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Nach 116 Schließtagen: "Keule wird kommen"

Wirtschaft

Auch in Ostösterreich dürfen die Geschäfte wieder öffnen. Nach den vielen Lockdown-Tagen hoffen die Händler auf den Aufschwung.


Nun haben auch Wien und Niederösterreich ihren gesamten Handel wieder geöffnet. Nach 116 Lockdown-bedingten Schließtagen in den beiden Bundesländern - 104 waren es im Burgenland, 90 im Westen - ist die Hoffnung groß, dass der Nachholbedarf der Konsumenten frisches Geld in die Kassen spült.

Der Handel im Osten hat insgesamt 1,95 Milliarden Euro Umsatzverluste zu verbuchen. Allein eine Milliarde davon entfällt auf die Wiener Händler, gibt der Handelsverband an. Er schätzt, dass nur ein Viertel davon wieder wettgemacht wird.

Die Frequenz sei am Öffnungstag, dem Montag, ganz gut gewesen, die Kunden allerdings noch zaghaft, meldet Margarete Gumprecht, Handelsobfrau der Wirtschaftskammer Wien. Sie schätzt die Umsatzeinbußen im Wiener Non-Food-Handel auf 15 bis 20 Prozent. Einholen ließe sich das nicht mehr. Sobald die staatlichen Hilfen nachließen und Rückzahlungen fällig seien, könnte eine Pleitewelle anrollen. "Nach einem Jahr Pandemie und 116 Schließtagen sind die Reserven aufgebraucht. Diese Keule wird kommen", erwartet sich Gumprecht.

Jobs auf der Kippe

Je kleiner der Betrieb, je weniger digital und je abhängiger vom Tourismus, desto dicker das Minus, befürchtet der Handelsverband. Mit Ausnahme des Lebensmittelhandels sei die Lage dramatisch. Jedes zehnte Geschäft hat seinen Betrieb bereits eingestellt, die Hälfte der Händler hat massive Existenzängste. Zehntausende Jobs stünden auf der Kippe. "Diese Öffnung ist für unsere Branche extrem wichtig, denn jetzt stehen auch die doppelten Gehälter an und die verdienen sich nicht von selbst", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Besonders schwer zu verschmerzen sind in diesem Zusammenhang die derzeit noch geschlossenen Cafés und Restaurants sowie die fehlenden Touristen. Sie sind für den Handel wichtige Frequenz- und Umsatzbringer. Laut einer RegioData-Studie haben Touristen aus dem Ausland im Vorkrisenjahr 2019 immerhin 4,2 Milliarden Euro im heimischen Handel ausgegeben.

"Den nötigen Umsatzturbo werden die Touristen bringen, die wir durch die angekündigten Öffnungen am 19. Mai in der Gastronomie und Hotellerie wieder bei uns begrüßen dürfen", erhofft sich daher Rainer Trefelik, Obmann der Bundesparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

Mittlerweile fast schon eine Tradition nach jedem Lockdown ist hingegen die Meldung von Seiten der "körpernahen Dienstleister" über volle Terminkalender für die nächsten Wochen. Dies bestätigen am Öffnungsmontag wieder einmal Marcus Eisinger, Innungsmeister der Wiener Friseure, sowie Petra Felber, Innungsmeisterin der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure.

Erholung in Sicht

Nach harten Einbußen werden sich die österreichischen Non-Food-Händler und -Hersteller 2021 schnell erholen, prognostiziert eine aktuelle Studie der Strategieberatung Stategy& von PwC (PricewaterhouseCoopers). Im Non-Food-Segment in Österreich könnte nach einem Minus der Bruttowertschöpfung von 11,4 Prozent 2020 bereits heuer wieder ein Umsatzplus von 4,9 Prozent erzielt werden.

Damit würde das Wachstum hierzulande zwar moderater als im europaweiten Schnitt (2021: +5,3 Prozent) ausfallen. Die heimische Handelsbranche wurde allerdings im Vergleich genauso stark von den Corona-Folgen getroffen. Erst 2023 werden die Jahresendergebnisse sowohl in Österreich als auch in Europa wieder über dem Vorkrisenlevel von 2019 liegen, lautet die Prognose.

"Die Geschwindigkeit des Wiederaufschwungs für Hersteller und Händler im Konsumgüterbereich hängt davon ab, wie gut Unternehmen auf das veränderte Shopping-Verhalten eingehen können. Kunden kaufen mehr denn je online ein und werden dies auch nach der Pandemie beibehalten", erwartet sich Willibald Kofler, Managing Partner bei PwC Strategy& Österreich.

Hinzu komme, dass sich die Verbraucher verstärkt mit den ökologischen Konsequenzen ihres Konsums auseinandersetzen. Darauf müssten die Unternehmen reagieren, unterstreicht er.

Darüber hinaus seien resiliente Lieferketten ab sofort ein Muss. Unternehmen sollten hierbei auf mehrere Alternativen, insbesondere auf regionale Zulieferer, setzen. Dies käme auch dem Nachhaltigkeitsbedürfnis der Konsumenten entgegen.(mojo)