Dass Russlands Staatschef Wladimir Putin Gas an "unfreundliche Staaten" - darunter auch Österreich - nur noch gegen Zahlung in Rubel liefern will, hat die russische Landeswährung auch am Donnerstag zulegen lassen. Am Vormittag kostete ein US-Dollar rund 96 Rubel, umgerechnet 85 Euro-Cents, vor Putins Anweisung vom Mittwoch waren es noch mehr als 100 Rubel gewesen. Nach Russlands Invasion in der Ukraine im Februar war der Kurs drastisch abgestürzt, für einen US-Dollar mussten zeitweise fast 160 Rubel gezahlt werden. Inzwischen hat sich der Kurs also weiter erholt.
Auch darauf dürfte Putins Schritt abzielen. Zumal damit eine internationale Nachfrage für den Rubel geschaffen werde, was dessen Kurs mittelfristig stabilisieren könnte, wie in Analystenkreisen zu hören ist. Bisher wurden 60 Prozent der russischen Gaslieferungen in Euro und 40 Prozent in US-Dollar bezahlt.
Wifo spricht von "Dilemma"
"Wir befinden uns aktuell in einer Sackgasse", hält Wifo-Chef Gabriel Felbermayr zur neuen Situation fest. "Denn Rubel bekommt man nur über die russische Zentralbank. Und das ist das Dilemma, in dem wir momentan stecken." Es gehe um Rubel, "die wir nicht haben". Die Sanktionen des Westens seien zwar gut und wichtig, sagt Felbermayr weiter. Die nächsten Tage würden aber zeigen, ob man sie wieder zurücknimmt, um Rubel kaufen zu können.
Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank gibt indes zu bedenken, dass nicht alle russischen Geldinstitute vom globalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen seien. Der Erwerb von Rubel, um Gas-Rechnungen zu bezahlen, sei also durchaus möglich. "Um Rubel zu erwerben, muss niemand die Sanktionen gegen die russische Zentralbank brechen", so Leuchtmann.
Nach Putins Ukas müssen die russischen Gas- und Ölexporteure den Zahlungsverkehr kommende Woche auf Rubel umstellen. "Das ist ein Problem für Europa. Denn das Beschaffen von Rubel ist nicht einfach, nachdem die russische Zentralbank mit Sanktionen belegt worden ist", wird Felbermayr in einer Presseaussendung des Internationalen Forums für Wirtschaftskommunikation nach einem dort gehaltenen Vortrag zitiert. "Außerdem ist der Rubel keine Reservewährung, die wir in anderen Ländern und Banken vorrätig haben. Und wir brauchen große Mengen. Da haben wir uns möglicherweise in eine Sackgasse manövriert." Die kurzfristige Folge ist jedenfalls, dass der Rubel deutlich aufwertet und der Gaspreis wieder zulegt.
OMV zahlt weiter in Euro
Grundsätzlich wirkten die Sanktionen gegen Russland "überraschend gut", sagt Felbermayr weiter. Auch wenn Moskau durchaus geschickt reagiere. "All jene, die sagen, es störe den Kreml nicht, wenn Europa kein Erdöl und Gas mehr kauft, liegen falsch. Wenn ein Staat Exporteinnahmen im Ausmaß von zehn Prozent seiner Wirtschaftskraft verliert, schmerzt das sehr." Die Abhängigkeit sei naturgemäß aber beidseitig, so der Wifo-Chef. "Zum einen fehlen uns die Alternativen zu vielen Rohstoffen, die wir aus Russland beziehen, und zum anderen braucht Russland Europa für seine Pipelines. Denn die einfach so zu schließen und über andere Wege Gas zu exportieren, ist zeitlich und finanziell nicht möglich."
Unterdessen will die OMV ihre Gaslieferungen aus Russland laut Konzernchef Alfred Stern weiterhin in Euro und nicht in Rubel bezahlen. "Wir haben keine andere Vertragsgrundlage, ich dürfte so etwas gar nicht", sagte der Manager Mittwochabend dem TV-Sender Puls4. "Bei uns hat noch niemand angerufen. Ich werde jetzt mal warten, ob da jemand auf uns zukommt."
Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine, hat die EU-Staaten davor gewarnt, auf Russlands Forderung hin Gasimporte künftig in Rubel zu bezahlen. Es wäre demütigend, falls ein EU-Land darauf eingehen sollte, twitterte Kuleba. "Das ist, als ob man mit einer Hand der Ukraine hilft und mit der anderen Russland hilft, Ukrainer zu töten." Die Europäer sollten "eine weise und verantwortungsvolle Entscheidung" treffen.
Heimische Industrie warnt
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, warnt angesichts der neuen Umstände vor einer Gefährdung der Energiesicherheit. Kurzfristig gebe es keine Alternative zum russischen Gas, das bleibe "die unbequeme Wahrheit", so Knill. "Den Gashahn stark zu drosseln, hätte katastrophale Auswirkungen auf unser alltägliches Leben, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft insgesamt. Damit vernichten wir unsere Industrie und Arbeitsplätze." Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) weist Forderungen nach einem Gas-Boykott als "realitätsfremd und falsch" zurück. (kle/ag.)