, besonders wenn sie in der Krise dauernd mit den Zähnen knirschen müssen. Also haben sich viele dem Kochen zugewandt. Wohl nicht ganz freiwillig, immerhin waren die Kantinen und ein Großteil der Gastronomie über längere Zeiträume geschlossen. Da kochte man halt, in zweifacher Hinsicht, so vor sich hin.

Zu erkennen war das neue, landesweite Hobby an der Vorratslage in den Supermärkten während des ersten Lockdowns besonders deutlich: Germ, Backpulver und sonstige Zutaten für Brot und Kuchen waren plötzlich Mangelware. Diese Beobachtung konnte auch von Seiten heimischer Supermarkt-Betreiber bestätigt werden. "Bei den Lebensmitteln waren im ersten Lockdown Germ und Hefe besonders nachgefragt. ebenso Salz (plus 250 Prozent), Parmesan (doppelte Menge) und Popcorn (doppelte Menge)", heißt es von Spar Österreich.

Im zweiten Lockdown hingegen sei das schon wieder kein Thema mehr gewesen, und überhaupt gab es da auch sonst nichts mehr, was speziell gefragt gewesen wäre. Allerdings: "Was man aber jetzt im Herbst bemerken konnte, war, dass alle Backzutaten für Kekserl deutlich früher und deutlich mehr als sonst gekauft wurden." Der mittlerweile krisenerfahrene Österreicher hat also seine Weihnachtbäckerei länger vorausgeplant - immerhin kündigte sich der zweite Lockdown schon eine ganze Weile an.

So, da saßen wir also alle herum, kochten uns fein ein, gingen wenig aus dem Haus - und legten in der Krise ordentlich an Gewicht zu. Je nach Studie und Alter der Befragten nahm der Durchschnittsbürger bereits im Frühlings-Lockdown zwischen ein und fünf Kilo zu.

Der Corona-Speck musste also schnell wieder weg. Im Online-Handel wurden Sportgeräte daher schnell zu Bestsellern. Die heimische Shopping-Plattform Shöpping reiht diese Warengruppe für heuer auf den zweiten Platz, gleich hinter den Geräten fürs Home Office.

Fahrrad-Boom

"Bei Hervis im Sporthandel haben im ersten Lockdown vor allem die Fahrräder reißenden Absatz gefunden. Jetzt im Spätherbst war es alles, was mit Schitouren in Verbindung steht. Das geht weg wie warme Semmeln!" heißt es dazu von Spar Österreich.

Und nachdem auch in Haus und Garten heuer kräftig investiert wurde, war doch der Sommer verordneterweise großteils heimatverbunden, boomten die Swimmingpools in heimischen Gärten. So verzeichnet das Marktforschungsinstitut Branchenradar allein bei den Edelstahl-Varianten heuer einen Zuwachs von über zwanzig Prozent, wobei die preisgünstigeren Exemplare deutlich die Nase vorne hatten. Kleinere Planschbecken zum Selbstaufstellen sind da übrigens gar nicht inkludiert.

Aber es gibt eben auch Sportmuffel, manche würden sogar sagen, das sei eine typisch österreichische Charaktereigenschaft. Daher werfe man noch einen kurzen Blick auf sonstige Erkenntnisse aus dem Online-Handel und neben diversen Fitness-Accessoires landete auch die Kuscheldecke ganz vorne unter den weltweit beliebtesten Produkten. Frei nach dem Motto: Wo die zwischenmenschliche Wärme zu kurz kommt, muss anderweitig nachgeholfen werden.

Freuen konnte sich auch der heimische Handel diesbezüglich, so heißt es vom Traditionsunternehmen Betten Reiter aus Leonding, Pölster und Decken, insbesondere aus Fairtrade-Baumwolle, gerne auch bio und regional, hätten den Trend zum Cocooning heuer angeführt. Man gönnte sich ja sonst nichts.

Alkohol ist dein Sanitäter in der Not, Alkohol ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot", schmetterte Herbert Grönemeyer einst schon. An dieser Bedürfnislage hat sich im Corona-Jahr 2020 wenig verändert. Dezente Umfragen unter ansonsten zurückhaltenden Personen des erweiterten Bekanntenkreises hatten es schon längst bestätigt: Man hielt sich heuer öfter zu Hause am Glaserl fest als sonst.

"Sekt am Sofa"

Dies bestätigt auch die Sektkellerei Henkell Freixenet, die sich per Aussendung freute, dass der Umsatz, der heuer bei größeren Feiern, insbesondere in Sachen Champagner, entfiel, durch "Sekt am Sofa" ausgeglichen werden konnte.

Angesichts behördlich verordneter, deutlich schaumgebremster Feiertätigkeit zu Weihnachten und dem Jahreswechsel dürfte sich dieser Trend fortsetzen.  Na dann, Prost, hoffentlich ist 2020 bald vorbei!