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Skifahren oder nicht mehr Skifahren

Von Monika Jonasch

Wirtschaft
Der heimische Nachwuchs lernt in kleinen Skigebieten - fallen diese weg, fehlen die Skifahrer von morgen.
© adobe stock / famveldman

Zwischen Klimawandel, Pandemie und Nachwuchssorgen muss Österreichs Tourismus neue Strategien entwickeln. Kleine Skigebiete wie Lackenhof stehen nicht erst seit kurzem vor dem Aus.


Der Schock, dass in Lackenhof am Ötscher die Skilifte nie mehr aufsperren werden, erschütterte insbesondere Ostösterreich. Als Grund dafür wurde vom Lift-Betreiber fehlende Rentabilität genannt.

Nun mag man über die Art und Weise verstimmt sein, wie diese Ankündigung gemacht wurde, aber die Frage, ob Lackenhof und vergleichbare Skigebiete überhaupt noch eine Zukunft haben und welche Faktoren hierfür entscheidend sind, sollte man sich in der Tourismusnation Österreich genauer ansehen.

"Lackenhof ist nicht das erste kleine Skigebiet, das in Schwierigkeiten gerät", erklärt der Tourismusexperte des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo), Oliver Fritz, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Es traf in der jüngeren Vergangenheit bereits andere, niedrig gelegene Gebiete mit wenigen Liften, in denen sich eine künstliche Beschneiung nicht rechnet, erklärt er. Angesichts stetig steigender Temperaturen gehe es mittlerweile jedoch ohne Hilfe aus der Schneekanone kaum mehr.

Volkssport mit Nachwuchssorgen

Hinzu kommt, dass immer weniger Menschen überhaupt Ski fahren. Weitere Gründe seien demografische Veränderungen, so werden etwa die aktiven Skifahrer im Land immer älter. Jungfamilien hingegen hätten generell, aber vor allem jene mit Migrationshintergrund, weniger Verbundenheit mit dem Pistensport. Ihre Kinder lernen das Skifahren gar nicht mehr. Und so nehmen auch Schulskikurse ab. "Skifahren als Breitensport, das ist vorbei", meint der Wifo-Ökonom.

Zudem fahren immer weniger Menschen für einen Tagesausflug in ein Skigebiet, was durchaus auch eine Preisfrage ist. Liftkarten sind vergleichsweise teuer geworden, für mehrköpfige Familien sind sie kaum mehr leistbar. Grund dafür sind die bereits erwähnte künstliche Beschneiung sowie der mittlerweile sehr hohe Qualitätsanspruch an Liftanlagen - Schlepplifte und Sessellifte weichen zunehmend Gondeln. Gerade kleinere Skigebiete, also jene in der Nähe der Ballungsräume, können da nicht mehr mithalten.

"Skigebiete in der Umgebung der Großstädte Wien oder Graz leiden bereits seit 20 Jahren unter sinkender Rentabilität. Das ist nicht primär auf den Klimawandel oder die Leistbarkeit zurückzuführen, sondern vielmehr auf die abnehmende emotionale Verbundenheit mit dem Sport", analysiert Peter Zellmann vom Institut für Freizeitforschung auf Nachfrage der "Wiener Zeitung".

Zellman gibt zu bedenken: "Vor 30 Jahren sind auch nur 25 Prozent der Bevölkerung Ski gefahren. Auch damals konnte es sich nur ein kleiner Teil von ihnen leisten, auf Skiurlaub zu fahren. In den Gebieten nahe der Großstädte hingegen konnten viele preisgünstig das Skifahren lernen." Das machte den Pistensport zur beliebten Freizeitaktivität und sorgte für eine nationale Verbundenheit quer über alle Gesellschaftsklassen hinweg. Skifahren sei heute längst kein Volkssport mehr, konstatiert auch Zellmann. Immerhin 60 Prozent der Menschen in Österreich bezeichnen sich selbst laut Umfragen mittlerweile als "Nie-Skifahrer", weiß er. Man müsse sich fragen, was hierfür ausschlaggebend gewesen sei.

Konzepte fehlen, zweites Standbein gefragt

Zellmann sieht da die Politik und die größeren Skigebiete des Landes in der Pflicht: "Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Tourismus wird in Österreich maßlos unterschätzt. Eigentlich hängt jeder dritte Arbeitsplatz irgendwie vom Tourismus ab, das BIP (Bruttoinlandsprodukt) ist da wenig aussagekräftig. Es gibt massiven Nachdenkbedarf bei der Politik."

Auch die größeren Skigebiete hätten längst über ihren Tellerrand hinausblicken und erkennen müssen, dass in den kleinen Skigebieten der Nachwuchs das Skifahren erlernt. Existieren diese nicht mehr, spüren das früher oder später auch die Großen, meint er. Es fehle an Kooperationen, an ideologiebefreitem Nachdenken. "Man muss die Voraussetzungen für den heimischen Tourismus grundsätzlich überdenken", fordert Zellmann.

