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Welche Straßen gebaut werden dürfen

Von Bernd Vasari

Wirtschaft

Kein Lobautunnel, dafür Schnellstraße im Mühlviertel: Umwelt-Ministerin Gewessler ließ 15 Straßenprojekte prüfen.


Geplante Schnellstraßen und Autobahnen von Vorarlberg bis Burgenland wurden in den vergangenen Wochen im Auftrag von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler geprüft. Neben Kriterien wie Verkehrssicherheit, Wirtschaftlichkeit und regionalen Bedürfnissen flossen nun erstmals auch Kriterien wie Bodenverbrauch, Biodiversität und Auswirkungen auf den Wasserhaushalt mit ein. Die Ergebnisse der 15 Projekte im Überblick:

  • Weinviertel-Autobahn A5: Kein Ausbau

Die A5 zwischen dem niederösterreichischen Poysbrunn und der tschechischen Grenze soll nicht vierspurig ausgebaut werden. Schließlich ist auf tschechischer Seite kein Bau einer ähnlich hochrangigen Straßenverbindung geplant.

Stattdessen soll auf den öffentlichen Verkehr gesetzt werden. So soll die 66 Kilometer lange Bahnstrecke zwischen Süßenbrunn und Bernhardsthal modernisiert werden, die Bauarbeiten können im kommenden Jahr starten. Das Ziel ist zudem eine Hochgeschwindigkeitsstrecke über Breclav und Prag mit Fahrzeiten von rund vier Stunden zwischen Berlin und Wien. Zweigleisig ausgebaut werden auch die Strecke Wolkersdorf nach Laa an der Thaya und Stockerau nach Retz.

  • Marchfeld-Schnellstraße S8: Kein Bau

Das Straßenprojekt wurde vor Jahrzehnten bereits geplant. Zuletzt entschied aber das Bundesverwaltungsgericht, dass es dafür keine Genehmigung gibt. Denn die geplante Schnellstraße führt durch ein Schutzgebiet der Vogelart Triel. Das Klimaschutzministerium empfiehlt auch hier die Verlagerung von der Straße auf den öffentlichen Verkehr. So wird derzeit der Marchegger Ast zwischen Wien und Bratislava ausgebaut, das Ziel sind eine Fahrzeit von 40 Minuten.

  • Traisental-Schnellstraße S34: Kein Bau

Die geplante Straße zwischen St. Pölten West und Wilhelmsburg verläuft durch ein Gebiet mit hochwertigen, landwirtschaftlich genutzten Böden und würde diese Flächen langfristig versiegeln. Das Klimaschutzministerium spricht sich daher gegen den Bau aus. Alternative Projekte sind die Elektrifizierung der Bahnstrecke St. Pölten über Traisen nach Hainfeld/Schrambach. Der Baubeginn erfolgt 2024 mit dem Ziel von kürzeren Fahrzeiten und Halbstundentakt.

  • Donau- und Lobau-Tunnel S1: Kein Bau

Das 1,9 Milliarden Euro schwere Schnellstraßenprojekt durch den Nationalpark Donau-Auen wird vom Klimaschutzministerium nicht weiterverfolgt. Massive Eingriffe in die unberührte Artenvielfalt wären zu befürchten, von allen evaluierten Projekten hat die Straße den höchsten Bodenverbrauch. Auch die zu erwartende Verkehrszunahme wäre besonders hoch.

Die Planungen zu dem Projekt begannen vor 30 Jahren, viele der Annahmen und Argumente von damals seien heute aber nicht mehr zutreffend, heißt es. So wurde davon ausgegangen, dass die Öffi-Fahrpreise konstant bleiben (heute aber gibt es das 365-Euro-Ticket) und die Parkraumbewirtschaftung nicht auf ganz Wien ausgedehnt wird.

Die Modernisierung und der Ausbau der S-Bahnstrecken S80 zwischen Hütteldorf und Aspern, zwischen Meidling und Süßenbrunn, nach Bratislava sowie geplante Straßenbahnlinien durch die Stadt Wien sollen die angespannte Verkehrssituation im Osten Wiens entlasten.

