Zum Hauptinhalt springen

Alarmsignale aus Gewerbe und Handwerk

Von Christoph Bošnjak

Wirtschaft
Der Bau als Leitbranche schwächelt. Das trifft auch die baunahen Bereiche.
© stock.adobe.com / Anselm

Energiekostenexplosion: 450 Millionen Euro schwerer Zuschuss für Betriebe "viel zu wenig".


Renate Scheichelbauer-Schuster spart wieder nicht mit dramatischen Worten. Die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) macht sich weiterhin Sorgen um die Zukunft der zahlreichen Betriebe, vor allem in Hinblick auf einen möglichen Gas-Lieferstopp im Herbst. Dieser würde "wie ein Schlaganfall" auf die Branche wirken, wie sie am Donnerstag bei einem Pressegespräch betonte.

Im April hatte sie davon gesprochen, dass Gewerbe und Handwerk "bei vollen Schüsseln hungern" würden. Einen Mangel an Aufträgen gebe es nicht. Jedoch würden Lieferprobleme und massive Preissteigerungen bei Rohstoffen, Vormaterialien und Energie Preiskalkulationen und die Einhaltung von Auftragsterminen fast unmöglich machen.

Warnung vor Ausfall der Gasversorgung

Angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise sind Bundessparten-Geschäftsführer Reinhard Kainz die vom Nationalrat beschlossenen Zuschüsse für energieintensive Unternehmen in Höhe von 450 Millionen Euro bis Ende 2024 "eindeutig viel zu wenig." Er befürchtet, dass das Volumen rasch ausgeschöpft ist und Klein- und Mittelbetriebe (KMU) nicht zum Zug kommen. Zudem fordert er klare und eindeutige Regeln, um die Erbringung der erforderlichen Nachweise zu erleichtern. Scheichelbauer-Schuster: "Alle berechtigten Anträge müssen berücksichtigt werden, ohne Deckelung nach oben."

Wie dramatisch sich ein Stopp der Gasversorgung auswirken könnte, schilderte er anhand der Glasproduktion. Glasöfen müssten 365 Tage im Jahr bei konstant hohen Temperaturen betrieben werden. Ein Erkalten der Rohmasse würde die Zerstörung der Glasöfen und einen wirtschaftlichen Totalschaden für das Unternehmen und in der Folge einen Totalverlust aller Arbeitsplätze bedeuten, so Reinhard Kainz.

Das zweite Quartal dieses Jahres lief für die heimischen Gewerbe- und Handwerksunternehmen indes nicht schlecht. Laut Konjunkturbeobachtung der KMU Forschung Austria beurteilten 16 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als schlecht, doppelt so viele - nämlich 32 Prozent - jedoch als gut, wie Christina Enichlmair von der KMU Forschung Austria ausführte. Damit ergebe sich ein positiver Saldo von 16 Prozent, nach 4 Prozent im ersten Quartal 2022. Im zweiten Quartal 2020 war der Wert noch bei minus 31 Prozent gelegen.

In den investitionsgüternahen Branchen stieg der durchschnittliche Auftragsbestand im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal um 10,9 Prozent. Besonders hohe Steigerungen gab es etwa bei Hafnern, Platten- und Fliesenlegern (plus 29,5 Prozent) sowie Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnikern. Einzig im Baugewerbe gab es mit minus 1,8 Prozent einen Rückgang beim Auftragsbestand. Hier erwarten für das dritte Quartal auch nur 14 Prozent der Betriebe Auftragssteigerungen. 31 Prozent gehen von Rückgängen aus. Scheichelbauer-Schuster sieht das als Alarmsignal. Wenn der Bau als Leitbranche schwächle, treffe das in weitere Folge auch andere Bereiche. Die Auslastung ist in den investitionsgüternahen Branchen relativ hoch: Über 50 Prozent der Betriebe sind zehn oder mehr Wochen ausgelastet.

Konsumnahe Bereiche leiden an Long-Covid

In den konsumnahen Branchen zeigt sich eine uneinheitliche Entwicklung. In den Bereichen Mode und Bekleidungstechnik, Lebensmittelgewerbe, Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure sowie Personaldienstleister und Sicherheitsgewerbe verzeichneten einen positiven Saldo (Betriebe mit Umsatzsteigerungen minus Betriebe mit Umsatzrückgängen), während bei den Gesundheitsberufen und Kunsthandwerken, Mechatronikern und Fahrzeugtechnikern der Anteil der Betriebe mit Umsatzrückgängen noch überwiegt. Insgesamt hätten sich die konsumnahen Branchen immer noch nicht ganz erholt und würden quasi an "Long-Covid" leiden, sagte Scheichelbauer-Schuster.

Der Arbeitskräftemangel bereitet ihr ebenfalls Sorgen. Man müsse mehr Menschen in Beschäftigung bringen, fordert sie. Unter anderem könnten Frauen durch den Ausbau der frühkindlichen Kinderbetreuung Familie und Beruf besser unter einen Hut bringen. Die Lehre ist in Handwerk und Gewerbe im Aufwind: Im Juni stieg die Zahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr um 3,9 Prozent.