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Bayrisch-österreichische Freundschaft im Kriegsmodus

Wirtschaft
Michael Hüther (IDW), Rosa Lyon (ORF), Margit Schratzenstaller (Wifo) im Gespräch.
© Wifo / Johannes Brunnbauer

Wirtschaftlicher Nachbarschaftsdialog ist geprägt von Energiepreisen, Ukrainekrieg und Fachkräftemangel.


Eigentlich sollte es beim österreichisch-bayrischen Wirtschaftsgipfel am Montag in der Wirtschaftskammer (WKO) in Wien um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und Österreich gehen. Österreich ist Bayerns wichtigster Handelspartner. Wir exportieren Waren und Dienstleistungen im Wert von 17 Milliarden Euro in das größte deutsche Bundesland, umgekehrt sind es 16 Milliarden Euro.

Der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation und der Energiepreisschock dominierten aber den vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) initiierten Gipfel. "Heuer kommen 9 Milliarden Euro an Mehrkosten auf Unternehmen und Haushalte zu", sagte WKO-Generalsekräter Karlheinz Kopf. Er beteuerte, dass es kein Gasembargo für Russland geben könne, und kritisierte indirekt die Aussagen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), dass die Privatisierung staatlicher Infrastruktur in der aktuellen Krise hinderlich sei. "Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen eine Renationalisierung der Wirtschaft."

WKO-Präsident Harald Mahrer plädierte für ein Aussetzen des aktuellen Strompreisbildungsmechanismus, bei dem der Ökostrompreis analog zum Gaspreis steigt. Auch Bayerns Staatsminister Florian Herrmann sprach sich gegen ein Gas-Embargo aus, plädierte aber für einen raschen Erneuerbaren-Ausbau und eine Reduktion der Abhängigkeit von Gas. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) sagte auf Nachfrage, dass der Vorschlag Nehammers zur Gewinnabschöpfung von Krisengewinnern im Energiebereich zwar geprüft werde, so etwas aber "auf jeden Fall nur eine einmalige Sache sein kann".

In der Pandemie sind die Schulden der EU-Länder wegen milliardenschwerer Corona-Hilfspakete in die Höhe geschnellt. Laut Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller ist die Staatsverschuldung in Österreich von 65 Prozent der Wirtschaftsleistung 2007 im Vorjahr auf 83 Prozent hinaufgeklettert.

"Mehr Lebensarbeitszeit"

Nachdem die EU für den Resilienz-Fonds gemeinsame Schulden aufgenommen hat, gibt es nun auf EU-Ebene die Überlegung, das auch im Zuge des Ukraine-Wiederaufbaus zu tun. Laut Schratzenstaller wäre das auch ein wichtiges Unterfangen für die Kohäsion in der EU.

Laut Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IDW) in Köln, könne ein "herauswachsen aus den Schulden" nur über den Hebel Arbeitsmarkt passieren. Demografie-bedingt wird aber der Fachkräfte- und der generelle Arbeitskräftemangel sowohl in Deutschland, als auch in Österreich zum Problem. Deshalb sprach sich Hüther für eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden und um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit aus, was politisch sehr umstritten ist. "Wir müssen auch die unfreiwillige Teilzeit abschaffen", meinte er.

Ein Aspekt, der den Fachkräftemangel zusätzlich befeuert, ist die fehlende, flächendeckende Kinderbetreuung für Eltern. "Dazu gehört auch ein Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung, sonst geht das gar nicht", sagte Detlef Scheele, Chef der deutschen Bundesagentur für Arbeit. Arbeitsminister Martin Kocher beteuerte, dass der Ausbau von Kinderbetreuung massiv verstärkt werden müsse, "ob es am Ende einen Rechtsanspruch gibt, weiß ich aber nicht". Jedenfalls soll im Juni das neue Arbeitslosenversicherungsmodell vorgestellt werden. Und hierbei ist die Herabsetzung der Zuverdienstgrenze im Gespräch.(del)