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Inflation kaum zu bremsen

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Teuerung beträgt 6,8 Prozent. EZB denkt über Zinserhöhung nach, was ihr auch Kritik einbringt.


Heizen, tanken, Restaurantbesuche - seit Monaten wird das Leben für die Menschen in Österreich und in ganz Europa immer teurer. Im März betrug die Inflationsrate laut Statistik Austria 6,8 Prozent. Das ist der höchste Wert seit 1981. Im Euroraum kletterte sie sogar auf 7,4 Prozent. Das ist ein Rekordwert, und eine Entspannung ist derzeit nicht Sicht. Ebenfalls seit Monaten denken Politik und Notenbanken darüber nach, wie sie diesen Aufwärtstrend stoppen können. Ihr Spielraum ist aber begrenzt, es geht eher um Symptomlinderung. Denn auf den Hauptpreistreiber, die Energiekosten, können weder die EZB noch die Bundesregierung viel Einfluss ausüben.

Heizöl ist im März im Vergleich zum Vorjahr um 118,5 Prozent teurer geworden, Gas um 79 Prozent, Treibstoffe um mehr als die Hälfte. Die Energiepreise steigen schon seit einem Jahr. Das hatte zunächst mit der weltweit gestiegenen Nachfrage und Nachholeffekten nach den Corona-Lockdowns 2020 und 2021 zu tun. Es wurde wieder mehr konsumiert und produziert. Russlands Krieg in der Ukraine hat die Lage dann dramatisch verschärft. Ein EU-weites Gas- und Öl-Embargo steht im Raum, Russland drohte selbst immer wieder, den Gashahn abzudrehen. Das führt zu Verunsicherung und treibt die Preise in die Höhe, obwohl seitens Russland (noch) nicht weniger geliefert wird.

Bei Steuern entlasten

Die Bundesregierung hat darauf mit einem rund vier Milliarden Euro schweren Maßnahmenpaket reagiert, das unter anderem einen Teuerungsausgleich von 150 Euro für die Mehrheit der österreichischen Haushalte und eine Einmahlzahlung von 300 Euro für bedürftige Gruppen enthält. Das deckt aber bei Weitem nicht die Jahresteuerung ab. Die Arbeiterkammer hat zuletzt berechnet, dass auf Basis der aktuellen Inflationsrate auf einen durchschnittlichen Haushalt heuer Zusatzkosten von 1200 Euro zukommen.

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Deshalb denkt die Regierung, wie etwa die "Presse" berichtete, über eine Senkung der Lohnkosten und eine Steuerreform nach. Auch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge werde im Finanzministerium geprüft. Auch die lange geforderte Abschaffung der sogenannten kalten Progression wird laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) geprüft. Weil die Steuerklassen nicht an die Inflation angepasst sind, rutschen Arbeitnehmer bei einer Lohnerhöhung automatisch in eine höhere Steuerklasse. Der Staat profitiert von Mehreinnahmen, die heuer noch einmal wegen der deutlich höheren Inflation steigen, wie zuletzt der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria vorrechnete.

Steuerliche Entlastungen und die Abschaffung der kalten Progression lindern zwar den Preisdruck auf die Haushalte. Der Fiskus schränkt dadurch aber auch seinen budgetären Spielraum für punktuelle Maßnahmen und Hilfspakete ein.

An Zinsschraube drehen

Und dann ist da noch die Zinsschraube. In der Theorie sinkt die Inflation, wenn die Zinsen steigen, weil dann weniger Geld für Konsum übrig bleibt. In der Praxis ist die Sache aber etwas komplexer. Vor allem in der aktuellen Situation. Einige Notenbanken, darunter die Fed (USA) haben die Leitzinsen schon erhöht. Und nun hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) vorsichtig eine Zinswende im Juli angekündigt. Die EZB hat lange Zeit gezögert, die Zinsen zu erhöhen, was ihr reichlich Kritik einbrachte. Das Zögern war aber berechtigt. "Zinsen sind ein sehr grobes, umfassendes Instrument. In der aktuellen Krise müssen wir aber viel sensibler auf einzelne Sektoren eingehen", meint Lea Steininger, Ökonomin an der Wirtschaftsuniversität Wien und Expertin für Geldpolitik, gegenüber der "Wiener Zeitung". Der höchste Preisanstieg findet derzeit im Energiebereich statt. Darauf kann eine Zinserhöhung nur indirekt und zeitverzögert einwirken. "Wie soll denn die EZB auf den Ukraine-Krieg einwirken?", fragt Steininger. Die aktuelle Inflation sei nicht einfach ein Nachfrageproblem, das es zu drosseln gelte.

"Manche Branchen reagieren sensibler auf höhere Zinsen, als andere", so die Expertin. Würde man die Zinsen erhöhen, wäre das zuerst im Bereich Bau und Wohnen spürbar, weil Immobilienkredite teurer würden. Ökonomen fürchten, dass wenn die Zinsen jetzt steigen, das den Aufschwung abwürgt, die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellt, aber die Preise trotzdem nicht spürbar sinken. Also eine Stagflation.

Um sich von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und russischem Gas zu lösen, muss der Umstieg auf klimaneutrale Energieträger vorangetrieben werden. "Für den Umstieg auf erneuerbare Energien brauchen wir aber günstige Finanzierungsmöglichkeiten, sonst wird das nicht gelingen", warnt Steininger.

Anstatt auf die durchschnittliche Teuerungsrate zu blicken, wäre es derzeit sinnvoll, sich den Auftragsüberhang in den einzelnen Branchen anzusehen. Dort, wo es konkrete Engpässe oder hohe Preisanstiege gebe, solle man mit konkreten Maßnahmen gegensteuern - mit Förderungen oder Infrastruktur-Ausbau.

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