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Geringfügigkeit als Hürde?

Wirtschaft

Zuverdienstmöglichkeiten können bei der Jobsuche bremsen. Langzeitarbeitslosigkeit wurde durch Corona verstärkt.


Obwohl derzeit die Arbeitslosenzahlen weiter sinken, kommt die Diskussion über die Arbeitslosigkeit nicht zur Ruhe. Zuletzt forderte AMS-Chef Johannes Kopf das Ende des Zuverdienstes für Arbeitslose, Arbeitsminister Martin Kocher bekräftigte das später mit einer Ankündigung, die Arbeitslosenversicherung reformieren zu wollen. In einer Diskussionsrunde der Arbeiterkammer (AK) wurde die angekündigte Reform von Expertinnen und Experten bewertet.

Langzeitarbeitslosigkeit als Problem

Die Corona-Krise hat viele Probleme aufgezeigt und diese noch zusätzlich verschärft - besonders am Arbeitsmarkt. Wer während der Pandemie seinen Job verloren hat und gleichzeitig niedrige Qualifizierungen vorzuweisen hat, dem fiel es besonders schwer, wieder ins Berufsleben zu finden, da es insgesamt weniger Stellen gab. Die schlechter qualifizierten Menschen sind somit eher aus dem Arbeitsmarkt herausgefallen, so der Arbeitsmarktexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) Helmut Mahringer. Noch schwerer war es für Menschen, die vor der Pandemie arbeitslos wurden. "Diese Menschen schlitterten durch die Corona-Pandemie in die Langzeitarbeitslosigkeit", sagt Mahringer. Im August waren 75.014 Menschen langzeitarbeitslos, das sind 14,4 Prozent mehr als im Vorjahr.

Ein Weg zurück in die Arbeitswelt kann ein Job in einer prekären Situation sein. Diese sind oft schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingen miserabel. Die Annahme solcher Jobs führt laut Gudrun Höfner, Prokuristin der gemeinnützigen Arbeitslosenvermittlung It-Works, zu keiner Lösung: "Wenn diese Menschen, einen solchen Job annehmen, besteht die Gefahr, dass sie bei einer Kündigung mit ihrem Gehalt noch weiter nach unten rutschen. Diese Situation macht Angst." Die AK-Expertin Silvia Hofbauer fordert daher einen klaren Berufs- und Gehaltsschutz, damit das Einkommen nicht sinkt, wenn man die angebotene Stelle annimmt .

Zuverdienst eher hinderlich

Nach der Forderung von AMS-Chef Kopf, die Zuverdienstmöglichkeit für Arbeitslose zu beenden, zeigten sich die Experten ebenfalls skeptisch, was eine geringfügige Anstellung anbelangt. Gudrun Höfner beurteilt den Zuverdienst als eher hinderlich für die Jobsuche. "Mit geringfügigen Jobs wird ein falsches Bild von einem Einkommen vermittelt", so Höfner. Sie plädiert für ein Arbeitstraining anstatt einer geringfügigen Anstellung während der Arbeitslosigkeit. Wifo-Experte Mahringer findet, dass ein Zuverdienst "Brücke und Sackgasse" zugleich sein kann. In Österreich liegt die Geringfügigkeitsgrenze bei 475 Euro im Monat. Diese sind von Sozialversicherung und Steuer befreit. Wenn man über diese Grenze kommt, wird das gesamte Einkommen sozialversicherungspflichtig. "Wer das einarbeiten will, müsse deutlich mehr arbeiten. Das ist nicht integrationsfördernd" so Mahringer.

Bezüglich der derzeitigen Debatte um ein degressives Arbeitlosengeld, wo man zu Beginn der Arbeitslosigkeit mehr und im Laufe der Zeit weniger bekommt, sieht der Wifo-Experte mögliche Benachteiligungen für gewisse Gruppen. Es sei nicht die Motivation, sondern häufiger der Mangel an geeigneten Arbeitsplätzen sowie Faktoren wie Alter und Gesundheit für die Arbeitslosigkeit verantwortlich. "Das muss man politisch bewerten, ob man diese Gruppen schlechter stellen will", so Mahringer. Eine intensivere Beratung und Vermittlung hingegen soll es möglich machen, dass Arbeitssuchende schneller einen Job finden.

Für AK-Expertin Silvia Hofbauer sind bei der Debatte drei Ziele wichtig: Die Arbeitslosenunterstützung müsse vor Armut schützen, zu einer fairen Behandlung führen und beim Wiedereinstieg in das Berufsleben unterstützen. Für Letzteres braucht es auch eine Verhaltensänderung der Arbeitgeber. "Frauen berichten, dass sie oft keinen Job bekommen, weil sie Kinder kriegen können. Später sind sie dann zu alt für den Job", sagt Hofbauer. Bei den derzeitigen Arbeitlosenhilfen sieht sie ebenfalls Handlungsbedarf. Sie fordert ein Arbeitslosengeld von 70 statt 55 Prozent. Außerdem beträgt der Familienzuschlag 97 Cent pro Tag, dieser wurde seit Jahren nicht erhöht, sagt Hofbauer.(llu)