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Etikettenschwindel durch Grünanstrich

Von Karl Leban

Wirtschaft
Mit Blick auf ihr Image in der Öffentlichkeit gilt Grünfärberei bei vielen Firmen als sehr beliebt.
© Fototocam / stock.adobe.com

Nachhaltige Investments sind bei Anlegern zunehmend gefragt, doch immer wieder sind Mogelpackungen im Spiel.


Es ist ein Trend, der sich zunehmend verstärkt. Seit Jahren fließt rund um den Erdball immer mehr Geld in nachhaltige Anlagen. Finanzprodukte, die ihren Fokus auf Umweltschutz, soziale Standards sowie gute Unternehmensführung (Environmental, Social and Corporate Governance - kurz: ESG) gerichtet haben, stehen bei Investoren, professionellen wie privaten, nachgerade hoch im Kurs.

Somit dürften die Zeiten, in denen einzig und allein die Rendite zählte, allmählich zu Ende gehen. Alles, was als nachhaltig oder als "grün" gilt, was also der Rettung des Planeten hilft und auch das eigene Gewissen beruhigt, wird für viele Anleger immer wichtiger. So sind zum Beispiel Atomkraft, fossile Energieträger und Gentechnik, aber auch Kinderarbeit oder Rüstung tabu.

Starke Zuwächse

Im Corona-Jahr 2020 überstiegen die weltweit investierten ESG-Vermögenswerte jedenfalls die Marke von 35 Billionen US-Dollar (29,8 Billionen Euro), womit bereits ein Drittel des globalen Gesamtvermögens auf sie entfiel. Hält diese Dynamik an, werde das "grüne" Vermögen im Jahr 2025 die Marke von 50 Billionen Dollar überspringen, so die Steiermärkische Sparkasse unter Berufung auf Daten der amerikanischen Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

Kurzfristig könnte der aktuelle Boom aber eine "spekulative Blase bei grünen Aktien" zur Folge haben, wie das Grazer Institut in einem Marktkommentar festhält. Denn viele Unternehmen des Sektors seien zum Teil bereits relativ hoch bewertet.

Unabhängig davon sollten Anleger bei grünen Investments in Aktien, Bonds und andere Wertpapiere vor allem aber die Reputations- und die Finanzrisiken von "Greenwashing" im Auge haben. Nicht immer sind Firmen nämlich so grün, wie sie sich nach außen hin präsentieren.

Deepwater Horizon & Co.

Grünfärberei gilt als beliebtes Mittel vieler Konzerne, um sich in der Öffentlichkeit ein grünes Image zu verpassen. "Jedes Unternehmen, das in einen Umweltskandal verwickelt war, darunter etwa Deepwater Horizon, BP und VW, war vorher in einem Nachhaltigkeitsindex gewesen", gibt ein Analyst, der anonym bleiben will, zu bedenken.

Greenwashing ist für private Anleger, aber auch für Vermögensverwalter, Fondsgesellschaften und Ratingagenturen freilich alles andere als leicht erkennbar, wie aus der heimischen Finanzbranche zu hören ist. Ob es sich um eine grüne Mogelpackung handelt oder nicht, sei "oft schwer nachprüfbar".

Um Etikettenschwindel bei grünen Investments zu unterbinden, sieht der Chef des Vermögens- und Fondsmanagements der Steiermärkischen, Karl Freidl, Gesetzgeber und Regulatoren stärker gefordert. Er vermisst "klare Vorgaben". Deshalb gebe es beim Thema Nachhaltigkeit auch "viel Unsicherheit im Markt".

Für die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) bedeutet Greenwashing auch, "dass ein Finanzprodukt als umweltfreundlich beworben wird, obwohl es grundlegenden Umweltstandards nicht entspricht". Oft würden Anbieter in der Finanzbranche Begriffe wie "ökologisch" und "grün" in der Bewerbung der Produkte verwenden oder eine Zertifizierung anführen, die es gar nicht gebe. Mit dem Ziel, sich im Wettbewerb besserzustellen oder einen höheren Preis für ihre Produkte zu verlangen. "Potenzielle Investoren sollen so dazu verleitet werden, Investments zu tätigen, die sie in Kenntnis der tatsächlichen Auswirkungen des Finanzprodukts nicht oder nur zu einem anderen Preis getätigt hätten", so die warnende Stimme der FMA.

Globale Aufseher derzeit aktiv

Indes gilt seit Mitte März EU-weit eine Offenlegungsverordnung, die Banken vorschreibt, ihre Veranlagungsprodukte nach einem Nachhaltigkeitsgrad zu klassifizieren. Brüssel will damit Transparenz am Markt für grüne und nachhaltige Finanzprodukte schaffen und den Kunden die Einordnung einzelner Produkte erleichtern.

Die internationalen Wertpapieraufseher wollen der Branche jedoch noch genauer auf die Finger schauen. Ende Juni hat die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO), zu der Aufseher in den USA, Europa und Asien gehören, Vorschläge vorgelegt, wie Kontrolleure Anleger besser vor Greenwashing schützen können. Dafür hat sie öffentliche Konsultationen bis Mitte August eingeleitet.