Die MAN-Zentrale in München hat eine Woche nach dem Nein der Belegschaft zur Übernahme des Standorts Steyr durch Investor Siegfried Wolf Schritte zur Schließung des Werks eingeleitet. "Als eine der ersten Maßnahmen werden wir die Anzahl der Leiharbeitnehmer am Standort von 278 in den nächsten Wochen um zunächst rund die Hälfte reduzieren. In einem weiteren Schritt werden wir uns auch von den übrigen Leiharbeitnehmern trennen", teilte München der APA mit.
Ziel sei gewesen, das Werk unter einem neuen Eigentümer mit einer neuen Perspektive zu erhalten. Nachdem dieser "Plan A" abgelehnt worden sei, "setzen wir jetzt den angekündigten 'Plan B' der Schließung konsequent um. Einen 'Plan C' gibt es nicht", stellte der Konzern klar.
Zudem beginnen Verhandlungen über den Sozialplan, da der bisherige an eine Übernahme durch Wolf geknüpft war. Eine entsprechende Einladung wurde der Arbeitnehmervertretung überstellt.
Schließung könnte VW Milliarden kosten
Die geplante Schließung des Werks könnte die deutsche Konzernmutter VW Milliarden kosten, glaubt der Linzer Zivilrechtsexperte und Rektor der Johannes Kepler Universität (JKU), Meinhard Lukas. Weil es für das Werk nicht nur einen Standortsicherungsvertrag gebe, sondern einen Kündigungsverzicht seitens des Unternehmens, würden im Falle einer Schließung Kündigungsentschädigungen bis zum Jahr 2030 fällig werden, sagte Lukas auf Anfrage der APA.
"Entscheidend ist, dass diese Vereinbarung, die im Dezember 2019 geschlossen wurde, nach meinen Informationen mehr enthält als eine übliche Standortsicherung", sagte Lukas. "Sie enthält, so ist mein Informationsstand, einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.2030 für alle Beschäftigten." In diesem Fall handle es sich um einen Kündigungsverzicht und nicht bloß um eine Standortgarantie.
In Österreich sehe das Arbeitsverfassungsgericht einen Katalog zulässiger Vereinbarungen in Betriebsvereinbarungen vor, erklärte Lukas. "Irgendwelche Standortsicherungen abstrakter Natur können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, ein Kündigungsverzicht aber schon", so der Jurist. "Aber selbst, wenn das keine gültige Betriebsvereinbarung ist, kann das Inhalt der einzelnen Verträge der Arbeitnehmer geworden sein." Dazu gebe es eine Judikatur des OGH.
Für den Kündigungsverzicht hätten ja die Arbeitnehmer auch eine Gegenleistung erbringen und ihrerseits auf Rechte verzichten müssen. "Dann spricht viel dafür, dass diese Regelung, selbst wenn die Betriebsvereinbarung nicht gültig wäre, über das Invollzugsetzen zwischen Arbeitgeber und individuellem Arbeitnehmer auf diesem Weg Inhalt des Vertrages geworden ist."
Die praktische Konsequenz einer Werksschließung und Kündigungen wären Kündigungsentschädigungen für die entgangenen Löhne, "da sprechen wir aufsummiert über die Jahre über Milliardenbeträge", so Lukas. Für die Höhe der Entschädigungen wären auch Einkommen aus neuen Jobs zu berücksichtigen.
Geklärt werden könnte der Rechtsstreit arbeitsgerichtlich, wenn der erste Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt wird, es wäre aber auch jetzt schon eine Feststellungsklage möglich, so der Zivilrechtsexperte.
Die Rechtsmeinung des Uni-Professor Wolfgang Mazal, der im Auftrag von MAN ein Gutachten erstellte, teilt Lukas nicht. Mazal hatte darauf hingewiesen, dass die österreichische Vereinbarung an eine deutsche Rahmenvereinbarung gebunden sei. Da diese aufgehoben wurde, sei auch die in Österreich ausgesetzt, so Mazals Argument. Lukas sieht das anders: "Wenn diese Vereinbarung in Vollzug gesetzt worden ist und damit auch MAN diese Regelung in Anspruch genommen hat und die Abgeltungsregeln zu Lasten der Mitarbeiter gegenüber der Vergangenheit bereits umgesetzt wurden, dann ist auch dieser Kündigungsverzicht in Wirkung gelangt und kann durch die Aufhebung des Rahmenvertrages nicht verloren gehen." (apa)