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Medaillenjagd zwischen Beton und Nähtisch

Von Lukas Lorber

Wirtschaft
Bei der "Opening Ceremony" zogen die Nationen fahnenschwingend in die Grazer Stadthalle ein. Am Tag darauf ging es dann für Modetechnologin Laura Tschiltsch und ihre Kollegen an die Arbeit.

Bei den Berufsmeisterschaften in Graz kämpfen die besten Fachkräfte Europas um Gold, Silber und Bronze.


Die Hände wackeln keinen Millimeter, wenn Laura Tschiltsch an der Nähmaschine sitzt. Der Blick weicht kaum von den Werkstücken ab. Kugelschreiber, Maßband, Bügeleisen - alles ist griffbereit, nichts wird dem Zufall überlassen. In ihrem klassischen Arbeitsumfeld befindet sich die 21-jährige Deutschlandsbergerin in dieser Woche nicht. Sie ist umgeben von zahlreichen anderen Modetechnologen aus ganz Europa. Ein paar Meter weiter schneiden die besten Friseure um die Wette, und auf der anderen Seite bauen die Schaufenstergestalter an ihren Auslagen.

Von 22. bis 26. September wird im steirischen Premstätten in der Nähe von Graz um die Wette gearbeitet. Rund 400 Fachkräfte unter 26 Jahren aus 22 Ländern versammeln sich in der Steiermark für die Berufseuropameisterschaften, die Euroskills 2021. In den verschiedensten Berufsfeldern wird um Gold, Silber und Bronze gekämpft. Für das "Team Austria" gehen 54 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Start, eine davon ist Laura Tschiltsch.

Zweites Mal auf großer Bühne

Für die 21-Jährige ist diese Situation eigentlich nichts Neues. Im Jahr 2019 war sie schon bei den World Skills im russischen Kazan am Start. Damals noch allein auf weiter Flur, tritt sie bei den Euroskills mit ihrer Kollegin Christina Strauß im Bewerb "Modetechnologie" an. In diesem Bewerb muss das Team, bestehend aus einem Designer und einem Fertigungstechniker, einen Mantel aus dem Disney-Film "Cruella" schneidern und zusätzlich noch vier weitere Module absolvieren. Diese werden bewertet, und am Ende steht fest, wer die besten Modetechnologen Europas sind.

Nachdem es in Kazan für keine Medaille gereicht hat, soll in Graz nicht nur das Endprodukt glänzen. "Mein großes Ziel ist eine Medaille", sagt Tschiltsch. Nachdem die Euroskills aufgrund der Coronavirus-Pandemie zweimal verschoben wurden, konnte die Absolventin der Modeschule Graz vom neuen Termin profitieren. Eigentlich war sie nicht für einen Start eingeplant, doch als die teilnehmende Kollegin schwanger wurde, durfte sie einspringen.

Anfang Juli starteten dann die Vorbereitungen für den Bewerb, wo sie den zuvor erwähnten Mantel angefangen haben. "Für das Zeichnen haben wir schon vier Tage gebraucht", sagt die 21-Jährige. Die Vorbereitungen für den Bewerb sind sehr zeitaufwendig. Viele Teilnehmer arbeiten Vollzeit und bereiten sich zusätzlich noch extern für die Euroskills vor.

Den Nutzen, den die Teilnehmer vom gesamten Bewerb mitnehmen, kann man als zukünftiges Investment sehen. Viele Unternehmen strecken bei diesen Bewerben gezielt die Fühler nach Arbeitskräften aus. Für die Teilnehmer garantieren die Euroskills nicht nur Wertschätzung für ihren Job, sondern ebenfalls Vorteile in der Karriereplanung. "Die Euroskills werten das Handwerk auf alle Fälle auf. Für uns ist das eine großartige Chance, uns, aber auch unsere Arbeit zu präsentieren", sagt Tschiltsch.

In der Auslage

Bei den Euroskills präsentieren sich nicht nur die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern auch zahlreiche Unternehmen. Das ist naheliegend, denn ein Großteil der rund 25.000 Besucher sind Schüler. In der derzeitigen Arbeitsmarktsituation, die geprägt ist vom Fachkräftemangel, scheinen die Euroskills die optimale Plattform zu sein, um jungen Menschen das Handwerk schmackhaft zu machen. Während sich die Besucher die Arbeiten der Fliesenleger, Maurer oder Verkäufer ansehen, können sie an Mitmachstationen zahlreiche Berufe selbst ausprobieren.

"Es ist unser wesentliches Ansinnen, mit den Euroskills Menschen beruflich begeistern zu können.", sagt Josef Herk, Präsident der steirischen Wirtschaftskammer und Aufsichtsratvorsitzender der Euroskills 2020 GmbH gegenüber der "Wiener Zeitung". Dabei spiele der sportliche Gedanken im Bewerb eine gewichtige Rolle. "Die Spitze treibt die breite Masse", sagt er.

Diese Spitze ist bis heute Abend noch in Premstätten im Einsatz, wo Laura Tschiltsch mit ihrer Kollegin in den Endspurt startet. Am Samstag präsentieren die Modetechnologen ihre Arbeiten vor der Jury. Für Tschiltsch sind die Euroskills ein wahres Heimspiel. Ihr Heimatort ist 30 Minuten entfernt und viele Verwandte und Bekannte kommen zum Anfeuern. "Es ist einfach cool, wenn man sein Land vertreten kann", sagt sie. Die Euroskills finden am 26. September mit der Closing Ceremony in der Grazer Stadthalle ihr Ende. Bis dahin wird noch der letzte Feinschliff in Premstätten gemacht, um sich die Lorbeeren für die Arbeit und eine aussichtsreiche Zukunft abzuholen.