  • Spange Seestadt Aspern S1: Umsetzung möglich

Als Verlängerung der von der Stadt Wien geplanten Stadtstraße ist die Umsetzung der Spange Seestadt Aspern denkbar. Allerdings nur, wenn sich die Stadt Wien für den Bau der Stadtstraße entscheidet. Das Projekt habe eine hohe Bedeutung für das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern, entfalte aber keine überregionale Wirkung. Der Ausbau von S-Bahn- und Straßenbahnlinien könnte den Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegen.

  • Donauufer-Autobahn A22: Keine Verlängerung

Die Verlängerung der Donauuferautobahn in Wien über die Donau bis zum Knoten Schwechat wird nicht weiterverfolgt. Das Projekt wurde in allen Kriterien unterdurchschnittlich bewertet, in der Beeinflussung von Biodiversität. Wasserhaushalt, aber auch in den Kriterien Sozialverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit.

Es wird der weitere Ausbau des Wiener Öffi-Netzes insbesondere im 21. und 22. Bezirk empfohlen.

  • Eisenstadt-Staatsgrenze A3: Keine Verlängerung

Die Südost-Autobahn wird nicht bis zur ungarischen Staatsgrenze bei Klingenbach ausgebaut. Bereits der Burgenländische Landtag sprach sich 2018 dagegen aus, weil die Gemeinden Wulkaprodersdorf und Klingenbach dagegen sind. Aber auch die negativen Auswirkungen auf Boden und Klima sprechen gegen das Projekt.

Das Klimaschutzministerium verweist auch hier auf den Öffi-Ausbau als Alternative. So soll die 52 Kilometer lange Pottendorfer Linie modernisiert werden. Neben der Attraktivierung soll zwischen Pottendorf und Neufeld auch eine Gleisverbindung errichtet werden. Die Fahrzeit zwischen Eisenstadt, Sopron und Wien soll deutlich verkürzt werden. Dafür werden die Strecken Ebenfurth nach Sopron und Wiener Neustadt nach Sopron ausgebaut.

  • Murtal-Schnellstraße S36: Lückenschluss möglich

Zwischen Judenburg und St. Georgen ob Judenburg soll die Schnellstraße S36 ausgebaut werden. Um die regionalen Ortskerne zu entlasten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, wird der Lückenschluss weiterverfolgt, heißt es vom Klimaschutzministerium.

Zusätzlich soll der öffentliche Verkehr verstärkt werden. Im Dezember 2025 erfolgt die Inbetriebnahme der Koralmbahn zwischen Graz und Klagenfurt. Zusätzlich ist zwischen Bruck an der Mur und Klagenfurt eine stündliche Interregional-Linie - IR Aichfeld - geplant. Der Ausbau in Richtung S37 wird nicht weiterverfolgt (siehe nächster Punkt).

  • Klagenfurter-Schnellstraße S37: Kein Bau

Der geplante Weiterbau der Schnellstraße S37 von Sankt Veit an der Glan Nord in Kärnten nach Scheifling in der Steiermark wird gestoppt. Die Straße würde eine neue Transitroute durch Kärnten schaffen und gleichzeitig massive Eingriffe in wertvolle Böden verursachen, so die Begründung durch das Klimaschutzministerium.

Wie bei der S36 verweist man auf den Ausbau der Öffis, insbesondere der Koralmbahn und der Interregional-Linie.

  • Waldviertel-Autobahn: Kein Bau

Angedacht waren eine Autobahn-Verbindung von Hollabrunn im Weinviertel nach Freistadt im Mühlviertel. In Abstimmung mit dem Land Niederösterreich wird dieses Projekt jedoch verworfen.

Stattdessen soll der Ausbau der Öffis weiterverfolgt werden. Darunter die seit dem Jahr 1870 bestehende Franz-Josefs-Bahn, die Wien mit dem Waldviertel verbindet. Die Strecke über Absdorf-Hippersdorf nach Gmünd wird in den kommenden Jahren modernisiert, die Gleisanlagen sollen für Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h ausgelegt werden. Auch die Kamptalbahn wird renoviert. Der Bau beginnt im Jahr 2023.

  • Weinviertel-Schnellstraße S3: Kein Bau

Die Verlängerung der Hollabrunner Schnellstraße bis zum Grenzübergang Kleinhaugsdorf bei Tschechien wird nicht gebaut. Da - wie bei der A5 - kein tschechisches Pendant geplant ist, seien keine weiteren Planungsschritte notwendig, heißt es aus dem Klimaschutzministerium.

