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Qualifizierte Frauen auf der Flucht

Von Marijana Miljković

Wirtschaft

Wifo: Schnelle Integration gelingt durch Anerkennung von Abschlüssen und Sprachkurse.


Knapp 200.000 Menschen flüchteten seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine nach Österreich. Mehr als 80 Prozent von ihnen ist bereits weiter gereist, 24.000 Geflüchtete aber blieben laut Innenministerium. Sie haben sich für eine Aufenthaltskarte registriert, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialleistungen gewährt. Heimische Unternehmen mit Fachkräftemangel in den Bereichen IT und Pflege hatten bereits zu Beginn es Krieges signalisiert, dass sie qualifizierte Arbeitskräfte aufnehmen würden. Doch dafür müssen für die Geflüchteten Hürden abgebaut werden, und das schnell.

So empfehlen etwa die Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts (wifo), dass Qualifikationen von Geflüchteten rasch und effizient anerkannt werden. Weiters seien Sprachkurse erforderlich, um eine rasche Integration auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Denn die Erfahrung aus früheren Krisen habe gezeigt: Die wenigsten anerkannten Flüchtlinge, nämlich 7,5 Prozent, kehren zurück oder wandern weiter, im Gegensatz zu Arbeitsmigranten, von denen die Hälfte in ihre Heimat zurückkehrt oder weiterzieht. Österreich sei zwar nicht das primäre Zielland für Geflüchtete aus der Ukraine (siehe Grafik), doch es sei zu erwarten, dass die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten Wochen ansteigt, so das Wifo, und, dass auch zunehmend Männer, die derzeit an der Kriegsfront kämpfen, flüchten.

Kompetenzen erheben

Derzeit sind hauptsächlich Frauen mit Kindern auf der Flucht. Über ihre beruflichen Qualifikationen können Expertinnen und Experten jedoch nur mutmaßen, diese Daten werden erst erhoben. "Ich gehe davon aus, dass eher Frauen im erwerbsfähigen Alter auf der Flucht sind, die höher gebildet sind, Fremdsprachen sprechen und sich auch schneller zur Flucht entschieden haben", sagt Olga Pindyuk vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Laut ukrainischen Arbeitsmarktdaten vor dem Krieg waren 7 Prozent der Frauen in Führungspositionen beschäftigt und 40 Prozent in höher qualifizierten Sektor, etwa im Bildungssektor. Auch Pindyuk findet, dass Deutschsprachkurse sowie ausreichend Plätze in Schulen und Kindergärten der Schlüssel zu einer schnelleren Integration seien.

"Welche Qualifikationen die aus der Ukraine geflüchteten Personen haben, lässt sich erst feststellen, nachdem ihre Kompetenzen erhoben wurden", heißt es seitens des Arbeitsmarkservice (AMS) auf Anfrage. Dies werde erst nach Ausstellung der "blauen Aufenthaltskarte", einem Ausweis für Vertriebene, und anschließender Vormerkung beim AMS erfolgen können. Entsprechende Beschäftigungsbewilligungen will das AMS rasch bearbeiten, so das AMS. Ukrainische Flüchtlinge erhalten laut EU-Verordnung automatisch einen Schutzstatus und müssen kein langwieriges Asylverfahren durchlaufen.

Junge Bevölkerung

Die ukrainische Bevölkerung, die zu Jahresbeginn auf 37,7 Millionen Menschen geschätzt wurde, ist im Schnitt jünger als die österreichische, auch das Bildungsniveau ist höher: Innerhalb der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen haben laut Eurostat (Stand 2020) mehr als die Hälfte, 57 Prozent, eine Tertiärausbildung (oder eine gleichwertige Ausbildung) abgeschlossen (Österreich: 41,6 Prozent). Derzeit arbeiten Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich überproportional häufig sowohl in niedrigqualifizierten Bereichen, etwa als Saisonarbeiter in der Gastro und als Erntehelfer, als auch überproportional häufig in höherqualifizierten Branchen wie IKT oder freien Berufen.