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Sozialpartner für Arbeitsstiftungen gegen Fachkräftemangel

Wirtschaft

Arbeitsmarktprojekte gegen die Krise. Kurzarbeit wird am Dienstag vorgestellt.


Fachkräftemangel trotz Rekordarbeitslosigkeit - dieses Phänomen zeigte sich auch während der Corona-Krise. Bei einem Gipfel der Sozialpartner mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) warnte etwa Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer davor, den Fachkräftemangel im Zuge der fortschreitenden Lockerungen zu unterschätzen: "Der könnte zu einem Bremsklotz für den Aufschwung werden."

Der am Montag von der Wirtschaftskammer organisierte Arbeitsmarktgipfel drehte sich um Maßnahmen, um Beschäftigung zu schaffen, die pandemiebedingt hohen Arbeitslosenzahlen zu senken sowie den hohen Fachkräftebedarf. Die Sozialpartner wollen in den nächsten Wochen und Monaten dutzende Arbeitsmarkt-Pilotprojekte initiieren oder für einen Ausbau lobbyieren, unter anderem geht es um die überregionale Arbeitskräfte-Vermittlung "Ticket2West" sowie eine Umweltstiftung, um Arbeitslose im Rahmen einer Stiftung für "Green Jobs" auszubilden.

Trotz der Lockerungen rechnet Mahrer nicht damit, dass sich Branchen wie die Stadthotellerie, die Flugbranche oder die Event- und Messe-Branche rasch von den Folgen der Pandemie erholen. Deshalb seien hier Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen besonders wichtig, um Arbeitssuchende auch in anderen Berufen einsetzen zu können.

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl sprach sich für den Ausbau von Arbeitsstiftungen aus, um die Arbeitslosenzahlen zu senken, etwa im Bereich der Pflege oder der "Green Jobs". Gleichzeitig nahm sie auch Unternehmen in die Pflicht, ihrer Ausbildungsaufgabe nachzukommen. "Immer mehr Betriebe verabschieden sich von der Lehrlingsausbildung", sagte sie im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz.

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, richtete "fünf Anmerkungen der Industrie" an die Politik: Zum Einen müsse man die Vermittlung von Arbeitskräften fördern. Die Eingliederungshilfen müssten breiter aufgestellt werden, etwa bei Langzeitarbeitslosen. Familie und Beruf müssten besser vereinbar sein, etwa mittels Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr. Zudem sei eine zusätzliche Qualifizierung der heimischen Arbeitskräfte und eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Card für Fachkräfte aus dem EU-Ausland notwendig.

Wolfgang Katzian, Chef des Gewerkschaftsbundes, schlug zum Beispiel eine Arbeitsstiftung für die Pflege vor, wo Arbeitssuchende zwei Jahre lang mit erhöhtem Arbeitslosengeld zu Pflegekräften ausgebildet werden. Im Bereich Umwelt, thermische Sanierung und erneuerbare Energien ortet Katzian viel Potenzial für die Weiterbildung von Arbeitnehmern.

An den bestehenden Zumutbarkeitskriterien für Jobsuchende möchte Katzian nichts ändern. Diese seien schon verschärft worden. Mahrer führte dazu einmal mehr die fehlende Mobilität am Arbeitsmarkt ins Rennen. Die Jobsuchenden sind oft nicht in den Regionen daheim, in denen sie gebraucht würden. Laut Kocher haben seit Herbst vergangenen Jahres 77.000 Menschen eine Aus-, Fort- oder Weiterbildung gemacht.

Neue Kurzarbeit ab Juli

Mit Juni läuft die sogenannte Phase 4 der Corona-Kurzarbeit aus. Heute, Dienstag, soll das neue Modell zur Phase 5, also die adaptierte Verlängerung der Kurzarbeit, vorgestellt werden. "Das Ziel ist morgen eine Einigung herbeizuführen", sagte Kocher am Montag. Dem Vernehmen nach sind die Gespräche zwischen den Sozialpartnern dazu weitgehend abgeschlossen.

Details zur neuen Phase der Kurzarbeit wollten weder Arbeitsminister Kocher noch die Sozialpartner-Vertreter vorab verraten. Das Paket werde heute gemeinsam vorgestellt. Seit Beginn der Pandemie sind oder waren zumindest zeitweise 1,2 Millionen Arbeitnehmer hierzulande in Kurzarbeit. Bisher sind laut Finanzministerium 7,9 Milliarden Euro in die Kurzarbeit geflossen. Für heuer sind insgesamt 3,67 Milliarden budgetiert, wobei ein Teil schon ausbezahlt wurde.

Ab Juli sollen nur noch Branchen, die trotz Öffnungen weiterhin Corona-bedingt massiv unter Druck sind, von der Kurzarbeit profitieren. Dazu zählen zum Beispiel die Flugbranche und der Städte-Tourismus, die wegen der internationalen Reisebeschränkungen noch länger nicht das Vorkrisenniveau erreichen werden. Kocher hatte im Vorfeld anklingen lassen, dass man das Instrument künftig weniger breit und etwas strenger anwenden soll. Denkbar ist zum Beispiel ein höherer Selbstbehalt bei den Unternehmen und eine Anhebung der Mindestarbeitszeit.(del)