Der Ausbau des S-Bahnnetzes wie etwa der 66 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Süßenbrunn und Bernhardsthal soll eine gute Alternative bieten (siehe dazu auch A5).

  • Mühlviertel-Schnellstraße S10: Bau ist möglich

Die Schnellstraße vom oberösterreichischen Freistadt an die tschechische Grenze bei Wullowitz soll gebaut werden. Der schneller fahrende Durchzugsverkehr werde sich von den Ortsdurchfahrten auf die S10 verlagern, damit werde die Verkehrssicherheit erhöht, so die Begründung.

Auch auf der tschechischen Seite wird gebaut. Die Autobahn D3 von der Staatsgrenze führt über Budweis nach Prag. Die Fertigstellung ist für 2028 geplant. Auch die Bahnstrecke zwischen Prag und Budweis wird zweigleisig ausgebaut, die Geschwindigkeit kann dann auf 200 km/h erhöht werden. Die auf der österreichischen Seite bis Linz weiterführende Summerauer Bahn soll ebenso ausgebaut werden.

  • Osttangente Linz: Wird noch geprüft

Das Land Oberösterreich plant die Straße zwischen Engelsberg und Mittertreffling zur Entlastung der Autobahn A7 und des städtischen Straßennetzes in Linz. Derzeit werden die Auswirkungen der neuen Straße im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen "Strategischen Prüfung Verkehr" evaluiert. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind abzuwarten, heißt es aus dem Klimaschutzministerium. Politisch herrscht Uneinigkeit in Oberösterreich. Die schwarz-blaue Landesregierung spricht sich für das Projekt aus, die Mehrheit des Linzer Gemeinderats (plus ÖVP) ist dagegen.

Als Alternative werden Stadtregionalbahnprojekte der Stadt Linz angeführt. Geplant sind zwei neue S-Bahnlinien, die S6 (Verlängerung der Mühlkreisbahn) und S7 (Neue Achse von Pregarten und Gallneukirchen nach Linz-Urfahr).

  • Inntal-Autobahn A12: Untersuchungen laufen

Geplant sind der sogenannte Tschirganttunnel, der das Tiroler Reutte an das Inntal und Innsbruck anbindet. Im Zwischenbericht der Asfinag von April 2021, wird jedoch festgehalten, dass es auch mit Tunnel nicht zu den gewünschten Entlastungswirkungen kommt. "Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse erscheint eine Weiterverfolgung als nicht zielführend." Für eine abschließende Beurteilung muss die Verkehrsuntersuchung der Asfinag noch abgeschlossen werden.

Als Alternative für den Autobahn-Tunnel verweist man auf den Ausbau der Brenner-Achse samt Bahntunnel. Damit wird möglich, dass Güterzüge über die gesamte Achse ohne zusätzliche Lokomotive für die Bergstrecke geführt werden können.

Neu Schienen verlegt werden zwischen Kundl und Baumkirchen. Kürzere Fahrzeiten im Unterinntal sollen damit ermöglicht werden.

  • Bodensee-Schnellstraße S18: Wird noch geprüft

Das Straßenbauprojekt S18 soll die Autobahnnetze Österreichs und der Schweiz verbinden. Das ist seit über 50 Jahren bekannt. Seit damals werden Pläne für die Schnellstraße gewälzt und wieder verworfen. 2006 wurde die damalige Variante der S18, sie hätte oberirdisch durch die letzte im unteren Vorarlberger Rheintal erhalten gebliebene Ried-Landschaft geführt, vom Verfassungsgerichtshof gekippt.

Im Juli wurde Gewessler durch einen Entschließungsauftrag des Parlaments beauftragt, eine rasche und umfassende Lösung zur Verkehrsentlastung für Vorarlberg zu finden. Beim vorliegenden Projekt sei der Flächenverbrauch im Vergleich zu anderen Projekten hoch. Besonders kritisch gesehen wird die negative Beeinflussung auf die Biodiversität und den Wasserhaushalt. Aufgrund des hohen Tunnel- und Kunstbautenanteil wird die Klimawirkung ebenfalls unterdurchschnittlich bewertet.

Auf der Schiene wird gerade der rund sechseinhalb Kilometer lange Streckenabschnitt Lustenau nach Lauterach fertiggestellt. Der Abschnitt ist ein Teil auf der Strecke zwischen München, Bregenz und Zürich. Damit kann der Takt künftig verdichtet werden.