Die Situation ist ernst. Nicht nur international, sondern auch in Österreich wird die jüngste Entwicklung der Verbraucherpreise von Notenbankern genau beobachtet. In der Eurozone schnellte die Inflationsrate im Oktober auf 4,1 Prozent, den höchsten Wert seit mehr als 13 Jahren. In Österreich stieg sie auf 3,6 Prozent - ein Niveau, das zuletzt im November 2011 zu sehen war.
"Die Inflation bereitet mir auch schlaflose Nächte", räumte Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), am Freitag ein. Derzeit würden die Modelle zwar darauf hinweisen, dass die starke Teuerung nur temporär sei. "Aber wenn es nicht runtergeht oder sehr flach runtergeht, dann haben wir wahrscheinlich ein Problem", sagte der frühere Weltbank-Direktor im Klub der Wirtschaftspublizisten.
Neue Messkriterien?
"Derzeit ist es so, dass alle Modelle darauf hinweisen, dass wir am Ende des Planungshorizonts 2023 wieder unter zwei Prozent sind (mit der Inflationsrate, Anm.)", so Holzmann, der als Österreichs Notenbank-Chef auch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) vertreten ist. Aus geldpolitischer Sicht sei deshalb momentan kein Handlungsbedarf für eine Zinserhöhung gegeben.Genau beobachtet werden müsse jedoch, wie sich die Inflationsraten in den kommenden Quartalen weiterentwickeln, betonte der Notenbanker. Diese Entwicklung müsse auch möglichst gut antizipiert werden. Ebenfalls zu bedenken sei in diesem Zusammenhang, wie die Inflation derzeit berechnet werde und ob hier Anpassungen nötig seien. So werde auf EU-Ebene etwa überlegt, die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum in die Messung aufzunehmen. Bisher sind diese nicht darin enthalten, während die Mietkosten sehr wohl berücksichtigt sind. Derartige Anpassungen seien jedoch nicht in naher Zukunft, sondern frühestens in den nächsten drei bis fünf Jahren zu erwarten, sagte Holzmann.
Eine absolute Sicherheit, dass die Inflation nur vorübergehend relativ hoch ist, sieht Österreichs oberster Notenbanker gegenwärtig noch nicht. Eine konsistente Prognose der EZB sei jedoch äußerst wichtig, da sie den Märkten Planungssicherheit gebe. Nach der jüngsten Ratssitzung hatte EZB-Chefin Christine Lagarde gesagt, dass es sich aktuell um "eine Phase vorübergehender Inflation im Zusammenhang mit der Wiedereröffnung (nach den Corona-Lockdowns, Anm.)" handle und ein Ende des Zinstiefs daher nicht in Sicht sei.
"Auf Sicht fahren"
Geht es nach Holzmann, muss die EZB im kommenden Jahr bei ihren Entscheidungen "auf Sicht fahren". Gegenüber Reuters hatte der OeNB-Chef schon in der Vorwoche auf die unsicheren Inflationsaussichten hingewiesen und zur Vorsicht geraten.
Getrieben wurde die Teuerung im Euroraum (und in Österreich) in den vergangenen Monaten vor allem durch die Treibstoffpreise, die 2020 pandemiebedingt eingebrochen waren, mit dem Konjunkturaufschwung nun aber stark zulegen. Da dieser Effekt bald wegfällt, sollten sich die Inflationsraten wieder normalisieren. Doch als Fragezeichen gelten unter anderem die nach wie vor bestehenden Lieferkettenprobleme, die etliche Waren verteuern.(ag./kle)