Zum Hauptinhalt springen

Lange Durststrecke für die Nachtgastronomie

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
Ausgehen, tanzen, Spaß haben: Das geht in Zeiten von Corona nicht. Nachtschwärmer müssen sich noch in Geduld üben.
© vchalup - stock.adobe.com

Seit fast einem Jahr herrscht Stillstand in Bars, Clubs und Diskotheken. Allein in Wien sind 24.000 Arbeitsplätze davon betroffen.


Wenn andere Lokale zusperren, geht es bei ihnen erst richtig los: In Clubs, Bars, Diskotheken und Jazzkellern wird die Nacht zum Tag. Zum Leidwesen jener, die gerne Cocktails schlürfen, coole Musik abseits des Mainstreams genießen, oder zu Discobeats abtanzen, flirten und anbandeln, liegt die Nachgastronomie seit fast einem Jahr darnieder. Ob und wann es jemals wieder so sein wird wie früher, steht in den Sternen. Allein in Wien gibt es 700 Betriebe der Nachtgastronomie mit 24.000 Mitarbeitern, die im Jahr rund eine Milliarde Euro Umsatz erwirtschaften.

Warten auf Durchimpfung

Normalität werde in der Gastronomie erst dann wieder eintreten, "wenn alle durchgeimpft sind", sagt der Wiener Gastronomie-Obmann Peter Dobcak. Die Branche hofft auf einen ersten Öffnungsschritt Mitte März und hat wie berichtet bereits ein Sicherheitskonzept vorgelegt. Eintritt für Gäste nur mit negativem Coronatest ist die eine Maßnahme. Parallel dazu soll wieder ein Contact Tracing einführt werden, am besten über das Mobiltelefon. "Gerade in der Nachtgastronomie sollte das kein Problem sein. Die Gäste sind ziemlich ‚digitalisiert‘ und es außerdem gewohnt, dass sie beim Eingang von einem Türsteher kontrolliert werden", so Dobcak. Der Erfolg der Maßnahmen hänge vom Kooperationswillen der Gäste ab.

Die Nachtgastronomie ist die von den Maßnahme zur Eindämmung der Coronapandemie am stärksten betroffene Branche. Ab Dienstag, 17. März 2020, mussten Bars, Clubs und Diskotheken im Gleichklang mit Restaurants, Wirtshäusern und Cafés schließen. Bei der Wiedereröffnung Mitte Mai war die Nachtgastro nicht dabei, denn die Sperrstunde wurde mit 23 Uhr festgelegt. Schon damals forderten Clubbetreiber Klarheit darüber, wie es mit ihrem Geschäft in der Coronakrise weitergehen sollte, denn nur bis 23 Uhr öffnen zu dürfen, war keine Option. Es folgte die Ausweitung der Sperrstunde bis 1 Uhr früh.

Mit den steigenden Infektionszahlen im Herbst mehrten sich Stimmen, die Sperrstunde wieder vorzuverlegen. Drei Bundesländer - Tirol, Salzburg und Vorarlberg - taten dies auch. Am 3. November mussten alle Gastronomiebetriebe bundesweit wieder schließen.

"Öffnungsgipfel" in der Wirtschaftskammer

Die Wirtschaftskammer macht nun massiv Druck für eine rasche Öffnung aller Branchen und präsentiert heute, Donnerstag, in einem "Öffnungsgipfel" ihre Sicherheitskonzepte für den Kunst- und Kulturbereich, Gastronomie und Hotellerie sowie Freizeitwirtschaft.

Wenn wieder geöffnet werden darf, wäre eine zu frühe Sperrstunde nicht im Sinne der Nachtgastronomie. Hjalmar Al-Serori, 28, Betreiber des kleinen Clubs Celeste in Wien-Margarethen, sagt: "Wenn wir wieder aufsperren dürfen, aber um acht oder neun Uhr wieder zumachen müssen, dann ist das komplett lächerlich."

Das Geschäft spielt sich in den Nachtstunden ab. Sein Lokal gehört zu jenen, die bis in die frühen Morgenstunden geöffnet haben. Corona-Tests zu kontrollieren sei schon machbar, sagt Al-Serori. Er glaubt aber nicht, dass sich jemand testen lassen würde, nur um bei ihm auf ein Getränk gehen zu dürfen. Außer es würde eigene Teststationen direkt vor Ort geben. Das sei aber kostspielig, und es müsste dafür eine Förderung geben.

Die Stimmung in der Branche sei im Keller. Nur herumzusitzen und auf den Fixkostentuschuss zu warten, mache ihm keinen besonders großen Spaß, so der junge Gastronom, dessen fünf Angestellte in Kurzarbeit sind. Auf die Frage, womit er sich die Zeit vertreibt, sagt er: "Abgesehen davon, dass ich wieder begonnen habe, Sprachen zu lernen: Nichts, absolut nichts."

Wie überlebt er die schwere Zeit? "Ich habe über eine Crowdfunding-Kampagne an die 10.000 Euro eingesammelt, und die Miete ist gestundet. Damit bin ich bis jetzt über die Runden gekommen. Aber langsam geht mir die Luft aus", gesteht er.

Die Luft bereits ausgegangen ist zuletzt dem Besitzer des Wiener Kultlokals "Nachtasyl", Dan Lestrade. Er müsse sein Lokal für immer zusperren, gab er am Montag auf Facebook bekannt. "Da ich das Lokal erst 2020 übernommen habe, habe ich leider absolut keinen Anspruch auf einen Fixkostenzuschuss oder andere Unterstützungen. Ich musste die letzten Monate also großteils aus eigener Tasche finanzieren. Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem die Taschen leer sind", schrieb Lestrade.

Studenten bangen um Nebenjobs

Der Sprecher der Vereinigung Österreichischer Nachtgastronomen (VÖNG), Stefan Ratzenberger, weist noch auf ein anderes Problem hin: "Von den 24.000 Menschen, die in der Wiener Nachtgastronomie arbeiten, sind 18.000 Studentinnen und Studenten, die sich auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung etwas dazuverdienen", weiß er. Er werde für sie schwer sein, in der Tagesgastronomie unterzukommen, um sich das Studium weiter zu finanzieren.

"Wir haben bereits im vergangenen Frühsommer dem Gesundheitsministerium konkrete Konzepte zur Wiedereröffnung einer ‚Nachtgastronomie light‘ vorgelegt", erinnert Ratzenberger. Dazu gehört auch das Freitesten, das es bisher aber nur für körpernahe Dienstleistungen wie Friseurbesuche, nicht aber für Lokale, Kinos und Kulturevents gibt.

Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer verwies im Vorfeld des heutigen Gipfels auf die umfassenden Sicherheitskonzepte, die die heimischen Tourismus-, Freizeit-, Kunst- und Kulturbetriebe seit Beginn der Pandemie entwickelt haben. "Alle Branchen bekennen sich zu Eintrittstests, sie sind der Schlüssel für weitere Öffnungsschritte im März", so Mahrer. Es werde auch regelmäßige Tests für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben.