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Jenseits von Afrika

Von Karl Leban

Wirtschaft
Es gilt, einen riesigen Markt mit vielen Chancen zu entdecken: Bisher hat die österreichische Exportwirtschaft Afrika stark vernachlässigt.
© getty images / Marco VDM

Österreichs Exportwirtschaft hat auf dem 54 Länder zählenden Kontinent bisher noch kaum Fuß gefasst. Dabei gäbe es viel Marktpotenzial, heißt es seitens der Wirtschaftskammer.


Für die meisten österreichischen Exporteure ist Afrika ein großer dunkler Fleck auf der Landkarte. Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin in der Wirtschaftskammer, spricht von einem "Kontinent des ungenutzten Marktpotenzials für Österreich". Zahlen verdeutlichen das: Waren im Wert von gerade einmal rund 2 Milliarden Euro exportiert die heimische Wirtschaft derzeit nach Afrika, das entspricht lediglich 1,3 Prozent ihrer gesamten Exportleistung.

Schweden, von der Größe her mit Österreich vergleichbar, aber ein gutes Stück weiter von Afrika entfernt, schafft laut Kühnel umgerechnet etwa 750 Millionen Euro mehr. Frankreich bringt es in Afrika als größter EU-Exporteur auf rund 27 Milliarden Euro, seine Vergangenheit als Kolonialherr in etlichen Ländern des Kontinents spielt dabei aber wohl eine nicht unerhebliche Rolle.

"Aus diesen Vergleichen müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen und unsere Chancen erkennen", sagt Kühnel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die "Außenwirtschaft Austria", die Internationalisierungsagentur der österreichischen Wirtschaft mit Sitz in Wien und Büros in rund 100 Städten weltweit, "sieht jedenfalls sehr viel Potenzial für Österreichs Wirtschaft und ist bestrebt, den afrikanischen Markt als große Chance für heimische Unternehmen zu bewerben". Allein im Jahr 2019 habe die Organisation zu Afrika insgesamt rund 30 Veranstaltungen im In- und Ausland durchgeführt.

Alpla, AVL, Doppelmayr und Skidata schon gut etabliert

"Es gibt viele Hürden, die man nehmen muss, um erfolgreich im Afrikageschäft zu sein", so Kühnel. "Wenn man das aber einmal geschafft hat, zahlt es sich auch aus." Aus der letzten Erhebung der Wirtschaftskammer geht hervor, das 2016 mehr als 90 Prozent der Unternehmen einen operativen Gewinn im Afrikageschäft erwirtschafteten. Gut 80 Prozent der Firmen kamen auf eine Gewinn-Marge von mehr als 5 Prozent, und 60 Prozent erreichten zweistellige Margen. "Das spricht für sich", unterstreicht Kühnel. "Wer über den Tellerrand schaut und den Mut aufbringt, in Afrika zu investieren, wird belohnt."

Der dort bei Weitem wichtigste Einzelmarkt für Österreichs Exportwirtschaft ist Südafrika mit Ausfuhren im Wert von 608 Millionen Euro (2019), gefolgt von Algerien (278 Millionen Euro) und Ägypten (215 Millionen Euro). Als Beispiele für österreichische und international erfolgreiche Markteintritte in Afrika gelten etwa der Vorarlberger Verpackungsmittelhersteller Alpla, der dank eines Joint-Ventures und einer Firmenakquisition bereits über rund 20 Werke verfügt, und der steirische Motorenspezialist AVL List, der Motoren-Prüfgeräte nach Südafrika, Nigeria und Ägypten liefert. Aber auch der Vorarlberger Seilbahnbauer Doppelmayr, der vor allem in Algerien, im Seilbahnland Afrikas, als führend gilt, und die Salzburger Firma Skidata, die mit ihren Zugangssystemen insbesondere im Stadionsektor und in Südafrika im Bereich Parkplätze punkten kann, sind zu nennen.

Noch große Lücken in der lokalen Infrastruktur

"Wer in Afrika eine erfolgreiche Unternehmung etablieren möchte, muss sich eine genaue Strategie überlegen und langfristig an der Entwicklung des Geschäfts arbeiten", sagt Kühnel. Die einzelnen Märkte seien sehr divers. Mit länderübergreifenden Mega-Trends sind Wirtschaftstreibende in Afrika dennoch konfrontiert. Dazu zählt eine rasch wachsende und sich urbanisierende Bevölkerung mit steigender Kaufkraft, eine rasch voranschreitende Industrialisierung sowie großer Aufholbedarf beim Schließen von Infrastrukturlücken, aber auch der gewaltige Ressourcenreichtum des Kontinents sowie die Herausforderungen des Klimawandels und ein Überspringen von Entwicklungsschritten bei der Einführung mobiler und digitaler Technologien.

