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Streit um Wertpapier-KESt

Wirtschaft

Die ÖVP denkt über eine Abschaffung nach. Werden in Österreich Erträge aus Arbeit und Kapital ungleich behandelt?


Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) möchte, wie er im aktuellen "Trend"-Interview sagt, noch heuer die sogenannte Wertpapier-KESt abschaffen. Die Ankündigung sorgt nun für hitzige Debatten und stößt vor allem der SPÖ und den Arbeitnehmervertretern sauer auf. Auf der anderen Seite fordern Anleger schon länger eine Abschaffung der Besteuerung von Kursgewinnen, wie sie in ihrer derzeitigen Form seit 2016 besteht.

Derzeit werden Erträge aus Vermögenszuwächsen, also zum Beispiel aus dem Verkauf von Aktien, mit 27,5 Prozent besteuert. Sofern diese von heimischen Banken oder geldgebenden Instituten abgewickelt werden, werden sie direkt von der Bank eingehoben und an den Fiskus weitergegeben. So fließen pro Jahr rund 200 bis 300 Millionen Euro aus der Wertpapier-KESt an den Bund.

Insgesamt nahm der Staat 2020 gut 1,34 Milliarden Euro an Kapitalertragsteuern wie der Dividendensteuer oder eben der Wertpapier-KESt ein. "Je nachdem, wie das Jahr an den Börsen lief, kommt da einiges zusammen. Einen Wegfall dieser Erträge würden wir im Budget jedenfalls spüren", mein Dominik Bernhofer, Leiter der Abteilung Steuerrecht in der Arbeiterkammer (AK), gegenüber der "Wiener Zeitung".

Verschiedene Modelle

Bis 2012 galt in Österreich eine einjährige Behaltefrist für Vermögensanlagen, die mit der Einführung der Wertpapier-KESt abgeschafft wurde. Mit der Abschaffung der Steuer könnte auch wieder eine (mehrjährige) steuerfreie Spekulationsfrist eingeführt werden. Die Details werden noch auf Regierungsebene verhandelt.

Europaweit gibt es ein breites Regel-Potpourri, sowohl was die Besteuerung als auch was die Behaltefristen für Wertpapieren anbelangt. In sieben europäischen Ländern - darunter die Schweiz oder Tschechien - gibt es keine Steuern auf Vermögenszuwächse aus Wertpapieren. In anderen Länder variieren die Steuersätze von 42 Prozent in Dänemark bis 15 Prozent in Griechenland und Ungarn. Der durchschnittliche Steuersatz beträgt 19,3 Prozent.

Anders als die AK begrüßt die Direktorin von EcoAustria, Monika Köppl-Turyna, die mögliche Abschaffung. "Man kann nicht sagen, dass indirekt Betroffene nichts von einer Senkung hätten", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Eine Senkung der Kapitalkosten würde Investitionen erhöhen und das wiederum brächte mehr Jobs.

Stattdessen spricht sie sich für eine Einführung einer Behaltefrist ein. "Wir wollen ja, dass man Aktien möglichst lange hält, das schafft auch Planungssicherheit für Unternehmen", meint sie. Auch bei der Spekulationsfrist für Wertpapiere gäbe es europaweit ganz unterschiedliche Modelle und Behaltefristen. Bernhofer hält die Abschaffung zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls für falsch. "Bei der derzeitigen Niedrigzinslage sehe ich keine besonders großen Effekte, was Risikokapital anbelangt." Es sei ohnehin viel Geld auf dem Markt, das nach Anlage und Rendite trachte. Das könne man auch an den hohen Investitionen in Tech-Start-ups der vergangenen Jahre sehen, auch in Österreich.

Ungleichgewicht bei Aktien

Tatsächlich ist Aktienbesitz in Österreich derzeit sehr ungleich verteilt. 2020 betrug das Aktienvermögen der privaten Haushalte hierzulande 61,24 Milliarden Euro. Wobei im obersten Einkommensperzentil 11,3 Prozent der Haushalte Aktien halten, während es im untersten Fünftel nur 1,6 Prozent sind. Deshalb warf der Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Christian Deutsch, am Freitag der ÖVP vor, damit nur "die Interessen der Reichen" zu bedienen. Tatsächlich verfügen heimische Haushalte im internationalen Vergleich über relativ wenig Wertpapier-Vermögen. Das ist in den skandinavischen Ländern anders, wo bis zu einem Drittel der Haushalte Aktien besitzt. Dort ist auch der Anlagemarkt ein gewichtiger Teil der privaten Pensionsvorsorge. Eine Behaltefrist statt einer Steuer könne Aktien als Altersvorsorge auch in Österreich attraktiver machen, meint Köppl-Turyna.

Und noch ein Aspekt stößt der AK, aber auch der globalisierungskritischen NGO Attac sauer auf: dass Erträge aus Arbeit hierzulande deutlich höher besteuert werden als Erträge aus Kapitalvermögen. Attac fordert in einer Aussendung eine Gleichbehandlung aller Einkommensarten und eine progressive Besteuerung, unabhängig davon, ob es sich um Erträge aus Vermögenszuwächsen oder Lohnarbeit handelt.(del)