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Nicht alles, was glänzt, ist ein Einhorn

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Noch nie ist so viel Geld in heimische Start-ups geflossen. Vom Geldfluss haben aber nur einige wenige profitiert.


In der österreichischen Start-up-Szene jagt gerade eine Jubelmeldung die andere. Insgesamt eine Milliarde Euro sind heuer bereits in heimische Start-ups geflossen, viermal so viel wie noch im Jahr davor. Gleich zwei sogenannte Einhörner hat die Szene hervorgebracht (das sind innovative, relativ junge Unternehmen, die mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet werden).

Bitpanda, eine Trading-Plattform für Kryptowährungen und Rohstoffe, hat bei zwei Investorenrunden heuer 376 Millionen Euro eingesammelt, das Unternehmen wird mit 3,5 Milliarden Euro bewertet. Und die Nachhilfeplattform Go Student konnte 234 Millionen Euro einsammeln und kommt auf eine Bewertung von 1,4 Milliarden Euro. Derzeit scheint es so, als wäre Österreich ein sehr fruchtbarer Boden für die Gründung von besonders innovativen Unternehmen mit großem internationalem Wachstumspotenzial, wie auch kürzlich Ökonomin Monika Köppl-Turyna nicht unkritisch in ihrer Kolumne für die "Wiener Zeitung" anmerkte. Aber machen zwei Einhörner Österreich gleich zum Alpen-Silicon-Valley?

"Spitze des Eisbergs"

Für die meisten Gründer ist der Weg zum Erfolg begleitet von unzähligen Stunden harter Arbeit, wenig Geld, zumindest anfangs, und "Trial and Error". Das weiß auch Ali Mahlodji, Gründer der Karriereplattform "whatchado", CEO von "futureOne", einer Media-Tech- und Gesellschafts-Plattform, und Mentor für heimische Gründerinnen und Gründer. "Der Erfolg ist am Ende nur die Spitze des Eisbergs. Ich habe whatchado viermal gegründet, bis es am Ende geklappt hat", erzählt er.

Seit 2009 wurden laut dem Austrian Start-up-Monitor (ASM) 2.600 Start-ups gegründet, die Hälfte davon in Wien. Von jenen, die zwischen 2008 und 2010 gegründet wurden, sind 80 Prozent noch aktiv. 16 Prozent der heimischen Start-ups haben den sogenannten Break-Even-Punkt erreicht, sie erwirtschaften also so viel, wie die Unternehmung kostet. 21 Prozent erwirtschaften Gewinne. Allerdings sagt das, vor allem in der Wachstumsphase, noch nicht viel über den (zukünftigen) Erfolg des Unternehmens aus.

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Wer am Markt besteht und wer scheitert, hängt von sehr vielen Faktoren ab - von der Geschäftsidee, vom Momentum, dem Gründerteam, erklärt Mahlodji. Bitpanda wurde zum Beispiel 2014 gegründet, der ganz große Durchbruch kam heuer mit einem Umsatz von 100 Millionen Euro, der auch vom derzeitigen Hype an Kryptowährungen getrieben war. Go Student wurde 2016 gegründet. Homeschooling und Lockdown beflügelten den Erfolg der Nachhilfe-Plattform.

Wenn man sich die Verteilung der Investitionen, des sogenannten Venture Capitals, ansieht, dann entfiel der überwiegende Teil heuer auf die fünf größten Firmen. Von einer Milliarde Investitionsvolumen flossen 851,5 Millionen in Bitpanda, Go Student, das Wiener Marketingdaten-Start-up Adverity, den Internet-Marktplatz für generalüberholte Produkte, Refurbed, und das Selfstorage-Start-up Storebox.

Investoren im EU-Ausland

Dennoch wurde noch nie so viel in Start-ups investiert wie derzeit. Laut einer Studie des Unternehmensberaters EY (Ernst &Young) haben europäische Start-ups im vergangenen Jahr über 36 Milliarden Euro eingesammelt. Heuer dürfte es um einiges mehr werden. Das liegt daran, dass derzeit sehr viel Geld auf dem Markt ist, das wegen der anhaltend niedrigen Zinsen eben in Beteiligungen mit mehr Risiko, aber der Aussicht auf höherer Rendite angelegt wird, wenn das Geschäftsmodell erfolgreich ist.

Von der Geldschwemme profitieren in Österreich aber eine Handvoll Firmen, wie ein Venture-Capital-Experte, der nicht namentlich genannt werden möchte, der "Wiener Zeitung" erzählt. Rechne man nämlich die bekannten Investitionsrunden heraus, sei in Summe in alle andern Start-ups sogar ein bisschen weniger investiert worden.

Und: "Die ganz großen Geldgeber sitzen in Übersee. Hier muss man sich auch die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Investments für den europäischen Standort stellen", erklärt er. Derzeit beteiligen sich zum Beispiel US-amerikanische und chinesische Pensionsfonds und Versicherer mit großen Summen weltweit an Unternehmen mit hohem Wachstums- und Renditepotenzial. Europäische Versicherer und Pensionsfonds sind seit der Finanzkrise 2008 strengen Investitionsregeln unterworfen, weshalb sie nicht so einfach Risikokapital ausschütten dürfen. Die ganz großen Investoren wie der deutsch-amerikanische Tech-Milliardär Peter Thiel sitzen in Übersee.

In Österreich betrugen die Investitionen aus Beteiligungsfinanzierung zuletzt 0,02 Prozent der Wirtschaftsleistung. In den USA sind es 0,63 Prozent. Deshalb wird in Österreich immer wieder der Ruf nach besseren Rahmenbedingungen für Wagniskapital laut, etwa durch steuerliche Begünstigungen und Absetzmöglichkeiten. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hat auch einen mit 100 Millionen Euro dotierten Digitalisierungsfonds des Austria Wirtschaftsservice angekündigt, der allerdings noch auf seine Umsetzung wartet.