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Qualifizierte Arbeiter

Von Bernd Vasari

Wirtschaft

Die Arbeitslosenzahlen sind wieder gestiegen. Arbeitsminister Martin Kocher versucht entgegenzusteuern.


Es ist so, es ist aber auch nicht so. Für gewöhnlich eine banale Erkenntnis von Alltagsphilosophen, die derzeit jedoch treffender ist als je zuvor. Österreich befindet sich auf dem Weg aus der Corona-Krise. Ein Weg, der das Land in goldene Zwanziger Jahre führen könnte: Viele Unternehmen entwickelten im vergangenen Jahr vor allem ihre digitalen Fähigkeiten rasant weiter und stehen nach der Krise zukunftsfähiger da, als zuvor. Rosige Zukunftsaussichten also, wäre da nicht der Arbeitsmarkt. Es ist so, es ist aber auch nicht so: Denn so schnell sich die Unternehmen weiterentwickelten, so langsam taten es die potenziellen Beschäftigten.

Derzeit sind laut dem Arbeitsministerium in Österreich 267.966 Menschen arbeitslos gemeldet. Das sind zwar um 2.771 weniger als in der Vergleichswoche 2019 vor der Krise. Allerdings nahm die Anzahl der Schulungsteilnehmer gegenüber der Vorwoche um 1.186 auf 68.216 Personen zu. Insgesamt sind daher derzeit 336.182 Menschen ohne Job - und damit auch um gut 3.000 Menschen mehr als in der Vergleichswoche 2019. Die Anmeldungen zur Kurzarbeit liegen derzeit bei 63.389 und blieben nahezu unverändert.

Arbeitsminister Martin Kocher hat sich entschieden, diese Entwicklung positiv zu sehen: "Die relativ hohe Zahl an Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern ist vor allem auf den Erfolg der Joboffensive zurückzuführen", sagt er zu den steigenden Zahlen von Menschen ohne Arbeit.

Digital Schritt halten

Die von ihm angesprochene Joboffensive wurde im vergangenen Jahr gestartet. Menschen ohne Arbeit sollen qualifiziert werden, um mit den wachsenden Ansprüchen am Arbeitsmarkt Schritt halten zu können. Bis 2022 sollen 100.000 Menschen die Bildungsmöglichkeiten durch die Joboffensive wahrnehmen, so der Plan des Arbeitsministers. Bis heute wurden 60.000 Menschen auf diesem Weg weitergebildet. 30.000 von ihnen fanden einen Job.

Doch was könnte noch getan werden, um die Menschen fit für den Arbeitsmarkt zu machen?

Kocher verweist auf aktuelle Expertengespräche, die zu einer Reform des Arbeitsmarktes führen sollen. Die Gespräche laufen bis Jahresende, konkrete Vorschläge soll es dann im 1. Quartal 2022 geben.

Vorige Woche war Kocher auch in Schweden, um sich über den dortigen Umgang mit Arbeitslosigkeit zu informieren, kommende Woche steht eine Reise ins digital fortschrittliche Litauen am Programm, kündigt er an.

In Schweden liege der Fokus auf dem Menschen, das sei interessant, sagt er. Es gehe in Schweden um "fordern und fördern" und darum, die Menschen zu schützen, nicht den Arbeitsplatz.

An Schweden bewundert Kocher die hohe Beschäftigungsquote und die schnelle Vermittlung für Menschen ohne Arbeit. Wichtig ist für Kocher die Bekämpfung von Armut, die aus Arbeitslosigkeit entsteht und eine "Absicherung derer, die Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden".

Er räumt ein, dass das heimische Arbeitslosengeld zu gering sei, um längere Qualifizierungskurse zu besuchen. Es gebe daher auch Zuschüsse aus dem sogenannten Bildungsbonus. Auch eine Umweltstiftung wurde ins Leben gerufen. 10.000 Menschen könnten damit ab kommenden Jahr im Klimabereich ausgebildet werden.

Fehlt nur noch die Berufsorientierung. Viele Menschen haben schlichtweg keine Ahnung, welche Job- und Fortbildungsmöglichkeiten es gibt. Kocher verweist auf das Verzeichnis für Lehrberufe bei Wirtschafts- und Arbeiterkammer. Flächendeckende Kompetenzorientierung bereits im Schulalter wären wohl auch sinnvoll, das sei aber nicht sein Bereich, sagt Kocher auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Jedenfalls wäre es wichtig den Fokus auf die Lehre zu legen, zulasten der Akademisierung, sagt er. Es gebe genügend Uni-Abschlüsse in Österreich. Die Lehre könnte dafür mit der Aussicht auf Matura aufgewertet werden.

Doch, egal, ob hochgebildet oder nicht, die Corona-Krise ist noch nicht vom Tisch. Derzeit laufen Expertengespräche über eine 3G-Pflicht am Arbeitsplatz. Es gibt "viel Konsens, auch mit den Sozialpartnern", sagt Kocher erfreut. Doch es ist so, es ist aber auch nicht so. Rechtliche Fragen, zum Beispiel was geschehen soll, wenn jemand keinen 3G-Nachweis erbringt, stehen im Weg.