Ähnlich äußert sich auch Martin Stanits, Unternehmenssprecher der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV): "Niemand kann sagen, dass das Ganze in Lackenhof überraschend kam. Seit Jahren kämpfen die kleineren, niedrig gelegenen Skigebiete mit der Rentabilität, ihre Aussichten sind enden wollend. Man hätte hier auf allen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - Handlungsbedarf. Es wird Strategien brauchen, nicht nur für ein Gebiet. Schon vor Jahren hätte hier ein seriöser Prozess gestartet werden müssen, wie man weitermachen will", ist Stanits hörbar verärgert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Auch er sieht Versäumnisse bei allen Beteiligten und fordert sie auf, "die Karten auf den Tisch zu legen", in Wahrscheinlichkeiten zu denken, Worst-Case-Szenarien vorzubereiten. Man müsse sich den Fall Lackenhof genau ansehen, um Konzepte erstellen zu können, wie es in der Zukunft grundsätzlich weitergehen solle. "Entscheidend ist, wie man weitermacht, denn Lackenhof wird nicht das letzte Gebiet sein, das in diese Situation kommt," warnt Stanits.

Der ÖHV-Sprecher fordert zudem die Tourismusbetriebe auf, sich breiter aufzustellen und mehr Angebote zu machen als nur jene rund um das Alpinskifahren. Wird etwa im Herbst mit Wandern oder Thermenbesuch eine Nebensaison geschaffen, hätte man ein zweites Standbein.

Dann sei ein Beherbergungsbetrieb nicht mehr so abhängig von einer Skisaison, die aufgrund von weniger und späterem Schneefall zusehends schrumpfe. "Ganzjähriger Tourismus würde auch die Arbeitskräfte-Situation entschärfen: Mitarbeiter wären länger angestellt, die Jobaussichten würden sich damit verbessern und so wären schließlich auch mehr Arbeitskräfte verfügbar, gibt Stanits zu bedenken.

Vom Klimawandel bis zu emotionalen Faktoren

Alle drei befragten Experten bescheinigen allerdings dem Klimawandel ebenso sowie der aktuellen Corona-Pandemie samt ihren Lockdowns eher verstärkende, beschleunigende Wirkung, als dass sie diese als direkte Auslöser für das Aus in Lackenhof und ähnlichen Gebieten klassifizieren.

Ganz ignorieren kann man die stetig steigenden Temperaturen, die gerade niedrig gelegenen Gebieten zusetzen, dennoch nicht.

Es gibt eine Vielzahl an Studien zum Klimawandel und seinen Auswirkungen auf den heimischen Tourismus. Diese wurden in den letzten Jahrzehnten allerdings weitgehend ignoriert, obwohl sie fast unisono bestätigten, dass vor allem der Wintertourismus aufgrund seiner Abhängigkeit von der Schneelage vom Klimawandel stark betroffen ist. Statt sich langfristig vorzubereiten, hat man lieber obskure Klimaforscher mit Gegenstudien beauftragt, die den Klimawandel anzweifelten, hat Wifo-Ökonom Oliver Fritz beobachtet.

"Mit steigenden Temperaturen muss man immer mehr und immer häufiger beschneien, aber das ist aufwendig und teuer. Und bei zehn Grad Celsius braucht man damit gar nicht mehr anzufangen", konstatiert er trocken. Hinzu komme auch hier ein emotionaler Faktor, denn schneit es in den Ebenen der Großstädte kaum, sinkt dort sukzessive das Bedürfnis, Wintersport zu betreiben, meint der Tourismus-Experte.

"Das Untergangs-Szenario des Alpin-Skifahrens ist nicht so selbstverständlich. Das muss man sich individueller ansehen, auch das Mikroklima ist hier entscheidend", relativiert Forscher Zellmann hingegen.

"Man sollte sich jedoch grundsätzlich die Frage stellen, ob man auch noch in 30 Jahren in Österreich Skifahren will. Das ist eine volkswirtschaftliche Entscheidung. Ob es sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage", gibt er zu bedenken. "Mehrere Faktoren, eigentlich eine ganze Kette, sind da im Spiel, wobei die Emotion sicher über die rationale Einsicht zu Klima und Preisen gewinnt", meint Zellmann. Der Klimawandel ist für ihn kein vorrangiges Argument gegen das Skifahren. Dass sich die Menschen unter dem Motto "in 30 Jahren gibt es eh keinen Schnee mehr" heute bereits gegen das Alpinskifahren entscheiden würden, hält er für kaum ausschlaggebend.

Alle drei Experten sind sich einig, dass der Skisport trotz Klimawandels in Österreich eine Zukunft hätte. Allerdings gelte es überregional, branchenübergreifend und die Faktoren Klimawandel und Demografie einbeziehend, entsprechende Weichen zu stellen. Die Skigebiete in Reichweite der Ballungsräume zu erhalten, das ist dabei sozusagen das Zünglein an der Waage, um die emotionale Verbundenheit der Bevölkerung zum einstigen Volkssport zu erhalten.