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Die Zahlen hinter "Koste es, was es wolle"

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Bisher hat der Staat insgesamt 46,4 Milliarden Euro für Corona-Hilfen ausgegeben. Kritiker sprechen von Überförderung.


Kein anderes Land hat im Jahr 2020 so viel für Corona-Hilfen ausgegeben wie Österreich. Das berichtete das ORF-Wirtschaftsmagazin "Eco". Demnach soll der Bund im ersten Corona-Jahr 2020 pro Kopf 1.475 Euro ausgegeben haben. Der EU-Durchschnitt lag bei 325 Euro. Deutschland hat im ersten Pandemiejahr 451 Euro pro Kopf an Covid-19-Hilfen ausbezahlt, die Schweiz 82. Ungarn ist mit 20 Euro pro Kopf Schlusslicht.

Auf Nachfrage bestätigte das Finanzministerium die Zahl gegenüber der "Wiener Zeitung". Diese setze sich den Experten des Finanzressorts zufolge aus den ausbezahlten Geldern für Kurzarbeit, den Cofag-Hilfen und Haftungen sowie dem Härtefallfonds zusammen, dividiert durch die Bevölkerungsanzahl. Nun werfen Opposition und Ökonomen der Regierung Überförderung vor. Auch der Rechnungshof übte kürzlich in einem von "Standard" und "Falter" veröffentlichten Rohbericht massive Kritik an die Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes, Cofag, und den damaligen Vorgängen im Finanzministerium. Zu viel Steuergeld sei zu intransparent geflossen, so das Fazit.

Ausgaben stark gestiegen

Die aktuellen Berechnungen hat Thomas Prorok vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). Er hat die Ausgaben für wirtschaftliche Subventionen der einzelnen Länder aus dem Jahr 2019 und 2020, die an Eurostat gemeldet wurden, verglichen. Österreich gab demnach 2019 rund 4,7 Milliarden Euro für Wirtschaftsförderung aus, 2020 waren es mit 17,8 Milliarden Euro 13 Milliarden mehr. Das ergibt für das erste Corona-Jahr 2020 eben die kolportierten 1.475 Euro pro Person.

Dass die Ausgaben in Österreich um so viel höher waren als in benachbarten Ländern mit einer ähnlich hohen Wirtschaftsleistung pro Kopf, hat unterschiedliche Gründe. So gab die Schweiz zum Beispiel schon 2019, also vor Pandemiebeginn, mit umgerechnet 7,9 Milliarden Euro deutlich mehr für Wirtschaftssubventionen aus als Österreich. "Nichtsdestotrotz ist die Steigerung hier sehr deutlich. Vor allem im Kontext mit der Kritik der Überförderung des Rechnungshofs", sagt Thomas Prorok vom KDZ im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Auf Nachfrage verteidigt Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) das Vorgehen seines Vorgängers, Gernot Blümel, zu Beginn der Pandemie: "Die Bundesregierung hat mit Ausbruch der Corona-Krise rasch reagiert und den Unternehmen überlebenswichtige Liquidität zur Verfügung gestellt. Damit wurden Wirtschaft und Arbeitsplätze geschützt und eine Insolvenzwelle verhindert."

Die Instrumente seien im Laufe der Pandemie angepasst worden und noch treffsicherer gemacht worden. Auch sei Österreich, was das prognostizierte Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Arbeitslosigkeit betreffe, deutlich besser als andere EU-Staaten durch die Pandemie gekommen.

"Koste es, was es wolle!"

Unter diesem Slogan hat die Bundesregierung unter dem damaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz und dem Finanzminister Gernot Blümel im Frühjahr 2020 die Cofag als ausgegliederte Gesellschaft des Bundes ins Leben gerufen und Milliarden Euro an Steuergeld für Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss und Co in die Hand genommen. Blümel und Kurz haben mittlerweile die Politik verlassen.

Laut Homepage des Finanzministeriums hat der Bund bisher 46,4 Milliarden Euro an Corona-Hilfsmaßnahmen bereits ausgezahlt oder genehmigt (siehe Grafik). Dividiert man das durch die rund 8,9 Millionen Einwohner Österreichs, kommt man auf 5.213 Euro pro Kopf, die der Bund seit Pandemiebeginn ausgegeben hat. Mit 9,8 Milliarden Euro macht die Corona-Kurzarbeit dabei den größten Anteil aus. Gefolgt von 6,8 Milliarden Euro an Gesundheitsausgaben.

Kritik von der Opposition

Von der Opposition hagelte es am Freitag heftige Kritik in Richtung Bundesregierung. "Österreich ist bei den Kosten zwar auf Platz 1, bei der Krisenbewältigung aber schwach", kritisieren der SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer und SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. "Dieser sorglose Umgang mit Steuergeld muss ein Ende haben", fordert Neos-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker. Und die FPÖ spricht von einem "Totalversagen in der Wirtschaftspolitik".

"Es macht durchaus Sinn, die Wirtschaft zu fördern", sagt Prorok. "Diese Zahlen bedeuten nicht zwangsläufig, dass den Unternehmen nur Geld in den Rachen gesteckt wurde." Allerdings müsse man die Berechnungen des KDZ und den Rechnungshofbericht jetzt zum Anlass nehmen um die Förderungen und eine mögliche Überförderung zu evaluiren. "Und wir müssen uns natürlich auch überlegen, wie und nach welchen Kriterien wir in Zukunft fördern möchten."