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Von Lachs aus dem Drucker bis Homeoffice

Von Andreas Lieb

Wirtschaft
Gregor Pilgram, Österreich-Chef der Generali, erklärt die KMU- und Nachhaltigkeitsstrategie der Versicherung.
© Lukas Lorenz

In ihrem Jubiläumsjahr setzt die Generali Group auf Nachhaltigkeit und widmet sich speziell Klein- und Mittelbetrieben. Österreich-Vorstand Gregor Pilgram über grüne Finanzanlagen und ein Öko-Hotel als Aushängeschild.


Großer Auftritt der Generali Group in Brüssel. Grußworte der Kommissare Paolo Gentiloni und Mairead McGuinness, Einführung durch Generali-Gesamtvorstand Philippe Donnet, der auf den Grund für die Initiative seines Unternehmens hinweist: "Kleine und mittlere Unternehmen sind eine tragende Säule der europäischen Wirtschaft und einer der wichtigsten Treiber für den nachhaltigen Wandel."

Der von der Versicherungsgesellschaft ausgelobte "SME EnterPRIZE" gilt als Teil des strategischen Plans, der sich am europäischen "Green Deal" und dem Wiederaufbauprogramm "NextGenerationEU" der Kommission orientiert. Heimischer Preisträger und in Brüssel auf der Bühne ist das Boutiquehotel Stadthalle aus Wien, ein Öko-Hotel, das als Passivhaus angelegt ist und fast genauso viel Energie selbst produziert, wie es braucht. Das Hotel sieht sich als Botschafter der UNO-Nachhaltigkeitsziele.

"Wiener Zeitung": Sie stellen die Klein- und Mittelbetriebe ins Zentrum Ihrer Kampagne. Warum?Gregor Pilgram: Die KMUs sind die treibende Kraft der europäischen Wirtschaft, das vergisst man zuweilen, wenn es um den Klimaschutz geht. Sie sind ein Zielsegment unserer Gruppe im Versicherungsbereich, auch in Österreich. Nach den Naturkatastrophen in diesem Jahr sieht man, dass wir Veränderung brauchen. Wir versuchen mit der Initiative SME, die Thematik in die Breite zu bekommen, in sieben europäischen Märkten.

Sie haben auch ein Weißbuch ausgearbeitet.

Die Grundidee ist, nachhaltige KMUs mit dem Preis zu unterstützen und die Weiterentwicklung in Zusammenarbeit mit Universitäten voranzutreiben. Bei den Bewerbungen hatten wir ein extremes Spektrum, vom Sozialunternehmen bis zum Wiener Unternehmen RevoFoods, das Lachs aus dem 3D-Drucker anbietet. Tatsächlich, pflanzliches Lachsfleisch. Da sieht man, welches Potenzial vorhanden ist, abseits von großen Konzernen.

Haben die EU-Programme für Klimaschutz und nachhaltigen Wiederaufbau zu sehr die Großindustrie im Blickfeld?

Ich habe gesehen, dass sich gerade bei den KMUs extrem viel tut, das steht aber nicht so im Blickpunkt der Öffentlichkeit wie bei großen Firmen. In Österreich gibt es sehr viele Unternehmen, die umweltbewusst arbeiten.

Sind bei den großen EU-Projekten wie Fitfor55 oder dem Bauhaus-Projekt, das Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besonders am Herzen liegt, auch die Klein- und Mittelbetriebe an Bord?

Solaranlagen am Dach und neue Wärmeisolierung müssen sich ja auch finanziell darstellen lassen, ist das alles in der Realität angekommen? Ich denke ja, aber es braucht etwas Zeit, das geht nicht von heute auf morgen.

Am Ende des Tages betrifft das auch die Versicherungsbranche, etwa beim Umwandeln von Investmentportfolios in Richtung grüner Projekte, Green Bonds usw. Die Welt wird sich nicht in einem Jahr ändern, aber langfristig auf jeden Fall. Dabei sind die KMUs als Lieferanten mit an Bord und werden mittelfristig davon profitieren, weil die Finanzierung umweltbewusster Projekte leichter wird.

