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Die fragile Idylle der Almen

Von Lena Lafer

Wirtschaft

Einheimische und Touristen drängen in die Berge. Gleichzeitig werden immer weniger Almen bewirtschaftet.


Die Schönheit der österreichischen Almen treibt jährlich viele Sommergäste in die Berge. Laut der Gästebefragung der Österreich Werbung gehören Berge, Landschaft und Natur zu den Top-Entscheidungsgründen für Urlaub in Österreich. Grüne Weiden und urige Hütten verbinden zahlreiche Menschen mit traditioneller Kultur, Natur und einer heilen Welt. Die Bedeutung von Almen als landwirtschaftliche Produktionsstätte und Erhalter von Kulturlandschaft geht in diesen Klischees oft unter.

Schon im Spätmittelalter gab es in Österreich Formen der Almwirtschaft. Heute werden Almen überwiegend als zusätzliches Weideland genutzt. 2019 trieben 24.378 Betriebe rund 10.152 Pferde, 302.302 Rinder und Mutterkühe, 49.724 Milchkühe, sowie 115.022 Schafe und 11.945 Ziegen auf die Almen. Diese Daten gehen aus dem "Grünen Bericht 2020" hervor. Durch die rauen Bedingungen, wie zum Beispiel eine kürzere Vegetationszeit oder schwere Erreichbarkeit, liegen die erwirtschafteten Erträge weit unter den durchschnittlichen Erträgen im Tal.

Allerdings reduzieren sich die Erlöse nicht nur auf landwirtschaftliche Nutzung. Vor allem der Tourismus kann die Rentabilität der Almbewirtschaftung steigern. "Das Verhältnis der Gesamteinträge aus dem Tourismus und der Gesamteinträge aus Land- und Forstwirtschaft kann bis zu 9:1 betragen", heißt es in den Unterlagen der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Alm und Weide (ÖAGAW). Auch Einkünfte aus Forstwirtschaft, Jagd und Leistungsabgeltungen sind für die Landwirte von Bedeutung. Aus dem grünen Bericht geht hervor, dass 2019 im Rahmen von gekoppelten Tierprämien für die aufgetriebenen Tiere in Summe 11,2 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus dem "Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft" gingen fünf Prozent an Alpung und Behirtung.

Almen und das "Wolfthema"

Rund 8.000 Almen werden in diesem Jahr in ganz Österreich bewirtschaftet. Vor 20 Jahren waren es noch über 9.000, das entspricht einem Rückgang von 11 Prozent. Der Obmann des Vereins für Almwirtschaft Erich Schwärzler meint, dass der Rückgang direkt mit dem Rückgang der Viehwirtschaft im Tal zusammenhänge. Vor allem kleine Betriebe ziehen sich zurück. "Es gibt viele Landwirte, die mit Begeisterung auf die Almen gehen, aber für eine Zukunft der Almwirtschaft, braucht es höhere finanzielle Abgeltungen, damit es sich für die Landwirte auszahlt, ihre Tiere auf die Alm zu treiben", sagt er gegenüber der "Wiener Zeitung". Außerdem fordert er Sicherheit in der Frage der Flächenbewertung und -feststellung, damit die Wirte längerfristiger planen könnten. Ein weiterer Faktor sei das Wolfthema: "Ich kenne einige Hirten, die gehen nicht mehr rauf, weil sie nicht wollen, dass ihre Schafe halb tot auf der Weide liegen und sie sie dann von ihrem Leid erlösen müssen." Es brauche eine klare Entscheidung vonseiten der Politik. Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach sich Anfang Juli in einer Aussendung für die Entnahme, also die Tötung von Problemwölfen aus. Die Naturschutzorganisation WWF kritisierte die Forderung, der Wolf sei ein wichtiger Bestandteil einer intakten Natur. Der Almwirtschaft solle stattdessen mit einer Herdenschutz-Offensive geholfen werden.

Tourismus: Pro und Contra

Laut der Landwirtschaftskammer Tirol trage Almbewirtschaftung maßgeblich zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Nicht nur eine zu intensive Nutzung, sondern auch die Brachlegung von Almen gefährde Lebensräume und Tier- und Pflanzenarten. Fehle die Beweidung, würden sich Wurzeln zurückbilden und Pflanzen den Halt auf dem Boden verlieren. Die Folgen wären Erosionen und Hangrutschungen. Die Beweidung helfe auch beim Versickern von Wasser und beuge so etwa Hochwassern vor. Bewirtschaftete Weiden weisen eine rauere Oberfläche auf als brachliegende Flächen. Dadurch wirken sie im Winter auf die Gleitintensität des Schnees und reduzieren die Gefahr von Lawinen.

Die Bewirtschaftung der Almen ist auch für den Tourismus von Bedeutung. Der Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer Franz Titschenbacher sagt, dass die Kosten für Almpflege ohne Bauern der öffentlichen Hand in der Steiermark rund
60 Millionen Euro kosten würden. ÖAGAW-Obmann Schwärzler meint, dass die Almen in den letzten zwei Jahren von Einheimischen und Touristen gestürmt wurden. Die Verbindung von Tourismus und Almwirtschaft sei prinzipiell zu begrüßen, doch die Regeln müssten eingehalten werden.

Der Alpentourismus hat allerdings nicht nur Vorteile. "Negative Auswirkungen sehen wir etwa in Form von Abfällen, die in der Natur liegen bleiben oder durch vermehrte Störungen der Wildtiere, weil viele Menschen am Berg unterwegs sind und oft unbedarft in sensible Naturräume eindringen", so Theresa Girardi vom Österreichischen Alpenverein. Der Druck in den Alpen sei nicht überall gleich groß, neben intensivtouristischen Gebieten, gebe es auch viele Regionen, in denen sanfter Tourismus vorherrsche, meint Girardi.