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Neue Brisanz im Fall Hygiene Austria

Wirtschaft
Einen Teil ihrer Corona-Schutzmasken hat die Firma Hygiene Austria in China zugekauft, umetikettiert und dann unter "Made in Austria" landesweit vermarktet.
© Wiener Zeitung / Moritz Ziegler

Schiefes Licht durch die Zusammenarbeit mit einer inzwischen insolventen Leiharbeitsfirma, die im Verdacht steht, unrechtmäßig Kurzarbeitsgeld erhalten zu haben. Die Opposition will jetzt einen "kleinen" U-Ausschuss.


Die Masken-Affäre rund um Hygiene Austria sorgt weiter für Schlagzeilen. Wie nun bekannt wurde, hat eine der Leiharbeitsfirmen, deren Dienste der Wiener Neudorfer Maskenproduzent in Anspruch nimmt, Kurzarbeitsgeld kassiert. Und das wiederholt und "möglicherweise zu Unrecht", so die Anwältin Ulla Reisch, die den Konkurs der AD Job Assist GmbH abwickelt. Reisch sprach am Dienstag im ORF-Radio von einem "massiven Eindruck", der sich da bei ihren Erhebungen aufgedrängt habe. Was an Brisanz noch dazukommt: Laut einer Mitteilung der Finanzbehörde vom 21. Jänner 2021 ist die seit Ende 2020 insolvente AD Job Assist GmbH gemäß dem Sozialbetrugsbekäpfungsgesetz als Scheinunternehmen einzustufen.

Ebenfalls als Scheinfirma (gemäß §8 dieses Gesetzes) hat der Fiskus laut "Wirtschaftscompass" die Steady Global Partners GmbH, eine weitere Partnerin der Hygiene Austria, identifiziert. Der Tageszeitung "Der Standard" zufolge soll es insgesamt vier Personaldienstleister geben, die für die gemeinsame Firma von Lenzing und Palmers gearbeitet hätten - teils mit schlechter Bonität und teils ohne Gewerbeberechtigung für die Arbeitskräfteüberlassung.

Kocher: Arbeitsinspektorate kontrollierten mehrfach

Die Arbeiterkammer (AK) hat inzwischen nach eigenem Bekunden ein paar Mitarbeiter gefunden, die bei der Hygiene Austria als Leiharbeitskräfte tätig waren. Diese hätten am Mittwoch einen Termin mit der AK. Daneben stehe die Arbeiterkammer auch in Kontakt mit der Gewerkschaft, die ebenfalls am Recherchieren sei. Einen Betriebsrat gebe es trotz der Betriebsgröße nicht, so die AK.

Hygiene Austria ist bereits im Visier der Justiz. In der Vorwoche gab es am Produktionsstandort in Wiener Neudorf und in der Wiener Palmers-Zentrale Hausdurchsuchungen. Im Zuge der Razzien räumte Hygiene Austria ein, dass ein Teil der Corona-Schutzmasken in China zugekauft, umetikettiert und unter "Made in Austria" vermarktet wurde. Neben dem Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betruges geht die Staatsanwaltschaft aber auch dem Verdacht der organisierten Schwarzarbeit nach.

Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sagte am Dienstag, dass Hygiene Austria von den Arbeitsinspektoraten mehrfach kontrolliert worden sei. Man habe jedoch "keine Unregelmäßigkeiten entdeckt". Hier liege möglicherweise ein kriminelles Handeln vor, das die Aufdeckung von Missständen erschwere, meinte Kocher.

ATX-Konzern Lenzing mit China gut vernetzt

Zu Wochenbeginn hat der oberösterreichische Faserkonzern Lenzing, der an der im Frühjahr 2020 gegründeten Hygiene Austria mit 50,1 Prozent die Mehrheit hält, überraschend seine beiden Geschäftsführer und auch seine Mitarbeiter aus dem Joint-Venture abgezogen. Seinem Partner Palmers warf das börsennotierte Unternehmen vor, die Aufklärung des Falls zu verhindern. Die Lenzing AG, deren Rolle in der Affäre nach wie vor höchst unklar ist (schließlich gilt sie mit China als gut vernetzt, sie hat dort mehrere Werke), will nun einen Schlussstrich unter das Kapitel Hygiene Austria ziehen. Vor diesem Hintergrund hat sie angekündigt, dass zukünftig ein Wirtschaftstreuhänder ihre Anteile an dem Maskenhersteller verwalten werde.

Der verbliebene Geschäftsführer der Hygiene Austria, Palmers-Vorstand Tino Wieser, sagte, Lenzing habe den Kontakt gekappt, dort hebe niemand mehr ab. Er wies die Vorwürfe zurück, auch dass Hygiene Austria nicht angemeldete Leiharbeiter beschäftigt habe. Man habe sich dreier Personalbereitsteller bedient und sich jeden Monat Auszüge der Sozialversicherung und des Finanzamts vorlegen lassen, um zu überprüfen, ob alle Mitarbeiter korrekt angemeldet sind. Lenzing betonte am Dienstag, die Causa nicht mehr weiter kommentieren zu wollen.

Der Masken-Skandal treibt auch die Oppositionsparteien um. SPÖ, FPÖ und Neos sehen in der Causa nur die "Spitze des Eisberges" dubioser Beschaffungen der türkis-grünen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Deshalb wollen sie diese Vorgänge in einem "kleinen" Untersuchungsausschuss unter die Lupe nehmen, wie sie am Dienstag ankündigten. Falls das nicht reicht, sollte es einen parlamentarischen Covid-Untersuchungsausschuss geben.

Masken nicht in Österreich verzollt

Die von der Hygiene Austria aus China importierten FFP2-Masken gingen nicht in Österreich durch den Zoll, schreibt die "Presse". Es sei unklar, in welchem anderen EU-Land - und ob überhaupt - die Masken verzollt wurden. "Die Kontrollen in Österreich seien so streng, dass vielen Unternehmern viel Geld verloren ging, weil sie ihre Masken nicht durch den Zoll brachten", schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen "Insider".

Auch eine falsche Deklaration der Masken sei denkbar. "Wir haben den Eindruck, dass viele gefälschte Dokumente als Konformitätsnachweis vorgelegt werden", hieß es bei der European Safety Federation (ESF) zur "Presse". Das gelte insbesondere für Importe aus China.

Bisher liegen die Dokumente von Hygiene Austria der Öffentlichkeit nicht vor. Das Unternehmen sagte zur "Presse": "Wir werden alle Fragen sammeln und dazu öffentlich Stellung nehmen. Wir sind sehr zuversichtlich, dann alle Missverständnisse aufzuklären." Das Finanzministerium habe noch nicht offiziell überprüft, ob die Masken in Österreich ordnungsgemäß verzollt wurden. (kle)