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Streit um Lebensmittel-Wertschöpfung

Von Monika Jonasch

Wirtschaft

Die Bauern bekommen zu wenig für ihre Arbeit, die Supermärkte beklagen sinkende Gewinne. Zwischen Preiskampf, Strukturwandel und internationaler Konkurrenz liegen die Nerven aller Beteiligten blank.


Zwischen Bauern und Lebensmittelhandel gärt es. Zuletzt ließ ein Vorstoß von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Wogen hochgehen. Die Ministerin hatte schwere Vorwürfe gegen die Supermarkt-Konzerne erhoben: Sie würden ihre Marktmacht für "unfaire Praktiken" missbrauchen.

Fakt ist, dass der heimische Lebensmittel-Handel von vier Konzernen dominiert wird: Rewe, Spar, Hofer und Lidl decken 91 Prozent des Marktes ab. Hinzu kommt, dass die Österreicher ihre Lebensmittel zu 90 Prozent im Supermarkt einkaufen, erläutert Christian Jochum, Spezialist für Wertschöpfungsketten bei der Landwirtschaftskammer Österreich (LKO) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". - "Das ist ein internationaler Spitzenwert!"

Zudem habe Österreich die zweithöchste Supermarkt-Dichte Europas, nach Norwegen. Auch das koste Geld, mindere die Margen der Konzerne, so Jochum. Luxuriöse, halbleere Filialen zu betreiben, werde teilweise auf die Lieferanten umgewälzt.

Zwei Studien, zwei Opfer

Der Lebensmittel-Handel legte jüngst eine Economica-Studie vor, wonach 24,5 Prozent des Regalpreises auf die Landwirtschaft entfallen, 16,5 Prozent auf den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Die Umsatzrendite im Lebensmittelhandel sei mit weniger als einem Prozent bescheiden, hieß es.

Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) hingegen stellte fest, dass die Wertschöpfung der Landwirtschaft stetig abnimmt. Werden in Österreich Agrargüter im Wert von 100 Euro nachgefragt, bleibt nur etwa ein Viertel davon in der Landwirtschaft. "Die Wifo-Studie zeigt, dass die dienstleistungsstarken Bereiche ihren Anteil auf Kosten der produzierenden Betriebe, insbesondere der Landwirtschaft, ausgebaut haben", heißt es dazu von der Landwirtschaftskammer. Die Bauern hätten zudem mit steigenden Betriebs- und Lebenshaltungskosten und neuen Anforderungen, etwa aus dem Green Deal oder GAP, zu kämpfen. Mit Welthandelspreisen von Produkten schlechterer Standards könne man sich so nicht messen.

Bauern im Wettbewerb

Wifo-Experte Franz Sinabell sieht in den beiden Studien keinen Widerspruch, haben sie doch eine gemeinsame Datengrundlage. "Die landwirtschaftlichen Güter müssen sich dem internationalen Wettbewerb stellen und bei den Welthandelspreisen mithalten", konstatiert er. Um die Stückkosten niedrig zu halten, müssten die Betriebe wachsen oder den Billigimporten Werte wie etwa Bio-Gütesiegel entgegenhalten, welche Konsumenten zum Kauf teurerer Produkte motivieren.

Ein Strukturwandel in der Landwirtschaft scheint jedenfalls im Gange. Jüngste Daten der Statistik Austria untermauern dies: Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt, gleichzeitig werden sie flächenmäßig immer größer. Ausnahme sind die Bio-Bauern, ihre Anzahl nimmt zu. Dies resultiert unter anderem daraus, dass Österreichs Haushalte immer mehr Bio-Produkte konsumieren. Allein im ersten Halbjahr 2021 stieg deren Umsatz um rund 17 Prozent, gab die Agrarmarkt Austria zuletzt bekannt.

Der Vorwurf unlauterer Handelspraktiken bleibt allerdings bestehen. Der Verhandlungsspielraum der Konzern-Einkäufer ist angesichts ihrer Marktmacht enorm. Kaum jemand gehe da zur Wettbewerbsbehörde. "Wenn man gegen so etwas behördlich vorgeht, ist man draußen", so Christian Jochum. Er sieht in der nun geplanten Ombudsstelle jedoch eine Chance für außergerichtliche Schlichtungen. Auch Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der WKO, befürwortet eine objektive Beschwerdestelle. Alle Akteure der Lebensmittelkette, Landwirtschaft, Industrie, Handel und Regierung, sollten darüber sprechen, "wie wir die Lebensmittelkette gemeinsam erfolgreich weiterentwickeln können". Die Zeichen für eine politische Umsetzung stehen gut, wurde doch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Österreich eingeleitet. Richtlinien gegen unfaire Geschäftspraktiken (UTP) müssen demnach noch heuer umgesetzt werden.