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Papier von der Wiese

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft
© winyu - stock.adobe.com

Gras als Rohstoff für die Papierindustrie spart Wasser und CO2.


Plastik hat als Verpackungsmaterial einen schlechten Ruf. Papier gilt als nachhaltiger, zumal es aus einem nachwachsenden Rohstoff besteht und bei richtiger Entsorgung wieder zu Papier wird. Die Herstellung ist aber ressourcenintensiv.

Papier muss aber nicht nur aus Holz sein. Wer beim täglichen Einkauf genauer hinsieht, findet hier und da auch Produkte, die in Graspapier oder -kartons verpackt sind. So gibt es zum Beispiel Geschirrspültabs und -pulver der heimischen Marke Claro, deren Verpackungen aus Graskarton bestehen. Was aber nicht bedeutet, dass sie zu 100 Prozent aus Gras sind. Der Einsatz von Gras als Rohstoff in der Papiererzeugung ist begrenzt. "Mehr als 30 Prozent Anteil geht nicht", sagt Karl Ömmer. Er ist einer der Gründer der Packit Verpackungen GmbH, die mit Geschirrspülmittelproduzent Claro eine langjährige Geschäftsbeziehung verbindet. Ömmer erklärt: Grasfasern seien viel kürzer als Holzfasern, dadurch werde für die Herstellung von Graspapier oder -karton ein Trägermaterial - entweder recyceltes Papier oder Frischfaser - benötigt.

"Wir nehmen das Gras nicht den Kühen weg"

"Das Gras kommt von Ausgleichsflächen, wir nehmen es nicht den Kühen weg", sagt Ömmer weiter. Ein bisschen "tricky" sei das Bedrucken des Kartons, denn die Oberfläche sei nicht so glatt wie bei normalem Papier. Packit hat eine Handvoll Abnehmer für Graspapier-Verpackungen, etwa einen großen oberösterreichischen Erdbeerbauern oder den Sportbekleidungshersteller Salewa. Graspapier sei für Packit noch eine absolute Nische, vor allem wegen des Preises, so Ömmer. Er müsse im Einkauf um 50 Prozent mehr dafür bezahlen als für klassischen Karton zum Bedrucken.

Als Erfinder des Graspapiers gilt der Deutsche Uwe D’Agnone, Geschäftsführer des Unternehmens Creapaper mit Sitz in Hennef, Nordrhein-Westfalen. Er hat ein patentiertes Verfahren entwickelt, nach dem sich aus getrocknetem Gras ein zusätzlicher Rohstoff für die Papiererzeugung herstellen lässt, und das äußerst energiesparend. Während die Herstellung einer Tonne Holz-Zellstoff laut Berechnungen der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft aus München 6.000 Liter Wasser verschlingt, sind für die Aufbereitung einer Tonne Heu zu Graspellets nur 6 Liter Wasser nötig. Chemie kommt hier überhaupt nicht zum Einsatz.

Nicht ganz unwesentlich ist auch, dass Gras im Vergleich zu Bäumen ein rasant nachwachsender Rohstoff ist. Das Gras für die Pellets stammt von landwirtschaftlichen Überschussflächen innerhalb Deutschlands und des umliegenden Auslands. Das schafft kurze Transportwege. In der Papierproduktion in der DACH-Region würden sowohl das Holz, als auch der daraus gefertigte Zellstoff häufig Tausende Kilometer zurücklegen, bis in den Fabriken die Verarbeitung erfolge, heißt es von Creapaper.

Von Graspapier wieder Abstand genommen hat Verpackungshersteller Constantia Flexibles. Das Unternehmen testete Graspapier für den Einsatz im Lebensmittelbereich. "Leider stellte sich heraus, dass die Bedruckbarkeit des Materials nicht ausreichend war. So war die Rauigkeit des Papiers nicht ideal, um beispielsweise einen Barcode zu bedrucken. Dies war ausschlaggebend, um die Innovation nicht weiter für flexible Verpackungen zu nutzen", teilte Constantia Flexibles auf Anfrage der "Wiener Zeitung" mit.

Pflanzenfasern zur Herstellung von Papier zu verwenden, ist nichts Neues. Der Ursprung liegt im alten China. Die erste schriftliche Erwähnung des Prinzips der Papiererzeugung stammt aus dem Jahr 105 n.Chr. Der Beamte Ts’ai Lun beschreibt darin eine Methode, bei der aus Pflanzenfasern und Lumpen ein Brei hergestellt, mit einem Sieb abgeschöpft und anschließend getrocknet wurde.

In Europa dienten lange Zeit Lumpen aus Baumwolle, Hanf, Flachs und Leinen, die von Lumpensammlern angeliefert wurden, als Ausgangsmaterial für die Papierfabriken. Erst die Verwendung von Holz als Rohstoff ermöglichte die Produktion von Papier als Massenware.

Für Papier aus Österreich "keine Extra-Bäume gefällt"

"Für das in Österreich produzierte Papier werden nicht extra Bäume gefällt", betont Julia Löwenstein, Pressesprecherin der Austropapier. Die heimische Papierindustrie verarbeite jährlich an die 9 Millionen Festmeter Holz. Verwendet werde dabei zur Hälfte Restholz aus der Sägeindustrie, das beim Zuschnitt der Stämme zu Brettern in Form von Hackschnitzel, Sägespänen etc. anfällt. Die andere Hälfte sei Durchforstungsholz, das während der Waldpflege anfällt. "Das sind dünne, schwache Bäume, die entnommen werden müssen, damit die starken, gesunden mehr Platz zum Wachsen haben", so Löwenstein. Auch Schadholz könne von der Papierindustrie gut verarbeitet werden.

Im Jahr 2020 kamen 73 Prozent des Holzes aus dem Inland, 27 Prozent wurden importiert, das aber zum Großteil aus dem grenznahen regionalen Umfeld der Fabriken. Das gesamte Holz komme dabei zu 100 Prozent aus nachhaltiger Forstwirtschaft.

Die Zellulosefasern im Papier könnten nach aktuellen Studien bis zu 25 Mal recycelt werden, weswegen Altpapier zu einem weiteren wichtigen Rohstoff für die Papierindustrie zähle. Altpapier eigne sich sehr gut für Zeitungen, Toilettenpapier oder Versandkartons, jedoch weniger gut für Verpackungspapiere, die reißfest sein sollen. Da im Laufe der Recyclingvorgänge immer wieder Fasern ausgeschieden werden, weil sie zum Beispiel zu kurz geworden sind, müssen dem Kreislauf immer wieder neue (frische) Fasern zugeführt werden.