Ist das Wiederaufbauprogramm der EU zielführend?

Ja, es ist ein Weg, wie man die Wirtschaft neu aufbauen und in die richtige Richtung bringen kann. Das läuft sehr gut.

Rechnen Sie für die Versicherungswirtschaft mit gravierenden Änderungen?

Gravierende Änderungen erwarte ich nicht, es geht aber Schritt für Schritt in Richtung Umwelt und Nachhaltigkeit. In der Kapitalveranlagung ist die Versicherungswirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen bereits heute stark, bei den Portfolios geht es in Richtung Dekarbonisierung.

Wo steht da Österreich?

Österreich ist sehr umweltbewusst. Die Ansätze sind dieselben wie in der EU, aber wir sehen die treibende Kraft der KMUs. Wir kooperieren mit dem österreichischen Green-Tech-Start-up Glacier, da kommen kleinere und größere Unternehmen zum Klimaschutz zusammen.

Aber in der Wirtschaft gibt es ja oft zwei Seiten, wie man am Beispiel Lobautunnel in Wien sieht. Da gibt es wirtschaftliche Interessen und Umweltinteressen, die einander scheinbar im Wege stehen. Kommt man da nicht immer wieder in Konfliktsituationen?

Interessenkonflikte kann es immer geben, das ist kein Österreich-Spezifikum. Das wichtigste ist, einen fairen Übergang in eine klima- und umweltfreundliche Zukunft zu schaffen. Langfristig haben alle die gleichen Ziele.

Da sind Sie optimistisch.

Jetzt ist es an der Zeit, diesen Übergangsprozess zu beschleunigen, das ist allen bewusst.

Ein Beispiel aus dem Alltag: Österreich hat etwa im Vergleich zu Bayern viel weniger Solarparks, da gibt es offensichtlich Nachholbedarf. Sehen Sie in einzelnen Bereichen Handlungsbedarf?

Nicht im Besonderen. Im Energiebereich kann man auf jeden Fall noch mehr tun, beim Umweltschutz ist Österreich aber jedenfalls auf einem hohen Niveau.

Nochmal zurück zum Klimawandel, hier gab es in jüngster Zeit eine Reihe von außergewöhnlichen Katastrophen. Was bedeutet das für die Versicherungswirtschaft, haben Sie jetzt neue Rechenmodelle?

Wir rechnen nicht damit, dass die Naturkatastrophen weniger werden. Es gab in diesem Jahr europaweit mehrere Ereignisse hintereinander, oft sehr lokal begrenzt. Die Sorge um die Umwelt ist berechtigt. Aber das ist unser Geschäft, und das lässt sich mit Rückversicherungen gut managen. Die Industrie passt sich an die neuen Gegebenheiten an.

Rechnen Sie mit einer Zunahme der Ereignisse?

Eine Kristallkugel haben auch wir nicht. Aber wir gehen davon aus, dass die Frequenz zunimmt, in welchem Ausmaß, weiß niemand. Man soll sich aber auch nicht durch ein Jahr wie dieses komplett irritieren lassen.

Ein eigener Punkt bei Ihrem Projekt ist das Thema Wohlbefinden in der Arbeitswelt. Hat sich während der Corona-Pandemie viel verändert? Rechnen Sie hier mit Auswirkungen?

Ich denke, die Pandemie hat die Veränderungen nicht bewirkt, sie hat sie aber beschleunigt. Wir beschäftigen uns intensiv mit einem passenden hybriden Arbeitsmodell, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser Kapital. Wir etablieren einen Mix aus Homeoffice und Präsenz in den Büros. Das tut auch der Umwelt gut, es gibt weniger Dienstreisen, weniger Fahrten ins Büro.

Generell wird sich in der Arbeitswelt die Work-Life-Balance positiv verändern.