Der heimische MNS-Hersteller Hygiene Austria, eine Tochter von Palmers und Lenzing, ist Ziel einer Razzia geworden. Das Unternehmen soll Masken aus China zu österreichischen Masken umetikettiert haben. Durchsuchungen erfolgten an zwei Adressen - in der Donau-City-Straße 11 in Wien bei Palmers sowie in Wiener Neudorf, wo auch die Hygiene Austria ihren Produktionsstandort hat.
"Hintergrund sind Ermittlungsergebnisse, wonach im Ausland produzierte FFP2-Masken an einem Unternehmensstandort in Österreich umgepackt und als in Österreich produzierte Marken zu einem höheren Preis verkauft worden sein sollen und für das Umpacken der FFP2-Masken sollen Personen ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung tätig gewesen sein", sagte Oberstaatsanwältin Elisabeth Täubl von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Gespräch mit der APA.
Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug
Es werde ein Ermittlungsverfahren gegen namentlich bekannte Personen sowie gegen noch näher zu bestimmende Verantwortliche eines österreichischen Unternehmens im Zusammenhang mit dem Verkauf von FFP2-Masken "wegen des Verdachts der organisierten Schwarzarbeit sowie schweren gewerbsmäßigen Betrugs" geführt.
Hygiene Austria weist die Vorwürfe zurück. Über die vergangenen zehn Monate habe die Hygiene Austria LP eine moderne Maskenproduktion mit mehreren hundert Mitarbeitern in Wiener Neudorf aufgebaut. "Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen werden der österreichische Lebensmittelhandel, namhafte Industrieunternehmen und damit die österreichische Bevölkerung mit Millionen hoch qualitativer Masken optimal versorgt", betonte das Management.
Laut WKStA wurden an zwei Unternehmensstandorten Hausdurchsuchungen mit richterlicher Bewilligung durchgeführt. Bei den Durchsuchungen waren demnach ein Oberstaatsanwalt der WKStA, Beamte des Landeskriminalamts (LKA) Niederösterreich, des Bundeskriminalamts (BKA) sowie der Finanzpolizei im Einsatz, hieß es gegenüber der APA.
Die Schadenshöhe ist laut Oberstaatsanwältin noch Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Die Zuständigkeit der WKStA ergebe sich "derzeit primär aufgrund ihrer ausschließlichen Zuständigkeit für das Delikt der organisierten Schwarzarbeit".
Masken von Hygiene Austria befinden sich auch im Bestand des Parlaments. Diese seien aber nicht direkt bezogen worden. Vielmehr habe es sich um einen "Abruf bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG)" gehandelt, so die Parlamentsdirektion.
Für wen und in welcher Stückzahl die Bundesbeschaffungsagentur BBG außerdem noch Masken der Hygiene Austria gekauft hat, lässt sich zunächst nicht vollständig klären - die BBG hat nach eigenen Angaben gestern aus den Medien von den Hausdurchsuchungen erfahren, wie es auf Anfrage der APA hieß. Wie viele Masken die BBG bei der Hygiene Austria in Auftrag gegeben hat und für welche Behörden oder staatsnahe Betriebe sie bestimmt waren, wollte die BBG auf Anfrage nicht verraten. Laut EU-weiter Ausschreibung (https://opentender.eu/at/search/tender) hat es für den 420 Millionen Euro schweren Auftrag 50 Bieter gegeben.
Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben von der Hygiene Austria 576.000 FFP2-Masken mit CE-Zertifikat über die Bundesbeschaffungsagentur aus einem Rahmenvertrag abgerufen, wie ein ÖBB-Sprecher am Mittwoch zur APA sagte. Nun wolle man die Ermittlungen der WKStA abwarten.
In besonders hohen Stückzahlen wurden Schutzmasken vom Einzelhandel in Umlauf gebracht. "Wir haben die Berichte mit Sorge zur Kenntnis genommen, weil wir viele dieser Masken bewusst eingekauft haben", erklärte Spar-Sprecherin Nicole Berkmann auf Anfrage der APA. Man habe dazu bereits Gespräche "auf hoher Ebene" geführt. Die von Spar an seine Kunden abgegebenen Masken seien sicher, betonte die Sprecherin. "Wir haben die 100-prozentige Rückverfolgbarkeit, dass die von uns gekauften Masken auf jeden Fall in Österreich am Standort in Wiener Neudorf hergestellt worden sind." Auch die Rohware stamme aus Österreich, "und es liegen uns auch für unsere Masken Prüfgutachten vor, dass es sich wirklich um FFP2-Masken-Qualität handelt". Daher werde man die Masken wie bisher an Mitarbeiter und Kunden abgeben.
Auch der Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Bipa, Penny) hat mehrere Millionen Masken von Hygiene Austria bezogen. "Wir prüfen das derzeit intern und sind in Kontakt mit Hygiene Austria", sagte Rewe-Sprecher Paul Pöttschacher. Momentan seien die Masken weiter im Verkauf, man prüfe die Qualität aber intern via Qualitätsmanagement. Rewe hat Masken auch vom steirischen Produzenten Aventrium, aber auch aus China bezogen.
Der Diskonter Lidl Österreich hat nach eigenen Angaben keine Masken von Hygiene Austria bezogen.
"Fehlen von ordentlichen Ausschreibungsverfahren"
"Der Verdacht, der im Raum steht zeigt, wie wichtig die Einsetzung des kleinen Untersuchungsausschusses zum Krisenmanagement der Regierung war", reagierte Neos-Fraktionsführer Douglas Hoyos in einer Aussendung auf den Vorfall bei Hygiene Austria. Vor allem das "Fehlen von ordentlichen Ausschreibungsverfahren" und auch "dubiose Beschaffungsvorgänge in den letzten Monaten" hätten, gepaart mit der "Intransparenz der Regierung", den kleinen Untersuchungsausschuss nötig gemacht. "Wir werden uns in den nächsten Monaten intensiv mit den Maßnahmen und vor allem den Beschaffungen der Regierung auseinandersetzen", kündigte Hoyos an. Der Coronamasken-Hersteller Hygiene Austria werde dabei nur ein Teil dessen sein.
"Wenn dieser Vorwurf stimmt, dann ist das der nächste Skandal, für den die Bundesregierung - und allen voran Kanzler Kurz - die volle Verantwortung trägt", meinte FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer Dienstagabend. Der Kanzler höchstpersönlich habe Hygiene Austria zum Firmenstart gratuliert. "Wenn sich der Verdacht bestätigt, dass dort nicht Masken produziert, sondern lediglich China-Masken umetikettiert wurden, wofür sich der Kanzler dann auch noch im Namen der Republik bedankt, dann wäre das ein Skandal der Extraklasse", so Hofer. Zu hinterfragen wäre etwa, wie viele Masken von der Republik Österreich zu welchen Konditionen bei Hygiene Austria eingekauft worden seien, ob die Qualität der Masken kontrolliert worden sei - und wenn ja, von wem und wie, und wo die bei Hygiene Austria bezogenen Masken zum Einsatz gekommen seien und in welcher Stückzahl.
"Während in Österreich Hunderttausende Menschen keinen Job haben, machten andere das Geschäft ihres Lebens - wir bringen morgen dazu eine Anfrage an Sebastian Kurz ein", kündigte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried via Twitter in Reaktion auf die Razzia bei Hygiene Austria an. In der Anfrage werde es unter anderem darum gehen, was der Bundeskanzler wusste. (apa)