Erwerbsbevölkerung übertrifft 2034 chinesische und indische

Die Wirtschaft der afrikanischen Länder ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten rasant gewachsen - laut Kühnel im Durchschnitt real um mehr als 60 Prozent. Nach Asien (plus 78 Prozent) ist dies unter den Kontinenten der zweithöchste Wert, der Europa (plus 37 Prozent seit 2000) deutlich übertrifft. Dennoch ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aller 54 afrikanischen Volkswirtschaften zusammen immer noch geringer als die Wirtschaftsleistung Frankreichs.

In Afrika leben gegenwärtig circa 1,3 Milliarden Menschen. Expertenschätzungen gehen davon aus, dass die dortige Erwerbsbevölkerung bis 2034 größer sein wird als jene Chinas und Indiens.

Fünf der zehn Länder mit dem stärksten Wirtschaftswachstum der Welt befinden sich in Afrika: Äthiopien (9 Prozent), Côte d’Ivoire (7,5 Prozent), Ruanda (8,4 Prozent), Senegal (6,8 Prozent) und Ghana (7,9 Prozent). Aber: Kein anderer Kontinent ist wirtschaftlich so von der Landwirtschaft abhängig wie Afrika. Mehr als 60 Prozent aller erwerbstätigen Afrikaner arbeiten in der Landwirtschaft. Der Abbau mineralischer Rohstoffe sowie die Erdölförderung sind mit Abstand die wichtigsten Exportsektoren Afrikas, diese Bodenschätze sind aber höchst ungleich verteilt. Im Süden und im Westen des Kontinents gibt es bedeutende Vorkommen von Gold und Diamanten sowie von Kupfer (vor allem in der Demokratischen Republik Kongo und in Sambia).

Kontinent nur schwach industrialisiert

Ebenfalls ein spezifischer Punkt: Afrika gilt als der am wenigsten industrialisierte Kontinent. Nur Südafrika, Simbabwe und Mauritius haben eine nennenswerte Fertigung. Trotz vieler billiger Arbeitskräfte vor Ort wird ein Großteil der Rohstoffe zur Weiterverarbeitung exportiert. Auf die Industrieproduktion entfällt nur circa ein Drittel des BIP.

Laut Auskunft der Wirtschaftskammer Österreich zufolge gibt es in Afrika rund 400 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde US-Dollar und rund 700 Unternehmen mit mehr als 500 Millionen US-Dollar Jahresumsatz. "Die Verteilung großer Firmen in Afrika ist aber sehr ungleichmäßig", wie es heißt. So ist rund die Hälfte aller großen Unternehmen in Südafrika angesiedelt. Große Firmen in Afrika wachsen indes rascher als ihre Pendants in anderen Teilen der Welt, und es gibt auch einige Erfolgsstorys - etwa jene der Ethiopian Airlines.

Was österreichische Firmen außerdem beachten sollten: In allen Regionen des Kontinents wurde den Ländern durch die Corona-Krise dramatisch die starke Abhängigkeit von Importen für viele Zweige der lokalen Wirtschaft vor Augen geführt. Erklärtes Ziel vieler afrikanischer Regierungen sei es daher, nun die lokale Industrieproduktion auszubauen und zu modernisieren, wie aus der Wirtschaftskammer zu hören ist. Vor allem die Erzeugung von Lebensmitteln, Getränken, Verpackungsmaterial, Baustoffen und Produkten für den Gesundheitssektor sollen entwickelt werden. In den Öl und Gas produzierenden Ländern wie etwa Ägypten, Algerien, Angola und Nigeria hat indes die extreme Volatilität der Weltmarktpreise den Ruf nach Schaffung neuer Einnahmequellen abseits des Verkaufs von Rohstoffen verstärkt.

Lesetipp: Joana Adesuwa Reiterer hat Mode aus Nigeria nach Europa gebracht. Welche Erfahrungen sie dabei machte und warum Afrika ihrer Meinung noch immer nicht fair behandelt wird, erzählte sie der "Wiener Zeitung".